Die Deutschen kommen zunehmend in die Jahre: Bis 2050 wird der Anteil der über 60-Jährigen von derzeit 20 Prozent auf rund 37 Prozent anwachsen und sich damit fast verdoppeln. Zusätzlich beschleunigt wird der Alterungsprozess in der Bevölkerung durch weiterhin sinkende Geburtenzahlen – eine Entwicklung, die auch durch die Zuwanderung junger Menschen aus dem Ausland nicht aufzuhalten sein wird.
Man muss also kein Prophet sein, um parallel zu dieser Entwicklung einen steigenden Pflegebedarf und wachsende Anforderungen an die Architektur von Gebäuden vorherzusehen. Schätzungen zufolge wird sich in den kommenden Jahrzehnten nicht nur der Anteil älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung verdoppeln, sondern auch die Zahl der Pflegebedürftigen. Dem gegenüber steht die sinkende Bereitschaft bzw. Möglichkeit, Angehörige zu Hause zu betreuen. Die Gründe hierfür lassen sich ebenfalls mit einem Blick auf die demographische Entwicklung erklären: Es wird in Zukunft deutlich weniger Frauen mittleren Alters geben – sie übernehmen derzeit in der Regel die Pflege kranker oder behinderter Angehöriger – und stattdessen mehr Menschen in Single-Haushalten.
Unabhängiges Wohnen im Alter
Daraus jedoch schlussfolgern zu wollen, dass das Pflegeheim die gängige Wohnform von morgen sein wird, wäre gefehlt. Zwar sind die bauseitigen Voraussetzungen in einer Vielzahl an Objekten noch nicht gegeben, doch das Bedürfnis der Generation 50plus, möglichst lange – und unabhängig von den jeweiligen Umständen – eigenständig zu leben, steigt. Selbstständigkeit, Komfort und Qualität sind gefragt, und das am liebsten in den eigenen vier Wänden. Den Umzug in ein Altenwohnheim empfindet nur eine Minderheit als attraktiv.
Ein Blick auf die Statistik zeigt: Am liebsten bleiben ältere Menschen in der bereits vorhandenen Wohnung, bauen diese bei Bedarf altengerecht um oder bemühen sich um eine Wohnung, die ihren veränderten Ansprüchen gerecht wird. Das schließt unter Umständen auch die Anbindung an ausgewählte Dienstleistungen ein, die die Fortführung eines selbstständigen, unabhängigen Lebens erleichtern.
Planungssicherheit durch Normen
Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung wurde Teil 2 der DIN 18025, die die baulichen Anforderungen an das barrierefreie Wohnen für behinderte und ältere Menschen beschreibt, ausdrücklich für den normalen Wohnungsbau entwickelt. Ziel ist es, Wohnungen zu schaffen, die für Menschen in den unterschiedlichsten Lebenslagen gleichermaßen nutzbar sind: Groß und Klein, Jung und Alt, Menschen mit und ohne Handicaps.
Die zunehmende Verfügbarkeit von barrierefreien Bodenschwellen, altersgerechten Sanitär- und Küchenlösungen oder motorischen Fenstern unterstreicht, dass auch herstellerseitig umgedacht wird.
Zu den weiteren in diesem Kontext relevanten Normen zählt auch die DIN 18040, die bauliche Anlagen barrierefrei und damit für Menschen mit Behinderungen nutzbar machen will – und zwar erschwernisfrei und ohne fremde Hilfe. Dabei nimmt die Norm insbesondere die Bedürfnisse von seh- oder hörbehinderten Menschen sowie von Menschen mit motorischen Einschränkungen in den Fokus. Während sich der 2010 verabschiedete Teil 1 mit Barrierefreiheit für öffentlich zugängliche Gebäude befasst, regelt der derzeit als Entwurf vorliegende Teil 2 die Barrierefreiheit von Wohnungen. Die Norm wird voraussichtlich im Spätsommer verabschiedet, ihre Einführung obliegt den Bundesländern.
Eine weitere wichtige Planungsgrundlage ist die DIN SPEC 1104, die sich mit Türbeschlägen in privaten und öffentlichen Gebäuden beschäftigt. Ziel ist es, vor allem älteren und behinderten Personen sowie Kindern einen mühelosen Zugang zu Gebäuden zu ermöglichen. Im Gegensatz zu DIN-Normen hat diese technische Spezifikation zwar lediglich empfehlenden Charakter, ihre Berücksichtigung ist bei der Planung jedoch sinnvoll.
In der Herausforderung liegt die Chance
Der steigende Altersschnitt der Gesellschaft stellt Städteplaner und Wohnungsbauer vor neue Herausforderungen. Sie müssen Antworten auf die speziellen Bedürfnisse der Generation 50plus finden. Doch in eben dieser Herausforderung liegt eine große Chance: Barrierefreies Bauen und Wohnen wird in den kommenden Jahren zu den stärksten Wachstumsmärkten gehören.
Architekten, Planer und Herstellerbetriebe haben deshalb enorme Möglichkeiten, sich mit entsprechendem Fachwissen und einer bedarfsorientierten Zielgruppenansprache zu positionieren. Immerhin verbringt der Mensch rund 80 Prozent seiner Zeit im Alter zu Hause, außerdem ist die Investitionsbereitschaft der Betroffenen vergleichsweise hoch. Gut beraten ist dabei, wer als Besitzer einer Immobilie möglichst frühzeitig plant – das hilft unnötige Kosten vermeiden. —
Wichtige Internet-LInks zum Thema
barrierefrei.de: Portal für barrierefreies Bauen und Leben
barrierefrei.nrw.de: Info-Portal des NRW-Bauministeriums zum barrierefreien Wohnen
gerontotechnik.de: Informationsplattform der GGT Deutsche Gesellschaft für Gerontotechnik mbH
komfort-und-qualitaet.de: Herstellerkatalolg der von der GGT empfohlenen Produkte
kom-fort.de: Beratung für barrierefreies Bauen und Wohnen
nullbarriere.de: Hinweise zu barrierefreiem Bauen, DIN-Normen
online-wohn-beratung.de: Onlineberatungs-Portal zu Umbau, Neubau und Hilfsmitteln
wia-handwerk.de: Internetportal für barrierefreies Bauen und Wohnen
Barrierefreie Konzepte flexibel realisiert
Mit einem breit gefächerten Produktportfolio unterstützt die Siegenia-Aubi Gruppe die flexible Realisierung von Konzepten für barrierefreies Bauen. So bietet das Unternehmen barrierefreie Bodenschwellen für Fenstertüren in allen Rahmenmaterialien und Öffnungsweiten und unterstreicht auch mit Lösungen für Großflächenelemente seine starke Position auf dem Markt: Mit ihrer sehr geringen Aufbauhöhe erfüllt die Bodenschwelle für Falt-Schiebe-Elemente die Kriterien der DIN 18025 und befriedigt somit höchste Ansprüche an Bewegungsfreiheit. Weitere Lösungen stellt man für Hebe-Schiebe-Elemente zur Verfügung. Die Unternehmenstochter KFV konzentriert sich auf barrierefreie Außentüren. Beim Komfortverschluss z. B. ist der Zylinder oberhalb des Drückers angebracht. Dadurch können sich körperlich eingeschränkte Menschen beim Aufschließen auf dem Drücker abstützen, ohne den Blick auf den Zylinder zu verdecken. Mit Genius hingegen wird die Ver- und Entriegelung von Gebäudeeingangstüren ebenso komfortabel wie sicher. Die mechatronische Mehrfachverriegelung schiebt Einbrechern im wahrsten Sinne des Wortes einen Riegel vor und lässt sich bequem und intelligent per Fernbedienung oder io-homecontrol betätigen.
Auch die Gebäudetechnik des Unternehmens entspricht mit Produkten dem wachsenden Trend zu unabhängigem Leben im Alter; drei dieser Lösungen zeichnete die Deutsche Gesellschaft für Gerontotechnik (GGT) mit dem Prädikat „gut’“ aus. Während der motorische Fensterhebel MH10 ideal für schwer erreichbare Fenster ist, steuert das motorische Hebe-Schiebe-System MHS400 schwergewichtige Fensterflügel bis 400 kg schnell und leise und ist als einziges seiner Art für Fensterfronten mit zwei Flügeln erhältlich. Der Komfortbeschlag hingegen wird manuell über einen waagerecht am unteren Fensterflügel angebrachten Hebel gesteuert. So lassen sich Drehkippfenster auch im Sitzen bequem bedienen.
Der Autor
Johannes Trampert leitet seit 2004 die Stabsstelle Technik und Normierung der Siegenia-Aubi KG und führt seit 1999 den „Arbeitskreis Güteunterschuss (GUA) Drehkipp“ der Gütegemeinschaft Schlösser und Beschläge. Außerdem arbeitet er in diversen nationalen und europäischen Normierungs- und Spiegelausschüssen mit und ist in zahlreichen Arbeitskreisen und Forschungsprojekten tätig.