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Vademecum Holzfensterbau

Kleine Firmen fit für die EnEV-Zukunft machen

Die Institutsgesellschaft für Betriebs- und Arbeitstechnik des Tischlerhandwerks mbH hat gemeinsam mit der Berufsakademie Melle (Studiengang Holztechnik mit Schwerpunkt Fenster und Fassade) und der Holzfachschule Bad Wildungen (Abteilung Technologie Transfer) während der letzten zwei Jahre das „Vademecum Holzfensterbau“ entwickelt.

Die Holzfensterbranche steht mit der Umstellung auf die nächsten Novellen der Energieeinsparverordnung (EnEV) und mit immer höheren Anforderungen an den U-Wert des Fensters vor großen Herausforderungen.

Das iBAT hat kleine und mittlere Holzfensterproduzenten als besonders betroffene Zielgruppe identifiziert, weil sich hier angesichts geringer Umsätze vielfach keine hohen Investitionen in neue Werkzeuge oder Maschinen lohnen.

Das „Vademecum Holzfensterbau“ zeigt dem handwerklichen Holzfensterhersteller Wege auf, wie in Zukunft Fenster entsprechend den voraussichtlichen Verschärfungen der EnEV – das heißt mit einem U-Wert von unterhalb 1,0 W/m2K – in kleiner Stückzahl wirtschaftlich herzustellen sind.

In zwölf Kapiteln werden sowohl die Fertigung als auch die entscheidenden konstruktiven Details angesprochen:

  • Fenstersysteme
  • Rahmenmaterialien
  • Logistik und Beschlaghandel
  • Maschinen- und Fertigungskonzepte
  • Werkzeuge
  • Beschichtungen
  • Beschläge
  • Wetterschutzschienen
  • Dichtungsprofile
  • Glas und Verglasungen
  • Baustellenmontage
  • EDV und Betriebsorganisation

Einleitende Analysen zum Markt und zur Marketingstrategie sowie Hinweise zur Umsetzung runden das „Vademecum“ ab. Praxisanwendungen und Beispiele ergänzen jedes Kapitel, das aus Sicht des Anwenders immer wieder die einheitlichen vier Leitfragen beantwortet:

1. Welche erprobten marktüblichen Systeme stehen im Augenblick für die Zielgruppe zur Verfügung?

2. Wie werden bzw. wie können sie von der Zielgruppe angewendet oder verarbeitet werden?

3. Welche Schnittstellen, Wechselwirkungen und Abhängigkeiten bestehen?

4. Welche Auswahlkriterien sind zu berücksichtigen?

Entscheidende Unterstützung erfuhr das Projekt „Vademecum“ durch Industriepartner ­(Frerichs Glas GmbH, gb Meesenburg OHG, Geniatec GmbH, Hermann Gutmann Werke AG, Holz Schiller GmbH, Homag Group AG, Horst Klaes GmbH & Co. KG, Leitz GmbH & Co. KG, Remmers Baustofftechnik GmbH, Siegenia-Aubi KG, Trelleborg Sealing Profiles Germany GmbH)

Die Ergebnisse liegen jetzt in Form eines DIN A4-Ordners vor, der als betriebliche Arbeitsmappe mit eigenen Unterlagen, Ideen und Notizen ­ergänzt werden kann. —

https://www.ibat-hannover.de/startseite/

Im Gespräch mit Rainer Kemner

Rainer Kemner ist technischer Betriebsberater im Verband des Tischlerhandwerks Niedersachsen/Bremen und war federführend am Vademecum beteiligt.

GLASWELT – Herr Kemner, wie kamen Sie darauf, Ihre Anleitung „Vademecum“ zu nennen?

Rainer Kemner – Es gibt schon so viele Leitfäden, Ratgeber und Empfehlungen, sodass sich das iBAT mit der Bezeichnung abheben will und zum Nachfragen reizen möchte: Was ist denn ein Vademecum? Kaugummi? Mundwasser? Natürlich nicht! Auflösung bringt bspw. Wikipedia: „Vademecum ist eine Bezeichnung für einen Gegenstand, üblicherweise ein Buch, der als unentbehrlicher Begleiter bei der Berufsausübung, auf Reisen oder auch sonst in allen Lebenslagen mitgeführt werden soll. Gebildet durch Zusammenziehung der lateinischen Aufforderung ­vade mecum! („geh mit mir!“) ist der Begriff seit dem Ausgang des Mittelalters [...] als Gattungsbezeichnung und Titelwort für zunächst hauptsächlich theologische und liturgische, dann seit dem 16. Jahrhundert vor allem für medizinische Kompendien und Handbücher geläufig geworden und hat sich seither als ein gängiges Titelwort für Handbücher, Leitfäden und Ratgeberliteratur aller Art etabliert.“ Und damit trifft die Definition genau den Kern der Sache: Das „Vademecum Holzfensterbau“ will Wege aufzeigen, wie zukünftige klimapolitische und gesetzliche Anforderungen von der Branche erfüllt ­werden können.

GLASWELT – Ist es nicht so, dass kleine Unternehmen immer größere Schwierigkeiten haben, die gesetzlichen und normativen Vorgaben zu erfüllen und deshalb eher aufgeben werden, als Ihr Vademecum zu studieren?

Kemner – Genau darum hat das iBAT das „Vademecum“ entwickelt, weil wir ja genau das beobachtet haben, dass eben kleine Hersteller resignieren und aufgeben. Beim „Studieren“ werden wir mit individueller Betriebsberatung, Schulungen, Seminaren und Tagungen helfen. Die Lösungen, die wir im Vademecum aufzeigen propagieren dann eher einen „Make and Buy“-Ansatz als die fatalistische Entscheidung zwischen „Make or Buy“.

GLASWELT – Was war im Verlauf der Bearbeitung und Entwicklung des Vademecums für Sie eine besonders große Hürde?

Kemner – Eine besondere Hürde für alle beteiligten Autoren und die Studenten der Berufsakademie Melle waren in allen Bereichen die vielfältigen Angebote des Marktes für Materialien, Beschläge, Werkzeuge, Maschinen usw. Dafür musste eine Struktur entwickelt werden, die für den Anwender des Vademecums Übersicht schafft, um anschließend die notwendigen weiteren Schritte und Entscheidungen einzuleiten.

GLASWELT – Sie wollen Wege aufzeigen, Fenster unterhalb eines Uw von 1,0 W/m2K in kleiner Stückzahl wirtschaftlich herzustellen. Ist das nicht schon ein Widerspruch in sich?

Kemner – Keinesfalls, denn auch die sogenannte Industrie muss die Losgröße „1“ produzieren und arbeitet dann unter Umständen mit der gleichen Technologie wie der Handwerksbetrieb. Aber bei insgesamt geringerer Stückzahl kann natürlich ein kleiner Handwerksbetrieb nicht so hohe Investitionen für neue Maschinen und Werkzeuge vornehmen. Deshalb werden im Vademecum im Gegensatz zu den kapitalintensiven Lösungen auch Ansätze aufgezeigt, die mit geringem Kapitaleinsatz zu verwirklichen sind.

GLASWELT – Was muss der kleine Fensterbaubetrieb noch beachten, um erfolgreich am Markt bestehen zu können?

Kemner – Wir bereits gesagt, muss er „intelligente“ und „strategische“ Lösungen für die Bedürfnisse seiner Kunden finden. Der Verkauf und das Marketing spielen also eine zentrale Rolle und müssen zunächst definieren, welche Fenster mit welchen Eigenschaften vom Kunden gekauft werden – und nicht der Maschinen- oder Werkzeughersteller!

GLASWELT – Gibt es von Ihnen favorisierte Systeme in der Eckverbindung, im Beschlag, bei den Maschinen und Anlagen oder in anderen ­Bereichen?

Kemner – Klares „Nein“, denn das kann und muss jetzt jeder Fensterbauer mithilfe des Vademecums selber herausfinden.

GLASWELT – Was haben die beteiligten Unternehmen von Ihrer Projektpartnerschaft?

Kemner – Die beteiligten Projektpartner wollen ebenso wie das iBAT die gemeinsame Zielgruppe seriös beraten, denn kein Maschinenhersteller legt Wert darauf, auf der Nürnerbger Messe eine möglichst teure Maschine zu verkaufen, wenn absehbar ist, dass der Fensterbauer deshalb im nächsten Jahr die Insolvenz anmelden muss. Das heißt, auch den beteiligten Projektpartnern steht das Vademecum als Beratungsinstrument zur Verfügung und sie werden in die geplanten Schulungen und Seminare eingebunden.

GLASWELT – Beraten Sie die Unternehmen auch über die vorliegende Anleitung hinaus? Führen Sie Betriebsberatungen durch?

Kemner – Das ist natürlich eine der Kern­kompetenzen des iBATs und das Vademecum ist ja aus dem Beratungsalltag heraus entstanden. Neben dem iBAT führt aber auch der am Projekt ­wesentlich beteiligte Fachbereich Technologietransfer an der Holzfachschule Bad Wildungen in Person von Dittmar Siebert individuelle ­Betriebs­beratungen durch.

Die Fragen stellte der stv. Chefredakteur der GLASWELT, Daniel Mund.

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