„Unser Glaskongress 2011 war ein voller Erfolg, das haben uns die 160 Teilnehmer bescheinigt“, so BF-Präsident Thomas Dreisbusch gegenüber der GLASWELT.
Dieser Erfolg lag sicher auch darin, dass die Veranstalter neben den interessanten Vorträgen auch viel Platz für den persönlichen Austausch einräumten. Und dieser wurde von den Besuchern sehr intensiv genutzt.
Bei den Vorträgen ging es zunächst um die Frage, wo künftig die Musik im Hochbau spielt. Im Auftaktvortrag zeigte Prof. Dr. Martin Gornig den Teilnehmern auf, welche Märkte sich attraktiv entwickeln werden und in welchen Bereichen dagegen mit Rückgängen zu rechnen sei: „Die energetische Modernisierung ist ein konstanter Wachstumsmarkt und stellt eine große Chance für die Glasbranche dar, dort spielt die Musik.“
Für das laufende Jahr erwartet der stellvertretende Leiter der Abteilung Innovation, Industrie und Dienstleistung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin im öffentlichen Bau einen moderaten Rückgang von rund 1,6 Prozent. Im Wirtschaftsbau rechne er mit einem Plus von 0,4 Prozent und der Wohnungsbau entwickele sich mit 1,1 Prozent stabil weiter. Gorning stellte fest, dass der private Wohnbausektor auch in der Krise einen stabilisierenden Faktor darstelle. Dies belegten die Daten des statistischen Bundesamtes. Was das gesamte Bauvolumen (in Deutschland) für das laufende Jahr 2011 angeht, rechne er mit einem Plus von insgesamt 0,5 Prozent.
Sanierungsmarkt = Zukunftsmarkt
Doch die Branche solle sich von dem Gedanken verabschieden, in Kürze wieder massiv steigende Neubauvolumina zu erwarten. Im Trend liegen Sanierung und Bestandsmaßnahmen.
Dabei werde heute zwar viel in die Instandsetzung investiert, dennoch würden laut Gorning im Wohnbau bei den größeren Sanierungsmaßnahmen nur 36 Prozent in energetische Sanierungsmaßnahmen fließen. Dem stehen die 56 Prozent gegenüber, die in die nicht-energetische Sanierung investiert werden. Den Rest machten kleinere Maßnahmen aus (8 Prozent).
Im Wirtschaftsbau liege das energetische Sanierungsniveau heute mit rund 35 Prozent ähnlich hoch, allerdings gingen dort 62 Prozent in die nicht-energetische Sanierung. Die kleineren Maßnahmen machen drei Prozent aus. Das Fazit seines Vortrags: „Der Trend hin zu energetischen Modernisierungsmaßnahmen im Wohn- und Nichtwohnbaubereich ist noch nicht hoch genug. Aus meiner Sicht bleibt keine Alternative zu einem großen Energiesparprogramm (der Regierung), insbesondere mit dem verstärkten Fokus auf Renovierungsmaßnahmen.“
Auch bei den folgenden Vorträgen stand die energetische Gebäudesanierung im Blickpunkt.
Als weiteres stand das Thema „Energiekonzept der Bundesregierung – wie geht es weiter?“ auf dem Programm. Dabei unterstrich Dr. Frank Heidrich vom Bundesbauministerium, dass die energetische Modernisierung auch ganz oben auf der politischen Agenda der Regierung stehe. Sein Ministerium kämpfe derzeit mit Nachdruck um die Finanzierung von weiteren notwendigen Maßnahmen und Programmen.
Ulrich Sieberath, der Leiter des ift Rosenheim, referierte über den „Megatrend Green Building – Chancen für grüne Fenster und Gläser“. Dabei hob er hervor, dass die derzeit geführten U-Wert-Diskussionen nicht übertrieben werden dürften, denn die Betrachtung des U-Werts alleine reiche nicht: „Die solaren Energiegewinne müssen künftig deutlich stärker berücksichtigt werden. Deshalb muss beides, der U-Wert und der g-Wert von Gläsern und Bauteilen, berücksichtigt werden. Diese müssen zusammenpassen.“
Mit Blick auf die künftige Verschärfung der EnEV stellte Sieberath fest: „Die dünnen Fensterkonstruktionen sind jetzt am Ende, den tiefen Konstruktionen gehört die Zukunft. Darüber hinaus kommt man als Fensterbauer am 3-fach-ISO nicht vorbei.
Multifunktionale Fassaden werden immer wichtiger
Sieberath sprach sich in seinem Vortrag weiter für multifunktionale Bauteile und Bauelemente aus: „Unsere Produkte sollten heute über mehr als nur eine einzige Nutzungsmöglichkeit verfügen.“ Als Beispiel nannte er die Solarfassade und ihre Möglichkeiten: Mit solchen Systemen lasse sich neben Wärmedämmung und Sonnenschutzfunktion auch Energie gewinnen.
Und Sieberath ging in Sachen Energieeffizienz noch einen Schritt weiter: „Die Hersteller und Verarbeiter sollten nicht mehr alleine nur die Energieeffizienz der Bauprodukte in den Fokus ihrer Bemühungen stellen. Heute spielt darüber hinaus die energieeffiziente Fertigung dieser Produkte eine immer wichtigere Rolle. Hier schlummern noch sehr viele (finanzielle) Einsparpotenziale, die es zu nutzen gilt“
Ohne effiziente Gläser geht es nicht
Spannend war am zweiten Kongresstag der Beitrag „Erderwärmung – Ökologie – Ökonomie: Der Klimawandel aus der Sicht des Rückversicherers“ von Ernst Rauch, dem Leiter des Klimacenters der Münchner Rückversicherung. Sein beeindruckendes Rechenbeispiel faszinierte die Zuhörer: Eine Solaranlage in der Wüste, die eine Fläche von 900 km2 umfasse, reiche (theoretisch und) rechnerisch aus, um den heutigen Strombedarf der ganzen Welt abzudecken.
Mit Blick auf die aktuelle Diskussion um den Umbau der Energieerzeugung meinte Rauch: „Der Umbau der Energieversorgung auf erneuerbare Energien alleine reicht aber nicht aus. Gerade Maßnahmen wie Dämmung und verbesserte Scheiben und Fenster zur Minimierung der Energieverluste von Gebäuden müssen künftig einen großen Beitrag leisten.“ In Deutschland sei man in diesem Bereich führend: „Kompliment an die Branche“ so der Klimaspezialist der Münchner Rück, „Sie leisten mit Ihren ‚guten Scheiben’ einen wichtigen Beitrag zur Energieeffizienz von Gebäuden.“
Hierzu ergänzte Bernd Kramer von Interpane, dass der Marktanteil von 3-fach-ISO aktuell bei 40 Prozent und mehr liege, und das obwohl die Leistungsmerkmale dieser Gläser besser sind als in der EnEV gefordert. Kramer: „Das zeigt, dass wir als Glasbranche unsere Hausaufgaben gemacht haben“.
„Die hohe Besucherzahl und der rege Zuspruch von Seiten der Teilnehmer sind ein Beleg dafür, dass die Mischung aus Informations- und Kontaktbörse stimmig war“, meinte rückblickend BF-Hauptgeschäftsführer Jochen Grönegräs gegenüber der GLASWELT. —
Matthias Rehberger