Werden Zuschnittanlagen und -puffer, Bearbeitungszentren sowie moderne Fertigungslinien über Software-Systeme, Sensoren, Aktoren und Prozessoren ganzheitlich miteinander verbunden, so geht dies weit über das hinaus, was bisher unter dem Stichwort „Automation“ diskutiert wurde.
Warum? Die Menge an Daten, die permanent generiert und ausgetauscht werden, vervielfacht sich. Unterschiedliche Kommunikationssysteme wachsen schnell zusammen und ergänzen einander. So wird eine rein barcode-basierte BDE (Betriebsdaten-Erfassung), wie sie in der Flachglasbranche in gut vernetzten Fertigungsumgebungen bereits Standard ist, mit Maschinendaten angereichert: Elektronische Intelligenz in winzigen Bauteilen verbindet die „Welt aus Stahl“ mit der digitalen Welt. Der Anteil der Daten, die von Maschinen geliefert werden, wächst rapide und wird manuelle Systeme zunächst ergänzen, langfristig wohl aber verdrängen.
Die Industrie braucht standardisierte Datenplattformen, die Maschinendaten mit Daten aus anderen Quellen zusammenführen und nutzbar machen – sei es zur Informationsgewinnung und -auswertung oder zur Optimierung von Fertigungssteuerung und Wartungszyklen.
Die bessere Verfügbarkeit von Echtzeit-Informationen durch die Integration verschiedener Technologien führt zu hoch dynamischen Fertigungsnetzen, die sich mehr und mehr selbst organisieren. Dabei ist keine dieser Technologien wirklich neu: Industrie 4.0 entsteht dadurch, dass sie konsequent miteinander vernetzt werden.
Maschinen reden miteinander
Ein Beispiel zur konsequenten Aggregation und Nutzung heterogener Maschinendaten ist A+W IoT Smart Trace, eine herstellerunabhängige Industrie 4.0 Datenplattform. Mit diesem System werden in der Produktion Daten von verschiedenen Sensoren, Scannern, Maschinen und Softwaresystemen erfasst, gespeichert und in einem gemeinsamen Datencontainer gesammelt und ausgewertet.
Dazu werden die Informationen mit Metadaten* angereichert und in einem zentralen Datenspeicher abgelegt. Es entsteht ein ganzheitliches Informationssystem zur Protokollierung und Echtzeit-Nutzung der gesamten Kommunikation in der Fertigungskette in Bezug auf einen Auftrag, eine Charge oder eine einzelne Scheibe.
Intelligente Schnittstellen
Die Kommunikationsnetze in Industrie 4.0-Umgebungen funktionieren mittels bidirektionaler Schnittstellen, die Softwareanbieter gemeinsam mit führenden Maschinenbauern erstellen.
Moderne Glasbearbeitungs-Maschinen, die durchgängig mit elektronischen Bauteilen ausgerüstet sind, werden permanent von intelligenter Software über solche Schnittstellen ausgelesen und gesteuert. Mit A+W Systemen können an verschiedenen Punkten eines intelligenten Sortierpuffers, einer ISO-Linie einer gesamten Fabrik Knoten eingerichtet werden, an denen Auswertungen stattfinden oder auch Befehle an die Maschine sowie von Maschine zu Maschine oder z. B. von der Maschine zu Kontroll-Dashboards und Analysetools geschickt werden können. Das macht die Produktion effizienter und liefert wertvolle Informationen, die von Datenplattformen wie A+W IoT genutzt werden können.
Die Krux dabei: Immer mehr unterschiedliche Fertigungsanlagen und Softwaresysteme müssen reibungslos miteinander kommunizieren. Für praktisch jede Maschine jedes Hightech-Herstellers werden individuelle Schnittstellen programmiert, was viel Zeit und Geld kostet.
Immerhin haben sich nun führende Hersteller und Softwarehäuser in einer Arbeitsgruppe des VDMA zusammengefunden, um für die Flachglasindustrie einen gemeinsamen Schnittstellenstandard auf Basis der Schlüsseltechnologie OPC-UA (Open Platform Communications Unified Architecture) zu entwickeln, eine erfreuliche Entwicklung, die dem Projekt „Glasindustrie 4.0“ gehörig Schub verpassen wird.
Über Firmengrenzen hinweg
Wenn jeder mit jedem spricht, dann gilt das für die gesamte Wertschöpfungskette. Natürlich wird schon heute digital zwischen Marktpartnern kommuniziert, vor allem bei Bestell- und Lieferprozessen. Doch inwieweit betrifft das produktionsnahe Abläufe? Was haben die Fertigungsanlagen meines Kunden oder Lieferanten mit meinen Maschinen, Werkstücken oder Computern zu reden? Dazu ein Beispiel.
Jumbo-Scheibe spricht mit Schneidtisch: Fertigungsbedingt ist kaum eine ausgelieferte Jumboscheibe fehlerfrei. 0,6 Fehlerstellen pro Lagerplatte, so ist der Durchschnitt. Das verursacht nicht nur Material- und Prozesskosten, sondern erhöht auch den Energieverbrauch über die gesamte Wertschöpfungskette.
Besonders ärgerlich und teuer sind Schäden bei hochwertigen Funktionsgläsern. Sie machen dem Verarbeiter das Leben schwer und kosten ihn viel Geld – je mehr, desto später er die Fehlerstellen entdeckt.
Die gute Nachricht: Der Floatglas-Hersteller weiß, wo die lästigen Fehlerstellen liegen, denn zur Qualitätssicherung werden die Floatscheiben bereits im Werk exakt gescannt. Diese Information über die Position der Fehlerstellen, die nicht bereits im Floatwerk eliminiert werden können, lässt sich per Laser auf der Scheibe speichern und so an den Kunden übermitteln. Der Laser-Code auf dem Jumbo entspricht gewissermaßen einem Sensor, der mit seiner Fertigungsumgebung kommuniziert.
Was hat der Verarbeiter davon?
Er kann viel Material sparen, wenn er eine Software wie den A+W-Defect Optimizer einsetzt. Die Aufgabe solcher Zuschnitt-Optimierungen ist es, um bekannte Fehlerstellen „drumherum“ zu optimieren.
Über eine Schnittstelle übernimmt der A+W Defect Optimizer die in der Glashütte generierte Fehlerstellen-Information. Das System erkennt die betroffenen Scheiben auf der Lagerplatte und berücksichtigt bei einer Echtzeit-Reoptimierung die Koordinaten der Fehlerstellen. Die Defekte werden binnen Sekunden in den Verschnitt gelegt oder, wenn das nicht möglich ist, in die kleinstmögliche Scheibe verschoben. Verbleibende Defekte werden markiert und die betroffenen Scheiben in den Bruchpool gestellt.
Tests haben ergeben, dass mit dem A+W Defect Optimizer die Anzahl der defekten Scheiben im Schnitt um 50 % verringert werden kann, die betroffene Scheibenfläche sogar um mehr als 70 %.
Mehr als ein Hype
Wir sehen hier einen hoch komplexen Austausch von Informationen zwischen Werkstück, Anlagentechnik und Optimierungssoftware, der zu höherer Produktivität, Materialausbeute und Qualität führt, übrigens ein toller Service von Floatherstellern, die ihren Kunden diese Informationen auf der Lagerplatte zur Verfügung stellen.
Der beschriebene Prozess ist mehr als Automation, wie wir sie kennen: Erst die intelligente Vernetzung und Kommunikation der beteiligten Technologien machen daraus ein Stück Glasindustrie 4.0. Die meisten Betriebe der deutschen Flachglas-Industrie haben das verstanden und investieren gezielt und wohl überlegt.