In diesem Fall handelt es sich um französische Fenster an einer Balkonfront eines Wohnzimmers. Die Fenster sind mit 2-fach-Isolierverglasungen ausgestattet. Das Seitenelement neben dem Gehflügel musste innerhalb vor drei Jahren drei Mal aufgrund gesprungener Scheiben (Gewährleistung) ausgetauscht werden. Das wäre vermeidbar gewesen.
Das rät der Sachverständige
Die Zimmereinrichtung: Wenn wie hier, eine schwarze Ledergarnitur ca. 0,80 bis 1 m von der Verglasung wegsteht, tritt unweigerlich das Phänomen der „Schattenwirkung“ auf. Was bedeutet das? Bauten werden in Deutschland auf Grundlage der „DIN 4108 Energieeinsparung an Gebäuden“ erstellt. Hier schreibt der Gesetzgeber fest, Gebäude so zu konzipieren, dass sie möglichst wenig Energie von innen nach außen verlieren. Das gilt auch für die Fenster. Ziel ist es, die Energie im Gebäude „einzusperren“.
Die DIN 4108 gibt unter „4.3 Wärmeschutz im Sommer“ vor, dass durch die transparenten Bauteile möglichst wenig Energie nach innen kommen darf. Ansonsten würden unsere Gebäude energetisch zu einem „Backofen“. Gleichzeitig will man im Winter Wärmeverlusten vorbeugen. Dazu werden die Gläser beschichtet (Sonnen- und Wärmeschutzbeschichtung). Auch bei 3-fach-Isolierglas gilt dieses Prinzip.
Was steckt hinter der Beschichtung? Langwellige Wärmestrahlen wie fernes Infrarot dringen nicht durch beschichtete Fensterscheiben. Dagegen sind die Scheiben für nahes Infrarot und Sonnenlicht transparent. Das heißt: Die Industrie versucht, die durchdringenden Strahlungen zu hemmen. Das geschieht gerade mit der Beschichtung von Gläsern. Fachlich spricht man von einer selektiven Beschichtung.
Beschichtete Gläser blockieren nicht alle einfallenden Wärmestrahlen. Daher muss der Innenraum diese Wärmestrahlungen aufnehmen. Der Raum erwärmt sich durch diese (Strahlungs-)Energie und es kann schlimmstenfalls zum Wärmestau kommen.
Die Schadensursache
Wenn jetzt, wie im vorliegenden Fall, hinter der Scheibe ein (dunkles) Sofa steht, kann die Sonneneinstrahlung nicht oder nur teilweise in den freien Raum abstrahlen. Im Gegenteil, die Materialien speichern die Energie und geben verzögert langwellige Wärmestrahlungen zurück an die Scheibe. Auf der Oberfläche und den Zwischenräumen der Scheibe wird sich diese Energie speichern und ein extremes Erhitzen verursachen. An diesen Stellen dehnt sich Glas (wie jedes andere Material) aus. Und durch diese punktuelle Ausdehnung wird Spannung in die Scheibe eingebracht. Ist die Temperaturdifferenz und damit die eingebrachte Spannung zu groß, führt dies zum Glasbruch (siehe dazu GLASWELT 05/2012, S. 26).
Verstärkt werden kann dieser Effekt dadurch, dass sich der Glas-Randbereich in der Nacht (auch im Sommer) abkühlt und das Glas sich zusammenzieht. Durch Wind ausgelöste Druck-Sog-Belastungen bringen zusätzlichen Stress in das Glas. Wird dann die Spannung größer als die maximale Zugfestigkeit der Scheibe, geht diese zu Bruch. In unserem Beispiel riss immer nur die Scheibe, vor der das dunkle Sofa stand. —
In der Serie GLASWELT-Diskurs werden Fragen aus der Baupraxis diskutiert. Haben auch Sie Fragen? Senden Sie diese an glaswelt@glaswelt.de.
Schattenwirkung in der Praxis
Hauptsächlich finden wir Schäden aufgrund von Schattenwirkung bei teilverdeckten Scheiben (z.B. durch Aufkleber etc.). Aber auch Vorhänge, Möbel und Schürzen von Heizkörperverkleidungen vor großen Fenstern können diese Schäden verursachen. Bruchgefahr besteht auch, wenn mehrere Scheiben auf Glasböcken übereinander gelagert werden. Dann gehen in der Regel die 2. bis 4. Scheibe zu Bruch.
Was kann man gegen solch einen thermisch bedingten Glasbruch tun? Rein technisch betrachtet kann man die Glasart austauschen. Ein normales Floatglas verträgt in der Fläche eine Temperaturdifferenz von etwa 40 °C. Ein Einscheibensicherheitsglas verträgt eine Differenz von bis zu 280 °C. Weiter kann der Nutzer dafür Sorge tragen, dass ein Hitzestau gar nicht erst stattfindet. Das oben erwähnte Sofa sollte deshalb in einem ausreichenden Abstand zum Fenster stehen. Darauf kann der Fachmann den Nutzer hinweisen.
Der Sachverständige: Wilfried Berger ist Bauschadenanalytiker und betreibt in Pfullendorf das BauFachForum.