Glasgeländer bieten im Innen- wie im Außenraum effektiven Schutz etwa bei Balkonen, Brüstungen oder bei Treppen. Das Sicherheitsdenken bei der Verwendung von Glas hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich gewandelt. Typische Glasarten waren in den 50er-Jahren Drahtgläser oder Drahtornamentgläser, eingesetzt in filigrane Stahlkonstruktionen. Dies hat sich heute grundlegend geändert.
Gläser mit Drahteinlagen können keine Schutzwirkung gegen stürzende Menschen bieten – im Gegenteil, sie werden aufgrund von Unfällen mit schwerwiegenden Verletzungen nicht mehr als Sicherheitsgläser eingestuft.
Hierzu sei auf die Ausführungen zum Drahtglas in der Schrift GUV-SI 8027 der gesetzlichen Unfallversicherung hingewiesen: Drahtglas bietet keine ausreichende Verkehrssicherheit. Es ist nicht ballwurfsicher nach DIN 18 032 Teil 3. Des Weiteren kann das unterschiedliche Wärmedehnverhalten von Glas und Drahtnetz und Korrosion an den abgeschnittenen Drähten zur Schwächung der Glasstabilität beitragen und zu vorzeitigem Glasbruch führen.
ESG als Absturzsicherung
Aus diesen Erfahrungen ging der Trend dahin, Einscheiben-Sicherheitsgläser als Absturzsicherung zu verwenden. Der Wunsch von Bauherren und Planern, die Transparenz von Glas deutlich hervorzuheben, führte zu filigranen Befestigungen mit Klemmhaltern oder einseitigen Einspannungen am Fußpunkt. Das lässt sich mit ESG relativ einfach umsetzen. ESG-Produkte sind besonders geeignet, hohe Klemmkräfte aufzunehmen. Auch zum Einsatz von ESG als absturzsicherndes Produkt ist eine Diskussion entfacht, und zwar dahingehend, ob seine Verwendung als Absturzsicherung in jedem Fall richtig ist.
Das wird besonders deutlich seit der Einführung der Technischen Regel für Absturzsichernde Verglasungen (TRAV) im Jahr 2003. Die dort beschriebenen Glasanwendungen, punktförmig befestigt oder am Fußpunkt eingespannt, sind nur mit Verbund-Sicherheitsglas aus ESG oder VSG möglich. Deshalb geht man heute davon aus, dass man im Anwendungsbereich Absturzsicherung mit Einfachverglasungen nur noch VSG verwenden sollte.
Die TRAV ist eine hervorragende Hilfe für den Planer oder den ausführenden Handwerker, erfüllt aber häufig nicht die Ansprüche von Bauherrn oder Planern. Denn die dort beispielhaft aufgeführten Konstruktionen sind oft klobig, d.h. wenig filigran. Schon die Darstellung der Glasanwendungen lässt erwarten, dass sich der Planer, der eine schlanke und filigrane Konstruktion wünscht, dort nicht wiederfindet.
Eine ähnliche Situation entsteht, wenn nach TRAV eine Absturzsicherung mit punktueller Befestigung hergestellt werden soll. Die TRAV beschreibt neben den Glasarten die Anforderungen an den Glashalter. Beispielsweise muss für eine Stützweite> 1200 mm der Tellerdurchmesser mindestens 70mm betragen. Mit diesen Anforderungen an die Befestigung von Glasscheiben trifft man kaum die Vorstellungen der Planer.
Filigrane Systeme sind möglich
Auf die Wünsche von Seiten der Planer haben die System-Anbieter mit filigranen typengeprüften Konstruktionen reagiert. Bei der Produktentwicklung stand dabei nicht nur die Ästhetik im Visier der Hersteller, sondern auch die Transparenz der Kosten, die der Planer mit einem typengeprüften Ganzglas-Geländer-System sofort im Blick hat. Und der ausführende Glasverarbeiter bekommt eine komplette Systemlösung durch den Lieferanten, von der Planung über die Beschaffung bis zur Beratung bei der Ausführung.
Dazu kommt die Vielfalt der Befestigungsmöglichkeiten am Baukörper und die variable Gestaltung von Geländern. So steht heute eine Reihe an Haltern zur Befestigung von oben oder stirnseitig zur Verfügung und das in vielen Varianten. Systeme mit der Befestigung nur am Fußpunkt zeichnen sich besonders durch eine einfache und schnelle Montage aus. In den vormontierten Halter wird nur noch die Glasscheibe von oben eingesteckt und mit Keilen befestigt, fertig.
Die genannten typengeprüften Systeme verfügen i.d.R. über ein Allgemeines Bauaufsichtliches Prüfzeugnis, damit den Verarbeiter auch bei der Abnahme keine Überraschungen erwarten.
Im Wesentlichen zeichnen sich typengeprüfte Haltersysteme durch folgende Merkmale aus: Ihre Montage ist schnell und einfach, bei flexiblen Ausgleichsmöglichkeiten. Der Glasplattenaustausch findet von oben, ohne die Demontage der Tragekonstruktion, statt. Zudem sind keine Bohrungen in der Glasscheibe und keine Verguss-Masse zur Befestigung erforderlich.
Systeme mit Punkthalter
Diese Art der Konstruktion besteht im Wesentlichen aus Pfosten, Glasscheiben und Befestigungselementen. Greift man als Verarbeiter auf eigene Systeme zurück, ist dafür ein Verwendbarkeitsnachweis erforderlich. Bei einer Ausführung nach TRAV sind zudem Nachweise der Tragfähigkeit unter statischen und stoßartigen Einwirkungen erforderlich. Für TVG ist zudem eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung erforderlich. Auch für die Klemmteller muss der Nachweis über eine statische Last von mindestens 2,8 kN erbracht werden.
Auch zu Punkthaltersystemen findet man heute Komplettlösungen, wobei der einfache Weg auch hier ist, ein geprüftes System zu verwenden. Dabei findet man statt klobiger Halter, wie in der TRAV beschrieben, elegante Befestigungen mit nur 35 mm Durchmesser am Markt mit Stützweite der Pfosten von bis zu 1600 mm. Die passenden Pfosten gibt es als Varianten, z.B. als Twin-Doppelpfosten aus zwei Edelstahl-Flachprofilen 45 mm x 10 mm. Den passenden Handlauf gibt es in Edelstahl oder Holz.
Für den Verarbeiter ist beim Einsatz zertifizierter Systeme von Vorteil, dass sie i.d.R. alle notwendigen Bauteile beinhalten, um z.B. auch ein Treppenauge auszuführen oder die Glashalter der Treppenneigung anzupassen.
Dem Planer oder ausführenden Glasverarbeiter von Geländersystemen kann nur empfohlen werden, vorrangig zu prüfen, ob sich die gewünschte Ausführungsart eines Glasgeländers mit einem geprüften System realisieren lässt. Denn damit hat er einen Überblick über die Kosten sowie die aufzuwendende Arbeit.—
Der Autor
Giso Hanck ist als anwendungstechnischer Berater bei der Flachglas MarkenKreis GmbH tätig. Neben Veröffentlichungen zum fachgerechten Glaseinsatz hinsichtlich gesetzlicher Bestimmungen und Regelwerke führt er u.a. technische Schulungen durch. Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt ist die Beratung, insbesondere bei Fragen zu ESG und VSG.