Fenster und Isoliergläser bilden nicht nur eine klimatische Barriere zwischen Innen- und Außenraum, sie müssen auch in Sachen Wärmedämmung, Raumklima, Optik und Komfort viel leisten. Bei dem eingesetzten Mehrscheibenisolierglas (MIG) handelt es sich gemäß DIN EN 1279-1 um ein „hermetisch abgeschlossenes System“. Dieses dient dazu, die Luftfeuchtigkeit im Scheibenzwischenraum (SZR) so gering wie möglich zu halten und die Entstehung von Tauwasser sowie die Oxidation der Low-E Beschichtung während der Lebensdauer auszuschließen.
In diesem geschlossenen System bleibt der bei der Fertigung eingeschlossene Luftdruck erhalten. Die Scheiben sind immer dann planparallel, wenn der äußere Luftdruck und die Lufttemperatur im SZR gegeben sind, die zum Zeitpunkt der Herstellung geherrscht haben.
Ändern sich nun der äußere Luftdruck (durch barometrische Veränderungen oder die Höhenlage zwischen Herstell- und Einbauort) oder die Temperatur, so reagiert das System MIG. Je nach Biegesteifigkeit der Glastafeln wird eine Verformung stattfinden (Ein- oder Ausbauchung) und ein Druck auf Glas und Randverbund aufgebaut, denn die Physik – hier in Form der Gasgleichung (p x V)/T = konstant – lässt sich nicht überlisten. Je größer das eingeschlossene Volumen, desto heftiger sind die Auswirkungen.
Dieser Druckunterschied führt so zu Belastungen der Glasscheibe sowie des Randverbundes. Ebenso kann das Einbauchen der Scheiben dazu führen, dass im SZR eingebrachte bewegliche Systeme, wie z. B. Sonnenschutzsysteme, eingeklemmt und beschädigt werden. Diese physikalischen Gegebenheiten sind jedem der mit Isolierglas zu tun hat seit langem bekannt.
Durch den vermehrten Einsatz von 3-fach-Glas mit immer größeren SZR verschärft sich die Diskussion zusehends. Aus diesem Grund wurde das für Doppelverglasungen bekannte Berechnungsmodell auf 3-fach-Glas übertragen. Diese Ergebnisse lassen sich in Form von Anwendungsdiagrammen darstellen. Damit können Isolierglashersteller, Planer und Fensterbauer für bestimmte Aufbauten ablesen, welche Formate noch sinnvoll eingesetzt werden können. Neben den Belastungen der Glasscheiben sind auch die zunehmenden Belastungen des Randverbundes zu beachten, im Speziellen bei kleinformatigen Scheiben.
Forschungsprojekt zum Druckausgleich bei MIG
Bei größeren Glasabmessungen, die als biegeweich eingestuft werden können, machen sich die Klimalasten besonders stark als Verformung bemerkbar. Es werden zwar regeltechnisch keine Grenzen gesetzt, aber die resultierende optische Verzerrung wird häufig nicht akzeptiert und landet als Reklamation beim Glashersteller. Deshalb sollen Lösungen für einen Druckausgleich im MIG im Rahmen eines Forschungsprojekts entwickelt und auf ihre Gebrauchstauglichkeit untersucht werden. Das Forschungsvorhaben wird mit Mitteln der Forschungsinitiative Zukunft Bau des Bundesinstitutes für Bau-, Stadt- und Raumforschung gefördert und durch die Sanco Isolierglasgruppe unterstützt. Durch die Möglichkeit, einen oder alle SZR eines Isolierglases an den äußeren Luftdruck „anzuschließen“, wären die Beschränkungen hinsichtlich des maximal möglichen SZR aufgehoben und es lassen sich folgende Vorteile nutzen:
- Verbesserung der Luftschalldämmung
- leichtere und vielfältigere Integration von Bauteilen in den SZR (z. B. Sonnenschutz)
- Reduzierung der Glasdicken, da keine Klimalasten mehr entstehen
- einfachere Realisierung von Isolierglas mit mehr als drei Scheiben
- größere Bautiefen und reduzierte geometrischen Wärmebrücke am Baukörperanschluss.
Durch ein Isolierglas mit vier Scheiben bei Scheibenzwischenräumen von je 24 mm könnte sich beispielsweise ein Wärmedurchgangkoeffizient von Ug = 0,40 W/(m2K) realisieren lassen. Ein Isolierglasaufbau bestehend aus 2 x 5 mm Scheiben mit einem SZR von 110 mm hätte eine Luftschalldämmung von ca. 40 dB. Ein Standardglas mit einem SZR von 16 mm hingegen nur rund 31 dB. Solche Systeme könnten mit dem konventionellen hermetischen Aufbau nicht hergestellt werden, da bei diesen großen SZR die Klimalasten zu groß sind.
Verbindung von SZR mit dem Außenraum
Bei druckentspanntem Isolierglas müssen die SZR mit dem Außenklima bzw. dem äußeren Luftdruck „verbunden“ werden. Diese Verbindung müsste jedoch so ausgeführt sein, dass eine Anreicherung von Wasserdampf im SZR im Rahmen der Lebensdauer vermieden wird, um eine Oxidation von Low-E Beschichtungen bzw. eine Tauwasserbildung im Inneren zu verhindern. Um dies zu erreichen sind folgende Konstruktionsprinzipien möglich:
- Druckausgleich über ein Kapillarrohr
- Druckausgleich über ein Ventil/Filter
- Druckausgleich über eine Membrane
Im Rahmen des Forschungsprojektes soll daher untersucht werden, welche Techniken in der Lage sind, den Zwischenraum im Rahmen der Lebensdauer frei von Kondensat zu halten und wie diese in die Konstruktion integriert werden können. Das Eindringen von Schmutz (z.B. Staub, Insekten etc.) müsse ebenfalls verhindert werden.
So wäre es denkbar, das Kapillarrohr in den Abstandhalter des Isolierglases zu integrieren. Unter Umständen könnte es notwendig sein, eine Wartung zu ermöglichen, bei der das verbrauchte Trocknungsmittel ausgetauscht wird. Die zu untersuchenden Fragestellungen sollen im Wesentlichen mit experimentellen Untersuchungen beantwortet werden. An repräsentativen Probekörpern werden experimentelle Untersuchungen sowohl im Labor als auch vor Ort im eingebauten Zustand durchgeführt. —
ift Rosenheim auf der glasstec
Während der glasstec geben die Glasexperten des ift Rosenheim in Halle 11 Stand A 72-3 den Besuchern Auskünfte rund um Glas. Im Fokus liegen Informationen zu allen notwendigen Prüfungen, von A wie Absturzsicherung bis Z wie Zugfestigkeit. Zudem stehen die ift-Mitarbeiter für Fragen der Qualitätssicherung, CE-Zeichen und Nachweisen für bauaufsichtliche Zulassungen und Zertifizierungen in Europa zur Verfügung, z.B. für CEKAL in Frankreich.
Halle 11, Stand A 72-3
Die Autoren
Karin Lieb, Geschäftsbereichsleiterin für Glas und Baustoffe, Norbert Sack Forschungs- und Entwicklungsleiter und Irina Hausstetter, Produktingenieurin Glas, arbeiten am ift Rosenheim.