GW – Herr König, heute treffen wir uns zu einem Interview, wo wir Sie als Berater und Beirat im Gespräch haben und nicht in der Verantwortung als Sprecher der Geschäftsführung der Unternehmensgruppe Alfred Bohn. Worin liegt der Schwerpunkt Ihrer Tätigkeit derzeit?
Matthias König – Ja, so ist es. Aktuell bin ich intensiv damit beschäftigt, Unternehmen und Unternehmern der Bauzulieferbranche bei der Meisterung der Herausforderungen der Baukrise zu helfen. Im Mittelpunkt dabei stehen Themen wie Strategieentwicklung und vor allem -anpassung. Aber auch Kostenoptimierung und Changemanagement. Leider betreue ich derzeit auch einen harten Restrukturierungsfall. Bedauerlicherweise werden Leistungen im Bereich des Nachhaltigkeitsmanagements derzeit kaum nachgefragt. Das kommt vielleicht stärker nach der Krise oder wenn die ESG-Berichtspflicht für viele in greifbare Nähe rückt.
GW – Wer sind denn aktuell Ihre Mandanten und was sind die grundsätzlichen Probleme?
König – Generell spreche ich nicht über meine Mandanten. Aber so viel sei gesagt: Alle haben in unterschiedlicher Ausprägung mit den Auswirkungen der Krise auf die Gewinn- und Verlustrechnung, die Bilanz und die Liquidität ihre Schwierigkeiten. Hier sinnvolle Hilfe zur Selbsthilfe zu geben, ist mein Anliegen, das sorgt bei mir für eine gute Auslastung.
GW – Welche strategischen Anpassungen sind aus Ihrer Sicht notwendig? Wie können Unternehmen in der Fensterbranche darauf reagieren?
König – Wenn Sie die Anpassung an die Baukrise meinen, geht es primär natürlich um die Geschäftsmodelle. Insbesondere die Firmen, die auf die Marktsegmente des Neubaus und des Ein- und Zweifamilienhausbaus fokussiert sind, müssen sich refokussieren. Im Vertrieb geht es darum, das Umschalten auf einen aktiven Vertrieb, der innovativere Formen der Produktpräsentation und -veranschaulichung nutzen sollte, gut zu managen. Es geht auch darum, zielgerichtet und strukturiert Mehrwert zu verkaufen. Mittelfristig braucht es Lösungen, um mit der Problematik des zunehmenden Handwerkermangels im Bereich der ausführenden Unternehmen klarzukommen. Für alle Anbieter, die über den montierenden Fachhandel vertreiben, sehe ich hier Wachstumsbremsen, die sich bei wachsenden Märkten zunehmend negativ auswirken werden. Ansonsten kann ich nur empfehlen, die Fragestellungen der operativen Exzellenz intensiv in die Strategie einzuarbeiten und aktiv voranzutreiben. Operative Exzellenz sollte ein Kernbestandteil der Strategie sein. Das stärkt die Profitabilität und die Resilienz. Im Übrigen verweise ich auf meine Artikel über den Havanna-Effekt und zur Kostenoptimierung, die u. a. auch hier in der GW erschienen sind. Nichts zu tun, sollte keine Option sein.
GW – Welche Weichenstellungen sind Ihrer Meinung nach im Personalbereich notwendig, um den künftigen Herausforderungen zu begegnen?
König – Das Wichtigste aus meiner Sicht ist Flexibilität, aber eigentlich noch mehr Agilität. Agilität geht bekanntermaßen über die Flexibilität hinaus, weil sie Veränderungsprozesse als Chance zur Optimierung begreift und den kontinuierlichen Verbesserungsprozess im Kern hat. Man könnte das auch kurz so beschreiben: Flexibilität ist die Fähigkeit, sich zu bewegen, während Agilität die Kunst ist, sich dabei laufend zu verbessern.
GW – Wo sollte man sehr agil unterwegs sein?
König – Einerseits im Hinblick auf die „Beschaffungsmodelle“ für gutes Personal und andererseits im Bereich der Arbeitszeitmodelle. Mit transparent gestalteten und leistungsfördernden Vergütungsmodellen und wertschätzenden Incentives können unsere Unternehmen auch im Wettlauf um ein im Vergleich mit anderen Arbeitgebern wettbewerbsfähiges Angebot in einem gewissen Rahmen mithalten. Wenn es um das Integrieren und Halten der Mitarbeitenden geht, sollte jedes Unternehmen über ein gutes Onboarding verfügen, eine wertschätzende Unternehmenskultur haben und ein Organisationsdesign entwickeln, was, neben Effizienz und Effektivität sicherzustellen, Sinn vermittelt. Ein gutes Employer Branding ist natürlich auch erforderlich. Die vorher angesprochenen Punkte zahlen darauf ein.
GW – Kommen wir zum Thema Nachhaltigkeit: Es wird gerne über nachhaltige Themen berichtet, aber letztlich lässt sich das kaum vermarkten. Wie geht man mit dieser Diskrepanz um?
König – Ich glaube nicht, dass hier die Vermarktungsfähigkeit im Mittelpunkt stehen sollte, sondern eher die Verantwortung für die Zukunft. Außerdem brauchen die Durchsetzung und Wertschätzung der Nachhaltigkeitsgedanken in der Gesellschaft Zeit. Aber als Unternehmen nachhaltig zu sein, eben auch. Man kann eigentlich nicht früh genug damit anfangen. Nachhaltigkeit ist auch eine wichtige Fragestellung im Zusammenhang mit der Personalbeschaffung und -bindung, sie prägt die Arbeitgebermarke. Die Verantwortlichen sollten sich die Frage stellen, ob es bei der Nachhaltigkeit nur um die Herausbildung eines vermarktungsfähigen Differenzierungskriteriums geht oder nicht auch um die Frage, als Unternehmen seinen Beitrag für eine lebenswerte Welt in der Zukunft zu leisten. Also um die Enkelfähigkeit der Generationen, die jetzt die Entwicklung in Wirtschaft und Gesellschaft aktiv gestalten und beeinflussen.
GW – Herr König, Sie haben uns in einer der letzten Ausgaben den Ikea-Effekt nähergebracht. Welche Rolle spielt der Ikea-Effekt bei der Restrukturierung von Unternehmen, insbesondere in Krisenzeiten?
König – Der Ikea-Effekt kann in der Restrukturierung zum Hindernis werden, weil er das Tempo der Veränderungen reduzieren und den Aufwand erhöhen kann. Restrukturieren bedeutet meistens Arbeiten gegen die Zeit. Andererseits kann er die Restrukturierungsbemühungen unterstützen, wenn das Management seine Wirkungsweise kennt und richtig anwendet.
GW – Welche Rolle spielt das Changemanagement in der Entwicklung von Unternehmen, die durch Restrukturierungsprozesse gehen?
König – Zunächst möchte ich anmerken, dass Changemanagement auch außerhalb der Restrukturierung extrem wichtig ist. Es ist eine wichtige Methode, das Unternehmen an Veränderungen anzupassen, das sichert Erfolg und Überleben. Ansonsten ist Changemanagement der Schlüssel, um Restrukturierungsprozesse nachhaltig und erfolgreich zu gestalten, es ist also unverzichtbar. Es stellt sicher, dass der Wandel nicht nur auf organisatorischer Ebene, sondern auch auf emotionaler und kultureller Ebene erfolgreich vollzogen wird. Ohne ein gezieltes Changemanagement besteht das Risiko, dass Veränderungen unvollständig umgesetzt werden, nicht von Dauer sind oder auf erheblichen Widerstand stoßen, was den Erfolg der Restrukturierung beeinträchtigen könnte.
GW – In welchen Situationen sehen Sie eine Prozessoptimierung als dringender an als reine Kostensenkungsmaßnahmen?
König – Prozessoptimierung sollte in gut geführten Unternehmen zur Strategie gehören, sie ist Bestandteil der operativen Exzellenz. Der Mindset, diese gut und regelmäßig durchzuführen sollte Bestandteil der Unternehmenskultur sein. Deshalb ist es nicht sinnvoll, diese dringlicher als andere Maßnahmen anzusehen. Die Kostensenkung stellt eher eine Maßnahme dar, die in Krisensituationen zu Anwendung kommt, häufig nimmt man damit in Kauf, dass durch radikale Kürzungen, wie z. B. durch Entlassungen oder das Streichen von Budgets, die Qualität und Leistungsfähigkeit leidet. Das kann erforderlich sein, wenn es um das Firmen-Überleben geht.
GW – Welche spezifischen Tipps haben Sie für Unternehmen in der Bauzulieferbranche, um die Kostenoptimierung dauerhaft in der Unternehmenskultur zu verankern?
König –Tipps sind da schwierig, da die Unternehmen, ihre Beschäftigten und Inhaber sowie Ihre Kulturen sehr unterschiedlich sind. Was helfen kann, sind der richtige Mindset aller Beteiligten und das passende Organisationsdesign. Aus meiner Sicht ist das beste und nachhaltigste Mittel der Einsatz der Organisationsentwicklung als eine Strategie, aber auch als Instrument. Dabei geht es um die Ausbildung einer nachhaltigen Veränderungskultur hin zum beständig lernenden und sich weiterentwickelnden Unternehmen.
GW – Wie können Unternehmen sicherstellen, dass die Verantwortung für die Kostenoptimierung sinnvoll auf die Mitarbeitenden verteilt wird?
König – Die Verantwortung für die Kostenoptimierung auf die Mitarbeitenden zu übertragen, ist nur dann erfolgreich, wenn klare Ziele definiert sind, zu denen alle Beteiligten stehen, Prozess- bzw. Kostenstellenverantwortliche benannt sind, regelmäßige Kommunikation sichergestellt ist und geeignete Anreize geschaffen werden. Es ist außerdem entscheidend, dass die Mitarbeitenden durch gezielte Schulungen und Unterstützung in die Lage versetzt werden, ihre Aufgaben effizient und effektiv zu erfüllen. Eine Kultur der kontinuierlichen Verbesserung sollte dabei aktiv gefördert werden.
GW – Welche Rolle spielt das Personalmanagement bei der Umsetzung von Prozessoptimierungen und Kostenmanagement-Strategien?
König – Das Personalmanagement spielt eine zentrale Rolle bei deren Umsetzung. Diese Rolle umfasst verschiedene Aufgabenbereiche, die sicherstellen, dass die Veränderungen effektiv und nachhaltig im Unternehmen verankert werden. Das Personalmanagement leistet einen entscheidenden Beitrag zum Erfolg der Strategien, indem es das Change-Management, die Qualifizierung der Mitarbeitenden und die Sicherung der Motivation koordiniert. Durch eine enge Zusammenarbeit mit dem Unternehmensmanagement kann das Personalmanagement außerdem sicherstellen, dass die Kostenoptimierungsmaßnahmen nachhaltig und effizient durchgeführt werden.
GW – Herr König, Sie sind neben den Bauelementen auch im Baustoffbereich und in der Glasindustrie unterwegs. Welche Chancen sehen Sie durch den zunehmenden Fokus auf Energieeffizienz und Nachhaltigkeit in der Bauindustrie für die Glasbranche?
König – Als wichtiger Teil der Bauzulieferindustrie sind die Chancen der Glasindustrie als sehr gut anzusehen. Schließlich hat der Glasanteil an den Gebäuden in den letzten Jahrzehnten besonders im Gewerbebau stetig zugenommen. Der Glasanteil bei Bürogebäuden in den Hotspots Deutschlands liegt in der Fassade beispielsweise bei 50 bis 70 Prozent mit einer steigenden Tendenz. Es geht aktuell darum, innovative Ideen zu entwickeln, wie mit Glas Energieeffizienz und Nachhaltigkeit weiter verbessert werden können und welche zusätzlichen Funktionen Glas am und im Bau übernehmen kann. Eingebunden in diese umfassenden Innovationsprozesse sind alle Stakeholder von der Glaserzeugung, über die Transformation bis hin zur Verarbeitung und Montage. Die Aktivitäten der Glaserzeuger, die Energieeffizienz und -substitution bei der Herstellung zu verbessern und das Recycling stärker einzubinden, sind hier ermutigende Signale.
GW – Denken Sie, dass dies einen großen Einfluss auf die künftige Produktentwicklung und das Marketing von Glasanbietern haben wird?
König – Oh ja, das denke ich, allerdings wird sich die Sichtweise an die Philosophie der Nachhaltigkeit anpassen müssen. Es braucht mehr systemisches und mehrdimensionales Denken und Handeln. Nehmen wir als Beispiel die Glastransformation, also die Produktion von Isolierglas, ESG und VSG. Natürlich geht es u. a. um die Ökobilanzen der Basisglasprodukte, Dichtstoffe, Folien usw. Aber es geht auch um die Nachhaltigkeit der Betriebe, in denen die Transformationsprozesse stattfinden, um die Transportaufwendungen zum Verarbeiter in der Bauelementeindustrie oder zur Baustelle, um die Arbeitsbedingungen auf der Baustelle und vieles mehr.
Oder nehmen wir die Weiterverarbeitung von Bauglasprodukten. Hier braucht es eine stärkere Verzahnung von Lieferanten und Verarbeitern, um neue und innovative Lösungen hervorzubringen. Die klassische Arbeitsteilung ändert sich, daraus ergeben sich Risiken für die bisherigen Geschäftsmodelle, aber auch Chancen.
GW – Herr König, vielen Dank für das Gespräch!
Die Fragen platzierte Chefredakteur Daniel Mund
Kurz erklärt: Ikea-Effekt
Der „Ikea-Effekt“ beschreibt das Phänomen, dass Menschen Objekte und Lösungen höher bewerten, wenn sie selbst daran mitgearbeitet haben.