Mit dieser aBG können bei der Planung, Bemessung und Ausführung linienförmig gelagerter ebener MIG-Verglasungen die neuen Normteile 1 und 2 der DIN 18008 schon jetzt, d.h. vor ihrer offiziellen Einführung als Technische Baubestimmung (TB), angewendet werden. Eine vorhabenbezogene Bauartgenehmigung muss dazu nun nicht mehr beantragt werden.
Da diese aBG in allen 16 deutschen Bundesländern gilt, lassen sich bei den eingangs genannten MIG-Verglasungen schon jetzt die Vorteile der neuen Teile 1 und 2 der Norm nutzen. Insbesondere diejenigen des neuen Nachweises von MIG kleiner 2 m² nach Abschnitt 6.1.4 des neuen Normteils 2.
Höhere Spannungsausnutzung und größere kmod-Werte
Leider thematisiert die aBG die damit einhergehende höhere Spannungsausnutzung nicht, die sich speziell bei der sogenannten 2. Nachweisstufe nach Abschnitt 6.1.4 3) aufgrund des kleineren Material-Teilsicherheitsbeiwerts ergibt (vgl. BF-Information 017/2021).
Hinsichtlich Spannungsausnutzung geht die aBG sogar noch etwas über das Niveau der neuen Norm hinaus. Denn es dürfen z.T. auch etwas größere Modifikationsbeiwerte kmod verwendet werden, als nach Norm (vgl. Tabelle). Der kmod-Wert berücksichtigt die Festigkeitsabnahme thermisch nicht vorgespannter Gläser mit der Lasteinwirkungsdauer.
Abgesehen davon ist die aBG enorm hilfreich. Denn ab sofort können damit kleine Isolier-Verglasungen aus Floatglas wieder konform zum Bauordnungsrecht nachgewiesen werden, ähnlich wie zu Zeiten der TRLV (vergl. Grafik unten). Auf den Abschluss eines ggf. langwierigen bauordnungsrechtlichen Einführungsprozesses muss nicht mehr gewartet werden.
Achtung: Bruchrisiko aufgrund Klimaeinwirkungen bleibt
Was dabei aber nicht übersehen werden darf, ist die Warnung, die in der Anmerkung zu Abschnitt 6.1.4 des neuen Normteils 2 steht und die von der aBG keineswegs außer Kraft gesetzt wird.
Warnung: Unterschreitet die Länge der kürzeren Kante den Wert von 500 mm (2-fach-Isolierglas) und 700 mm (3-fach-Isolierglas), so erhöht sich jedoch bei Scheiben aus thermisch nicht vorgespanntem Floatglas das Bruchrisiko infolge von Klimaeinwirkungen.
Diese Warnung, die es fast gleichlautend bereits in den TRLV gab, ist nach wie vor richtig und wichtig. Denn die aBG und die neue Norm ermöglichen zwar bauordnungsrechtlich wieder den rechnerischen Nachweis kleiner MIG. Sie lassen aber das aus Klimaeinwirkungen resultierende und haftungsrechtlich relevante Bruchrisiko nicht automatisch zu Null werden.
Antragsteller der aBG war das ift Rosenheim. Die Nutzung der aBG ist frei.
Weitere Infos zum Thema
Z-70.3-267: Linienförmig gelagerte Verglasungen aus Mehrscheiben-Isolierglas. aBG Neubescheid vom 13.09.2021 Download
BF-Information 017/2021: Die neue DIN 18008 – Kleinformatige Mehrscheiben-Isoliergläser mit geringer Schadensfolge. Download
Warum dauert es so lange, bis eine neue Norm gilt?
In der Regel vergeht einige Zeit, bis eine neue Norm von den Bauministerien der Länder als Technische Baubestimmung (TB) eingeführt ist. Grund dafür sind langwierige Prüf- und Verwaltungsabläufe, in die neben den Bauministerien auch die EU-Kommission und das DIBt involviert sind.
Bis eine neue Norm dann schließlich bauordnungsrechtlich verbindlich anzuwenden ist, können durchaus mehrere Jahre vergehen, wie z.B. DIN 18008-6 zeigt. Dieser Normenteil ist vier Jahre nach seiner Veröffentlichung in einigen Bundesländern noch immer keine Technische Baubestimmung. Bei den neuen Teilen 1 und 2 der DIN 18008 ist dies nun anders, wie eingangs erläutert. Denn seit September liegt die allgemeine Bauartgenehmigung (aBG) Z-70.3-267 vor.
Dipl.-Ing.Martin Reick ist seit 2007 als Anwendungstechniker bei der Flachglas MarkenKreis GmbH tätig. Er betreut die Bereiche Sicherheitsglas und konstruktive Glasanwendungen und führt dazu im Rahmen der GlasAkademie Schulungen durch.
Daneben ist er Mitglied diverser Arbeitskreise des Bundesverbands Flachglas sowie Autor von Fachveröffentlichungen zu aktuellen Glasthemen.