Befand sich die Fensterindustrie vor der Pandemie bereits in einem sich beschleunigten Konsolidierungsprozess, sind jetzt zu Beginn der Post-Pandemie-Phase eine noch höhere Komplexität der Wertschöpfungskette einerseits und steigende Zulieferprodukt-Preise hinzugekommen. Experten diskutierten diese Gemengelage auf dem 2. Wiener Fensterkongress, der Ende Juni vor rund 45 anwesenden und ca. 20 virtuell zugeschalteten Teilnehmer erfolgreich durchgeführt wurde.
„Wer die Digitalisierung nicht schafft, überlebt langfristig nicht“ - darüber waren sich die Experten der Branche am Fensterkongress einig. Auf der Fachkonferenz von Interconnection drehte sich alles um die aktuellen Trends in der Fensterbranche.
Den ersten Tag dominierten Themen rund um Märkte und Strategien: Johann Brandstetter gab spannende Einblicke zu den Vertriebsstrategien vom Markenprimus Internorm. Es komme dem Unternehmen darauf an, mit ausgewählten Handelspartnern langfristige Partnerschaften in definierten Vertriebsgebieten Europas einzugehen. Auch die Digitalisierung habe man bei Internorm immer im Blick, referierte Brandstetter. So würden beispielsweise die Vertriebspartner gleich digital vernetzt werden mit dem Fensterhersteller. Bestellungen erfolgen zu 100 % online, der Fachpartner erhält nach Bestelleingang eine konkrete stundengenaue Terminaviso. „Wir sind absolut zuverlässig und berechenbar bis zur Baustellenanlieferung.“ Von Brandstetter wurde betont, dass der Stellenwert der Montage gehoben werden müsse. Er forderte qualifiziertere Arbeiter und damit einhergehend ein größeres Verständnis für steigende Preise.
Die großen Unternehmen werden größer
Darauf folgte eine Zukunftsvision zur Industrie im Jahre 2030, die viel Dynamik im Sektor erwartet: „Die großen Player werden immer größer werden“, so Christoph Blepp von S&B Strategy. „Der durch Preis und Komplexität getriebene Konsolidierungsdruck im Fenstermarkt wird zu wenigen großen europäischen Playern führen, die den Markt dominieren.“ Gleichzeitig warnte er: „Der Kuchen wird nicht größer, durch Covid-19 und die EU-Investprogramme verändert sich die Ausgangslage in der Fensterindustrie zugunsten hochwertiger PVC-Spieler.“ Aus Kundensicht werden die Themen CO2-Effizenz, Funktionalität und Design sowie Service Support hinsichtlich Tools, Software und Beratung an Bedeutung gewinnen, so seine Vision.
Auch die Beziehung zum Kunden stand im Fokus seines Vortrages. „Man muss verstehen, was der Kunde braucht, nicht was er will – das weiß er oftmals selber nicht“, so Blepp.
Veranstalter Dr. Frederik Lehner ließ es sich nicht nehmen, die unterschiedlichen Prinzipien der Krisenbewältigung der EU, der USA und Chinas aufzuzeigen. „Europa kommt mitunter am schlechtesten durch die Wirtschaftskrise“, so sein Fazit. Auch warnte er, dass die Inflation wieder ein Thema werden könnte – mit all seinen Auswirkungen auf die Bauwirtschaft. Mit Blick auf den Fenstermarkt steht für Lehner der Europameister – oder sogar Weltmeister fest: Schließlich werden nirgendwo sonst in der Welt so viele Fenster pro Einwohner verkauft wie in Österreich. Und interessant auch bei Betrachtung der DACH-Region die klare Aufteilung: In Deutschland beherrscht nach wie vor das untere Preissegment den Markt (45 % Volumenanteil von Budget-Fenster unter 200 Euro). In Österreich herrsche ein starker Mediummarkt (56 % Anteil an Medium-Fenster zwischen 200 und 400 Euro). Premiumfenster würden vor allem in der Schweiz abgesetzt (über 50 % Anteil an Fenster jenseits der 400 Euro). Die Trends, die er für die DACH-Region ausgemacht hat:
Kombinationen gewinnen weiter an Bedeutung (Holz/Alu & PVC/Alu steigern MA-Anteil), Kombinationen eröffnen die Abkehr vom reinen Materialdenken
Sein Resümee fällt folgendermaßen aus:
Im Anschluss an die ersten Vorträge konnte eine Podiumsdiskussion, die von GLASWELT-Chefredakteur Daniel Mund moderiert wurde, die vorgetragenen Informationen vertieft werden. Alle Podiumsteilnehmer (Christoph Blepp, Johann Brandstetter und Dr. Frederik Lehner) konnten ihre Meinungen zu Erfolgsfaktoren für die Branche darlegen.
Anschließend verschob sich der Fokus hin zur Digitalisierung: Federico Caiumi von Voilap inspirierte mit Ideen zum Retail 4.0, er betonte jedoch, ebenso wie Jens Eberhard von Oknoplast, die Relevanz von lokalen Händlern, für einen idealen Kundenkontakt.
Den zweiten Tag eröffnete Patrick Seitz (aluplast) mit seiner Prognose zu den „Grünen Aussichten“ der Branche. Nachhaltigkeit erfordere ihm folgend eine Reduktion an Komplexität (Materialien, etc.), was in einem umfassenderen Blick auch Handel und Handwerk entlaste. Die zweite Podiumsdiskussion zu den Auswirkungen der Digitalisierung machte das Programm komplett.
Die Preisträger der WFK.Awards
Die WFK.Awards gingen heuer an Beck+Heun, die mit Windowment in puncto Innovation als Spitzenreiter ausgezeichnet wurden.
Im Hinblick auf die Nachhaltigkeit konnten sich profine mit ihren ReFrame Fenstern aus zu 100% recyceltem Kunststoff beweisen.
Fensterblick hob sich mit seiner ideal an die Costumer Journey angepasste Website hervor und gewann damit den Award in der Kategorie Bester Webauftritt.