Die Fensterindustrie befand sich bereits vor der Pandemie in einem Konsolidierungsprozess, der durch immer höhere Komplexität in der Wertschöpfungskette und steigenden Preisdruck angetrieben wurde. Covid-19 beschleunigt diesen Wandlungsprozess nun zusätzlich. Im nächsten Jahrzehnt wird sich die gesamte Wertschöpfungskette der Fensterindustrie massiv verändern:
Die konjunkturellen Auswirkungen von Covid-19 werden zusätzlich für einen Anstieg der Insolvenzen und der Konsolidierung in der europäischen Wettbewerbslandschaft führen. „Hersteller, die diese Komplexität in den Griff bekommen, werden den Wettbewerb in den kommenden Jahren dominieren. Alle anderen Spieler werden zwangsläufig weiter an Boden verlieren“, sagt Christoph Blepp, Partner bei S&B Strategy.
Marktseitige Aussichten grundsätzlich blendend
Das Ziel, einen klimaneutralen Gebäudebestand bis 2050 zu erreichen, ist nur über eine europäische, fokussierte Renovierungswelle zu erreichen; und selbst dann wird es sehr herausfordernd, dies zu erreichen. Dreh- und Angelpunkt sind dabei Fenster und Fassaden, welche bei einem Großteil des Gebäudebestandes heute noch nicht auf dem erforderlichen Stand hinsichtlich ihrer Klima-Effizienz sind. Darüber hinaus wird die Wohnungsknappheit in Deutschland auch die Nachfrage nach Fenstern in naher Zukunft nicht abreißen lassen.
Um diese Entwicklungen nutzen zu können, können sowohl organische als auch anorganische Hebel genutzt werden.
In erster Linie sollte die Komplexität aus einer Kundenperspektive heraus verringert werden. Nur, wer die Bedarfe einer klar abgegrenzten Kundengruppe kennt und das Geschäftsmodell auf diese ausrichtet, kann das Wertstiftende vom Überflüssigen trennen.
Fast immer scheitert es bereits an der klaren Identifikation der Kunden. Das erscheint auf den ersten Blick einfach, erfordert aber erstens eine sehr hohe Markt- und Kundentransparenz und zweitens ein klares Verständnis der Kundenbedarfe. „Unternehmen, die ihre Kunden wirklich klar identifiziert und deren wesentliche Bedarfe verstanden haben, können produkt- und serviceseitig das liefern, was diese wirklich brauchen“, so Christoph Blepp. „Erfolgreiche Unternehmen kennen die Bedarfe ihrer klar abgegrenzten Kundengruppen und haben ihre Fähigkeiten stringent diesen ausgerichtet. Dabei lassen sie auch Opportunitäten, die kurzfristig Umsatzbeitrag schaffen, mittelfristig jedoch zu einer Verwässerung des Geschäftsmodells und Steigerung der internen Komplexität führen, bewusst liegen.“
Ein zweites Wachstumselement bietet ein aktiver M&A-Ansatz, vor allem im Bereich der Fensterbauer. „Unternehmen, die ihre Positionierung klar formuliert haben und die Komplexität des Geschäftsmodells verringert haben, können dann über eine gezielte Suche, Akquisition und Integration von attraktiven Unternehmen die eigene Position stärken, Skaleneffekte erzielen und die Europäisierung vorantreiben. „Die steigende Harmonisierung der Standards in Europa wird die Wachstumschancen durch M&A zusätzlich erhöhen“, sagt Patrick Seidler, Partner für M&A bei S&B Strategy. „Die Gefahr, durch eine Übernahme kaum Synergien zu erzielen und eher zusätzliche Komplexität zu erzeugen, kann abgebaut werden, indem man den Prozess von Anfang an klar strukturiert und an den eigenen M&A-Zielen stringent ausrichtet.“
Unternehmen, die ihre Positionierung klar abstecken, konsequent und entschlossen die Umsetzung verfolgen sowie die zweite und dritte Führungsebene früh in diesen Prozess mit einbinden, können sich so schlagkräftiger und flexibler aufstellen, um die kommenden Jahre aktiv zu prägen.