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Im Interview mit Dr. Jürgen Küenzlen

„Unsere Abstandsmontageschraube übertrifft alle Erwartungen“

GW – Sie sind in letzter Zeit häufig in Rosenheim beim ift gewesen und haben das Prüflabor in Anspruch genommen. Warum?

Jürgen KüenzlenIn den letzten Jahren gab es bei den Prüfungen für Würth zwei besondere Schwerpunkte: Zum einen haben wir an schweren Haustüren mit einem Flügelgewicht von deutlich über 100 kg, eingebaut in modernen Hochlochziegeln, die Dauerfunktion nach EN 1191 geprüft – eine echte Herausforderung für die Befestigung in modernen Steinen. Zum anderen haben wir mit unseren neuen Abstandsmontageschrauben AMO IV/Y ein umfangreiches Projekt im Bereich des Einbruchschutzes durchgeführt. Dies war in der Tat mein bisher größtes Projekt am ift, außerhalb von Forschungsprojekten.

Hier haben wir bereits in den Klassen RC2 und RC3 positiv geprüfte Fensterelemente in Lochziegeln, Porenbeton, Kalksandlochsteinen und Beton montiert und sowohl die Fensterelemente selbst als auch die Wandanbindung in Anlehnung an die Normenreihe DIN EN 1628 bis 1630 in beiden Klassen geprüft – was mit hohem Aufwand verbunden war.

GW – Sie sagen, mit der Abstandsmontageschraube AMO IV übertrifft Würth die marktüblichen Anforderungen – in welcher Hinsicht?

KüenzlenUnsere Schraube ist die erste Abstandsmontageschraube mit allgemeiner bauaufsichtlicher Zulassung/Bauartgenehmigung des DIBt für die Montage absturzsichernder Fensterelemente in Beton und Mauerwerk. Dies allein ist schon ein echtes Highlight, wie ich finde. Zusätzlich verfügt diese Schraube aber auch über eine allgemeine Bauartgenehmigung für die rechnerischen Nachweise in Holz, was es so bisher auch noch nicht gab. Auch der umfangreich geprüfte Einsatz der Schrauben im Bereich der einbruchhemmenden Fenstermontage ist so bisher einzigartig für Abstandsmontageschrauben.

GW – Und das Ganze funktioniert ohne einen Dübel?

Küenzlen – Ja, diese Abstandsmontageschrauben funktionieren in Beton und Mauerwerk ohne zusätzlichen Dübel, weil im Prinzip schon die Abstandsmontageschraube der Dübel ist. Letztlich ist dies auch das Prinzip der einfachen Holzschrauben, angewandt auf mineralische Verankerungsgründe: Man bohrt in den meisten Fällen ein Loch in den Beton oder in das Mauerwerk, wobei der Bohrerdurchmesser kleiner ist als der Gewindedurchmesser der Abstandsmontageschraube. Die Abstandsmontageschraube schneidet sich dann ein eigenes Gewinde in den Verankerungsgrund. Diese Art der Befestigung fasziniert mich schon so lange wie ich mich mit der Dübeltechnik beschäftige. Daher habe ich auch vor 20 Jahren meine Doktorarbeit zum Thema Betonschrauben und deren Tragverhalten geschrieben.

Gegenüber der AMO III haben wir das Gewinde optimiert. Dadurch können wir das Einschraubverhalten und auch die Tragfähigkeit in Lochsteinen verbessern. Basis der Weiterentwicklung war die Abstandsmontageschraube AMO Y, die wir vor ein paar Jahren gemeinsam mit der Firma Ytong speziell für die Befestigung in Porenbeton entwickelt haben.

GW – Warum werden die Fenstermonteure die AMO IV lieben?

Küenzlen – Die AMO IV-Schraube ist das „jüngste Kind“ einer Produkt-Familie, die unsere Kunden seit Jahrzehnten kennen und einsetzen. Aber das jüngste Kind ist im Prinzip schon fast erwachsen auf die Welt gekommen, da es bereits über bauaufsichtliche Zulassungen/Bauartgenehmigungen zur Verankerung in diversen Baustoffen verfügt und damit statisch nachgewiesen werden kann. Außerdem liegen gutachterliche Stellungnahmen für den Einbruchschutz für die Fensterbefestigung in diversen Baustoffen vor und als weiteren Bonus besteht nach der Zulassung sogar die Möglichkeit „Versuche am Bauwerk“ durchzuführen, um die (Quer-) Tragfähigkeit der AMO IV 11,5 Schraube in unbekannten Verankerungsgründen zu bestimmen. So etwas gab es in einer Zulassung auch noch nie für solche Schrauben. Gerade in der Sanierung ein besonderer Mehrwert.

GW – Die Abstandsmontageschraube haben Sie für die Widerstandsklassen RC2 und RC3 geprüft – was muss man bei RC3 on top bei der Montage berücksichtigen?

Küenzlen – Die Klasse RC3 ist eine extreme Herausforderung für das Fensterelement, den Wandbaustoff und die Befestigung. Wenn Sie daran denken, dass Sie 5 Minuten Zeit und einen Kuhfuß in der Hand haben, dann können Sie viel Schaden verursachen. Hier muss eine geprüfte Gesamtsituation vorliegen, um sichere Aussagen treffen zu können. Gerade das Element selbst reagiert deutlich auf Montageungenauigkeiten. In einem Versuch hatte ich die Montageklötze nur gegen die „Rastfüße“ des Profils eingebaut. Dies führte schon zu einem deutlich anderen Verhalten des bereits geprüften Elementes im Vergleich zu einer Verklotzung zwischen den „Rastfüßen“ quasi gegen den Stahlkern. (Bild unten)

GW – Beim Einbruchschutz kommt es auf die Montagevorgaben und die Planung an – wie detailliert geben Sie diese an?

Küenzlen – Wir geben hier immer eine maximale Fugenbreite und die maximalen Befestigungsabstände vor. Zusätzlich muss in der Widerstandsklasse RC3 ein Fenster umlaufend befestigt werden, wobei jeder Befestigungspunkt gegen das Profil verklotzt werden muss. In der Klasse RC2 kann auf die Befestigung oben verzichtet werden, ebenso auf die Verklotzung der einzelnen Befestigungspunkte. Hier reicht die statisch erforderliche diagonale Verklotzung. Auch der Putzaufbau, der in der aktuellen DIN EN 1627 für manche Baustoffe detailliert vorgegeben ist, muss beachtet werden. Haben Sie einen anderen Putzaufbau, kann die Klasse RC3 schnell zur Herausforderung für das Gesamt­system werden.

GW – Sie sagten, dass kleine Details dazu führen können, dass ein Gesamtsystem bei einem Einbruchsversuch scheitern könnte. Haben Sie Beispiele?

Küenzlen – Ein Beispiel ist die Einschraubtiefe der Befestiger im Wandbaustoff: Kurze Schrauben mit kurzen Einschraubtiefen im porösen Wandbaustoff verhalten sich ganz anders als lange Schrauben, weshalb wir hier auf nahezu maximale Länge der Befestiger gehen.

Ein weiteres Beispiel ist der Randabstand der Befestiger: Wird das Fenster in der Mitte einer Fensterleibung eingebaut, habe ich einen relativ großen Randabstand. Baue ich das Fenster dagegen im äußeren Drittel ein, hat mein Befestiger einen kleineren Randabstand und in den meisten Fällen auch eine geringere Tragfähigkeit, bzw. kaum Widerstand gegen einen manuellen Einbruchsversuch. Hier sind uns Fenster schon allein beim Pendelschlag aus der Wand gefallen – wir wollten es selbst nicht glauben!

GW – Würth hat jetzt eine Fenstersoftware für absturzsichernde Fenster aufgelegt. Ist der Anwender mit der Softwarenutzung auf der sicheren Seite?

Küenzlen – Der Anwender muss gerade bei absturzsichernden Fensterelementen verpflichtend einen Nachweis nach den technischen Baubestimmungen für die Befestigung führen. Diesen Nachweis, sprich die Kombination aus Wind- und Holmlasten, den Personenanprall nach ETB Richtlinie sowie den Nachweis zum Eigengewicht, führt unsere Software. Aber unsere Software ersetzt natürlich keinen Tragwerksplaner. Sie ermöglicht jedoch einen prüfbaren Nachweis. Das bedeutet, dass auch der versierte Fensterbauer seine Einbausituation rechnerisch selbst prüfen und nachweisen kann. Diesen Nachweis kann er dann dem Tragwerksplaner/Auftraggeber zur Prüfung vorlegen.

GW – Welche spezifischen Herausforderungen treten bei der Befestigung von bodentiefen Fenstern ohne Geländer auf?

Küenzlen – Wird vor bodentiefen Fenstern kein sogenanntes „französisches Balkongeländer“ am Baukörper, also in der Regel an der Gebäudewand befestigt, kommen heute bereits vielfach Geländer aus Glas oder Stahl zum Einsatz, die direkt auf dem Blendrahmen des Fensterelements befestigt werden. Hier haben Sie neben dem Nachweis der Befestigung des Fensterelements am Wandbaustoff auch noch den Nachweis der Befestigung der Halterung der Glasscheibe oder des Geländers am Blendrahmen bzw. im Stahl des Blendrahmens oder im Aluminium bzw. Holzelement nachzuweisen.

Auch diese Nachweise sind aus meiner Sicht immer über allgemeine bauaufsichtliche Zulassungen/Bauartgenehmigungen zu führen. Viele Anwender/Planer/Fensterbauer glauben immer noch, dass die bauaufsichtlich eingeführte DIN 18008-4 diese Befestigung am Blendrahmen des Fensters regelt. Diese Ansicht teile ich jedoch nicht. Die DIN 18008-4 regelt aus meiner Sicht nur die direkte unmittelbare Glasanbindung.

Oft werden – zum Beispiel für die Befestigung der Glashalteleisten eines Geländers an Fensterrahmenprofilen aus Kunststoff (PVC) mit Stahlarmierung (Stahlkern) – selbstbohrende Schrauben mit Europäischer Technischer Bewertung (ETA) verwendet. Dabei wird aber gerne übersehen, dass diese ETA nur minimale Zwischenschichten von 3 mm und keine ganzen PVC-Kammern zwischen Glashalteleiste und Stahl im Blendrahmen für diese Schrauben regeln.

GW – Wie bewerten Sie die Tragfähigkeit der Befestigungsmittel in modernen, wärmeoptimierten Wandbaustoffen?

Küenzlen – Moderne wärmeoptimierte Wandbaustoffe sind vielfach Lochsteine, also Mauersteine, die durch sehr dünne Stege, große, teils mit Dämmstoff gefüllte Luftkammern, sehr viele kleine Luftkammern, geringe Druckfestigkeiten und geringe Rohdichten charakterisiert sind. Die Befestigung von großen schweren Fenstern in solchen Verankerungsgründen, noch dazu mit absturzsichernder Funktion, ist daher grundsätzlich eine Herausforderung. Durch eine intensive Zusammenarbeit mit den Steinherstellern konnte in den letzten 10 Jahren erreicht werden, dass spezielle Leibungssteine entwickelt wurden. Diese ermöglichen zum einen eine wärmeoptimierte Lochgeometrie mit oder ohne zusätzlicher Füllung aber auch gleichzeitig Tragfähigkeiten für die Befestiger auf einem inzwischen so hohen Niveau, dass heute selbst Befestigungen absturzsichernder Fensterelemente rechnerisch in solchen Steinen nachgewiesen werden können.

Wird das Fenster im äußeren Drittel einer Wand platziert, hat der Befestiger einen kleineren Randabstand und in den meisten Fällen auch eine geringere Tragfähigkeit.

Foto: Adolf Würth GmbH & Co. KG

Wird das Fenster im äußeren Drittel einer Wand platziert, hat der Befestiger einen kleineren Randabstand und in den meisten Fällen auch eine geringere Tragfähigkeit.

GW – In welcher Weise berücksichtigt die Würth Fenstersoftware die verschiedenen Geometrien der Wandsteine?

Küenzlen – Unsere Software deckt eine große Bandbreite an Verankerungsgründen ab. Neben Beton sind das aktuell eine große Vielfalt von Ziegel-, Kalksand-, Leichtbeton-, Beton- und Porenbetonsteinen von den unterschiedlichen Mauerstein-Herstellern. In den hinterlegten Verankerungsgründen wurden unsere zugelassenen Fensterbefestiger geprüft, die mit der Software bemessen werden können. Zusätzlich ermöglicht die Software, dass mit unserem Kunststoffdübel Shark UR – mit der unsere Fenstermontageschiene W-ABZ befestigt wird – Versuche in der Leibung auf der Baustelle durchgeführt und ausgewertet werden können in Steinen, die wir bisher nicht geprüft haben. Mit diesen Versuchsdaten kann dann ein Fenster mit der Software nachgewiesen werden.

GW – Welche Kriterien legt die Software bei der Auswahl der Befestigungspunkte an, um statische und dynamische Lastfälle abzudecken?

Küenzlen – Für die Berechnungen der einzelnen Lastfälle geben wir zu den Tragfähigkeiten der Fensterbefestiger immer auch die zugehörigen Randabstände oder eine freie Schraubenlänge an. Diese werden natürlich von der Software berücksichtigt. Außerdem hält die Software die Eckabstände in den Profilen ein. Ebenso gibt diese eine Fehlermeldung, wenn die nach RAL-Montageleitfaden empfohlenen maximalen Achsabstände zwischen den einzelnen Befestigungspunkten überschritten werden sollten.

GW – Wie werden die Rand- und Achsabstände der Befestigungspunkte in der Software festgelegt und überprüft?

Küenzlen – Der Anwender kann seinen geplanten Randabstand in die Software eingeben. Die Software prüft dann, mit welchen Systemen die Grenzen der Zulassungen/der ETA im gewählten Baustoff eingehalten werden können und ob es ein geeignetes System für die geplante Ausführung gibt oder ob diese Planung angepasst werden muss.

GW – Welche Anforderungen müssen Fensterrahmenmaterialien erfüllen, um mit den Würth Befestigungsmitteln kompatibel zu sein?

Küenzlen – Wir können aktuell nur Nachweise führen, wenn in PVC-Profilen eine Armierung vorhanden oder das Profil mit Glasfasern verstärkt wurde. Zusätzlich sind Aluminium- oder Holzprofile möglich. Die Zulassung unserer Fenstermontageschiene W-ABZ regelt die Anforderung an die Profile sehr detailliert, da wir diese Schiene mithilfe selbstbohrender Schrauben mit dem Profil verbinden und deshalb eine gewisse Tragfähigkeit der Schrauben voraussetzen müssen. Soll beim rechnerischen Nachweis des Fensters die Möglichkeit der Mehrfachbefestigung genutzt werden sind ebenfalls detaillierte Angaben zum Profil in den Zulassungen enthalten.

GW – Welche Dokumente und Literatur stehen in der Software zur Verfügung, um die Entscheidungsfindung des Planers zu unterstützen?

Küenzlen – Die Software stellt die Produktkatalogseiten, Gutachten und die Zulassungen bzw. die ETA zur Verfügung. Außerdem bieten wir entsprechende Fachliteratur als PDF-Datei – sofern verfügbar – bzw. Hinweise auf die Literatur an.

GW – Wie kommt man an die Software? Ist die Software frei zugänglich?

Küenzlen – Die Software kann online kostenfrei unter wtsonline.wuerth.com verwendet werden.

GW – Wie lange brauche ich, um eine konkrete Bausituation zu erfassen?

Küenzlen – Wenn Sie mich fragen, ist die Software sehr leicht zu bedienen. Man muss aber schon ein bisschen mit der Software herumprobieren, um eine Lösung für die jeweilige Bausituation zu finden. Insbesondere das Thema einbruchhemmende Fenstermontage wird etwas Zeit brauchen, da man hier für ein Ergebnis besonders viele Parameter berücksichtigen muss.

GW – Etwas ganz anderes: Ihnen werden mittlerweile auf LinkedIn reichlich Urlaubsbilder von Befestigungssituationen im Sinne von #nichtnachmachen zugeschickt. Was war die für Sie atemberaubendste Zusendung?

Küenzlen – Zur Abwechslung geht es bei diesen Urlaubsbildern bisher nicht um die Befestigung von Fenstern, sondern allgemein um die Dübeltechnik. Die Fotos eines Geländers, die der Sachverständige Marc Schütt beim Wandern in Appenzell in der Schweiz gemacht hat, sind wirklich atemberaubend, gerade weil hier im Felsen sehr nahe an der Absturzkante befestigt wurde.

GW – Herr Küenzlen, vielen Dank für das Gespräch!

Die Fragen platzierte Chefredakteur Daniel Mund.

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