Glaswelt – Herr Stahlmann, durch Ihre Tätigkeit als Unternehmensberater für Produkt- und Produktionstechnik bei Schreinereien/Tischlereien und Fensterbaubetrieben wissen Sie am besten, welche Trends sich im Fensterbau abzeichnen. Was hat der Endkunde künftig diesbezüglich zu erwarten?
Jörg Stahlmann – Lassen Sie uns doch erst einmal festhalten, was denn heute die Standards sind. Hier differenziere ich stark nach den Rahmenmaterialien: Kunststoff hat den größten Marktanteil. Hier bestimmen die Systemgeber in welche Richtung ein Trend geht. Dieser ist meistens technischer Natur. Das Hauptaugenmerk liegt heute auf möglichst schmalen Ansichtsbreiten. Werkstofftechnisch gibt es da allerdings meist Grenzen. Somit geht der Trend zu verklebten Scheiben, um das schwache PVC Material zu stabilisieren.
Glaswelt – Wie sieht es beim Rahmenmaterial Aluminium aus?
Stahlmann – Beim Aluminium ist es etwas anders gelagert. Hier ist der Marktanteil wesentlich geringer, jedoch ist der Einsatzzweck von Aluminium meist Objektbezogen, also vor allem bei Gewerbeprojekten und Industriebauten. Der Fokus beim Aluminium liegt nach wie vor auf der Steigerung des Uf-Wertes. Die Ansichtsbreiten und Statik von Aluminiumprofilen sind zweifelsohne optimal auf die Bedürfnisse von Architekten und Planer zugeschnitten. Man kann sagen, dieser ganze Markt stagniert in puncto Design, da ist wenig Fantasie drin.
Glaswelt – Aber im Innenleben der Profile tut sich so einiges. Viele Systemgeber beschäftigen sich jetzt mit weiteren Uf-Wert-Verbesserungen. Hat das Konsequenzen?
Stahlmann – Egal ob Kunststoff oder Aluminium. Die enthaltenen Komponenten sind meist nicht mit dem eigentlichen Material verwandt, bzw. sortenrein. Mittlerweile werden auch Glasfaseranteile oder Mischungen mit WPC (Wood-Plastic-Composit) angeboten. Das Ergebnis sind zwar optimierte Dämmeigenschaften und teilweise eine Reduktion des Gewichts, aber der Aufwand dafür ist sehr hoch, z.B. bei ausgeschäumten Profilen. Entsprechend hoch ist dann auch der Aufwand im Recyclingprozess. Dass dieser Kreislauf geschlossen gehalten werden kann ist unbestritten, aber wer zahlt das? Zudem kommt es durch die Vielfalt der Profile und Ausführungen zu einer erhöhten Vorhaltemenge an Material. Für Hersteller und Verarbeiter bedeutet dies erhöhte Kapitalbindung und mehr Lagerflächen. Dass so die Profilkosten pro Meter steigen müssen ist selbstredend.
Glaswelt – Wenn man die Entwicklungen am Kunststofffenster sieht, kann man aber auch äußerlich Veränderungen erkennen. Heutige Systeme sind mittlerweile so designorientiert wie nie zuvor, oder?
Stahlmann – Sie haben Recht. Natürlich tut sich auch auf den Sichtflächen so einiges. Bei genauerer Betrachtung müssen wir aber feststellen, dass alles im wahrsten Sinne des Wortes nur kaschiert ist. Ob das jetzt die Dekore innen und/oder außen sind, oder das PVC mit Aluminium verkleidet wird, um eine ansprechende Ästhetik zu erzielen, oder neue Eckverbindungen im Stumpfschweißverfahren. Natürlich hat Kunststoff – pflegeleicht, günstig, dauerhaft – seine eigentliche Zielgruppe im „low-budget-Segment“. Jetzt peppt man das Kunststofffenster auf und versucht ihm einen Status im Hochpreissegment zu geben. Gleichzeitig versucht man andere Rahmenmaterialien zu kopieren oder z.B. mit holzähnlicher Folie zu kaschieren. Das ist schon Standard, aber dieser Trend beim Kunststoff wird jedoch ein Holz-, oder Holz-Metall-Fenster nie ersetzen.
Glaswelt – Wie kommen Sie zu dieser Feststellung?
Stahlmann – Im Bereich Holz und Holz-Aluminium stagnieren die produzierten Einheiten, bzw. sie ersetzen sich gegenseitig. Stagnieren heißt aber nicht, dass deshalb andere Rahmenmaterialien dem Holz- und Holz-Metall-Fenster Marktanteile wegnehmen – auch wenn noch so große Anstrengungen unternommen werden. Holz hatte seine Schwächen. Meine Betonung liegt auf „hatte“. Die Gründe für einen früheren Rückgang sind oftmals ergründet worden. Das Hauptargument ist nach wie vor der hohe Pflegeaufwand bei Holzfenstern. Doch dagegen haben andere Argumente beim Holz inzwischen eine höhere Gewichtung bekommen.
Glaswelt – Welche Argumente sind das Ihrer Meinung nach?
Stahlmann – Das Holzfenster ist anders, sozusagen ehrlich. Das der Werkstoff in der Vergangenheit Marktanteile verloren hat, liegt an den Fehlern von Produzenten und Zulieferfirmen. Und diese hatten einerseits mit betriebswirtschaftlichen Interessen zu tun, andererseits wurden Mängel seitens der Produzenten und auf der Baustelle produziert, ohne sich dessen bewusst zu sein. Inzwischen haben sich aber die Produktionsprozesse gravierend verändert und ich sehe deshalb für Holzfenster tolle Perspektiven. Das Holz- und Holz-Metallfenster bekommt seine Wertigkeit zurück, die es nie hätte verlieren müssen.
Glaswelt – Diese Wertigkeit wird aber nicht von jedem Käufer erkannt bzw. gewürdigt?
Stahlmann – Die Gründe für die „neue“ Wertigkeit sind vielschichtig. Nach wie vor stehen Fenster aus Holz- und Holz-Metall für Ökologie, nachwachsenden Rohstoff, CO2-Neutralität und für den geringsten Primärenergieaufwand in der Produktion – vom Ausgangsstoff bis zum Endprodukt betrachtet. Jetzt kommen weitere Aspekte dazu: Holz ist individuell, stiltreu, behaglich und strahlt Wärme aus und ist formbar wie kein anderer Werkstoff. Somit sind Fenster aus Holz individuell gestaltbar für den jeweiligen Kaufinteressenten. Der Trend ist erkennbar, dass Holz auch bei Fenstern als unmittelbarer Bestandteil des Wohnraumes empfunden wird. Bis dato hat man Fenster meist nur von außen betrachtet. Gerade bei möbelähnlicher Qualität rückt das Holz bei Fenstern immer mehr in den Fokus der Innenraumgestaltung. Ein gutes Holz- und Holz-Metall-Fenster gilt heute als hochwertig. Betreten Sie einen Raum mit verschiedenen Fenstern aus unterschiedlichen Rahmenmaterialien. Das Fenster mit Holzanteil wird Ihnen bewusst oder unbewusst immer am angenehmsten sein.
Glaswelt – In welcher Käuferschicht sehen Sie denn die Bedürfnisse, die Sie soeben beschrieben haben?
Stahlmann – Eine Wohnungsbaugesellschaft oder -genossenschaft wird diese Bedürfnisse wohl kaum sehr ausgeprägt haben – so lange es keine gesetzlichen Vorgaben gibt. Holz- und Holz-Metall-Fenster sehe ich noch nicht wieder im Massenmarkt. Hier entscheidet der Individualmarkt. Das sind Menschen die wertebewusst sind, die nicht das wollen, was der Nachbar hat und die auch noch das nötige Kapital investieren können, um sich für Holz- und Holz-Metall zu entscheiden. Sicherlich ist diese Zielgruppe am ehesten im Exklusiv- und im Sanierungssegment zu finden. Kombiniert man nun den Wert des Rahmenmaterials Holz mit den Möglichkeiten eines konstruktiven Holzschutzes und ergänzt das mit einem anspruchsvollen Design, dann haben Holz- und Holz-Metall-Fenster auf jeden Fall eine Zielgruppe. Wenn wir aus den Fehlern vergangener Tage beim Holzfenster lernen und konsequent mit dem Material und seinen Eigenschaften umgehen, dann wird sich der Markt für Holz als Rahmenmaterial stark nach oben entwickeln.
Glaswelt – Gibt es noch weitere Faktoren pro Holz- und Holz-Metall-Fenster?
Stahlmann – Es gibt Unternehmen, die sich vor einiger Zeit vom Holzfenster abgewandt haben und nun wieder zu diesem Material zurückkehren. Das mögen betriebswirtschaftliche Gründe gewesen sein, oder um das Produktportfolio zu erweitern. Aber prinzipiell beschäftigt man sich mit der Fertigung von Holzfenstern nur dann, wenn man in diesem Bereich einen Markt erkennt. Dieser scheint sich nunmehr nicht nur zu festigen, sondern sogar deutlich zu wachsen. Des Weiteren haben findige Hersteller erkannt, dass man mit Holz und Holz-Metall-Fenstern ein breites, designorientiertes Spektrum abdecken kann. Die Zielgruppe findet sich dann fast von selbst.
Glaswelt – Kann man sagen, dass die von Ihnen genannten Zielgruppen eigentlich nur darauf warten, dass es neue Innovationen in puncto Design und Dauerhaftigkeit beim Rahmenmaterial Holz gibt?
Stahlmann – Ja, dem ist so. Beispiel Terrassendielen. Jeder will seine Terrasse in Holz, fast niemand in Kunststoff. Jetzt erlebt das Material WPC einen Boom in diesem Bereich. Das WPC beinhaltet zwar Kunststoff und Holz, aber es wird allgemein als Holz anerkannt. Beim Holz-Metallfenster hat man auch etwas länger gebraucht um zu verstehen, dass hier ideale Materialeigenschaften für nachhaltigen Bauteileinsatz mit geringstem Wartungsaufwand zusammenfinden. Sie sehen an diesen Beispielen, dass sich das Produkt stark zu den Kundenbedürfnissen hin entwickelt hat. Der Fenstermarkt ist noch viel zu vergleichbar. Die Produkte müssen sich stärker zum Kunden und dessen Wünschen hin entwickeln und der Hersteller muss zum kompetenten Dienstleister werden. Dies geht am besten und einfachsten mit dem Rahmenmaterial Holz. Es gibt bereits wenige Unternehmen, die mit ihrem Dienstleistungsangebot eine einzigartige Kundenbindung erzielen und nachhaltige Umsätze aus ihren Dienstleistungen generieren. Hier liegt noch ein erhebliches Zukunftspotenzial für viele Holz- und Holz-Metall-Fensterproduzenten. —
Die Fragen stellte Daniel Mund, stv. Chefredakteur der GLASWELT.