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Im Gespräch mit der aluplast-Geschäftsleitung

„Nicht den Trend verpassen, besser noch ihn selbst setzen“

GLASWELT – Dirk und Patrick Seitz, können Sie sich noch an die Zeit des Management-By-Outs Ihres Vaters vor 40 Jahren erinnern?

Dirk Seitz – Natürlich! Ich weiß noch, wie ich im Blaumann die neue Halle gefegt habe. So etwas vergisst man nicht, ich war damals 18 Jahre alt.

Patrick Seitz – Ich war damals noch daheim als 7-jähriger Bub. Aber auch ich und auch die ganze Familie und Verwandtschaft wurden damals zum Putzen eingeteilt. Alle haben mit angepackt.

GLASWELT – Welche Momente oder Ereignisse haben Sie in den 40 Jahren ­besonders geprägt?

Dirk Seitz – Ich hatte einige erstaunliche Erlebnisse, aber das ist nichts für die Presse (lacht). Einschneidend war unser erster Zukauf, die Übernahme der Firma Golde. Auch an meine vier Jahre in unserer Niederlassung in Spanien oder an die Reise nach Polen mit meinem Vater, um nach Grundstücken zu suchen, erinnere ich mich ­gerne.

Patrick Seitz – Ich bin ja später eingestiegen – durfte erst mal meine Ausbildung abschließen. Aber schon als Teenager habe ich meinen Vater auf Messen in aller Welt begleitet, das war sehr eindrucksvoll.

Wir sind eine sehr energieintensive Firma und müssen uns an aktuellen Ereignissen orientieren.

aluplast-CEO Eric Bobay geht auch dieses Jahr von einer weiteren Umsatz-Steigerung gegenüber dem Vorjahr aus.

Foto: Daniel Mund / GLASWELT

GLASWELT – Herr Bobay, Sie sind seit 2018 CEO und Sprecher der aluplast-Gruppe. Wie stellt sich die aktuelle wirtschaftliche Situation dar?

Eric Bobay – Wir können auf eine sehr gute Entwicklung trotz Pandemie-Phase zurückblicken (Anm. d. Red: Umsatz 2020 über 380 Mio. Euro). 2021 ist nochmal deutlich besser gelaufen – auch im Mengenvolumen. Wir sind auch 2022 gut gestartet, registrieren in den letzten Wochen einen Rückgang auf das Niveau der Vor-Corona-Zeit. Dennoch gehen wir von einer Umsatz-Steigerung gegenüber Vorjahr aus.

Karsten Ackermann (Leiter Marketing) – Der Markt stellt sich aktuell diffus und uneinheitlich dar – aber es gibt nach wie vor Kunden, bei denen es gut läuft, die tolle, große Aufträge mit vielen tausend Fenstern an Land gezogen haben.

Dirk Seitz – In anderen Ländern haben wir sowieso eine ganz andere Entwicklung: Italienische Fensterbauer erleben immer noch eine Sonderkonjunktur und in den USA und in Mexiko ist das Energiethema überhaupt nicht spürbar.

GLASWELT – Die Kosten für Rohmaterialien, Energie und vieles mehr sind in den letzten Monaten explodiert. Wie gehen Sie mit den Marktgegebenheiten um, wie ist die Ertragslage?

Eric Bobay – Die Herausforderungen haben stark zugenommen. Wir sind eine Firma mit hohem Energiebedarf und müssen uns an aktuellen Ereignissen orientieren. Uns beschäftigt die Rohstoffverfügbarkeit – und mehr noch die Kostenexplosion bei unseren Zulieferprodukten. Die ganze Branche muss gemeinsam in den nächsten 6 bis 8 Monaten mit diesen Herausforderungen umgehen – langfristig haben wir mit der Energieeffizienz in der Gebäudehülle aber alle ein Thema, das sehr zukunftssicher ist.

GLASWELT – Gibt es die Überlegung, Mitarbeiterzahlen zu reduzieren, um Fixkosten zu senken?

Eric Bobay – Nein, wir sind ein Familienunternehmen, fühlen uns für unsere MitarbeiterInnen und Mitarbeiter verantwortlich und sind langfristig orientiert.

GLASWELT – Wie stellt sich die Situation für aluplast in der Ukraine dar?

Patrick Seitz – Das Extrusionswerk existiert, auch wenn wir Bilder mit Bombeneinschlägen zeigen könnten. Wir produzieren wieder und glauben, dass es großer Unterstützung bedarf, um die Ukraine nach dem Krieg aufzubauen.

GLASWELT – Sprechen wir über die Frontale. aluplast hat lange an der „Summer Edition“ festgehalten und doch am Ende abgesagt. Rückblickend betrachtet: War die Absage ein Fehler?

Patrick Seitz – Die Messe lebt davon, dass man als Branche einheitlich eine Plattform bildet für die Welt, für Europa und für Deutschland. Wenn diese Situation nicht mehr gegeben ist, ist das nicht mehr die gleiche Messe. Deswegen haben wir von unserer Messezusage zu Recht Abstand genommen. Für uns war die Frontale immer wichtig, wir wollen schließlich unser Leistungsvermögen und unsere tollen Systeme einem breiten Publikum präsentieren.

GLASWELT – Was passiert 2024?

Dirk Seitz – Wir sollten alle die Erwartungshaltung an eine Frontale etwas zurücknehmen. Die schiere Größe der Messe hat uns in der Vergangenheit eher davon abgehalten, mit einzelnen Kunden intensiver ins Gespräch zu ­kommen.

GLASWELT – Herr Bobay, Sie sind auch für das Business Development verantwortlich – wo sehen Sie weitere Potenziale für aluplast?

Eric Bobay – Wir hatten in der Vergangenheit zwei bedeutende Entwicklungen: Einmal der Ausbau des Standorts in Nordamerika. Ein weiteres wichtiges Thema ist die Standardisierung unserer Werke allgemein, sodass wir den Werksverbund noch effizienter nutzen können. Dabei geht es um die Vereinheitlichung von Maschinen und Werkzeugen und natürlich auch um die Digitalisierung innerhalb der Produktion. Es gilt auch lokal zu denken, jeder Standort auf der Welt hat einen anderen Fokus. Ein Beispiel: In Mexiko sind 70 bis 80 Prozent aller Profile kaschiert – wir haben dort also eine ganz andere Produktpalette am Start und wollen trotzdem kurzfristig lieferfähig sein. Ein weiteres Thema sind unsere Kunden: Einerseits gibt es Bestellungen über Fax, andererseits gibt es Kunden, die über online-Tools just in time beliefert werden wollen – beinahe so wie in der Automobilindustrie. Unsere Kundenstruktur ist sehr heterogen, dennoch werden wir Digitalisierungsansätze für jede Betriebsgröße unserer Kunden bereitstellen, um die repetitiven Vorgänge deutlich zu vereinfachen.

Eine Messe lebt davon, dass man als Branche einheitlich eine Plattform bildet. Wenn diese Situation nicht mehr gegeben ist, ist das nicht mehr die gleiche Messe.

Dirk Seitz ist Vorsitzender der aluplast-Holding.

Foto: Daniel Mund / GLASWELT

GLASWELT – In welchen Bereichen stehen ­aktuell wichtige Investitionen an?

Eric Bobay – Die Verfügbarkeiten und Lieferfähigkeiten sind ein wichtiges Argument für erfolgreiche Kundenbeziehungen. Wir werden unsere Lagerkapazitäten erhöhen, unsere Kunden möchten ihre Lagerplätze verkleinern und dennoch Fenster mit einem hohen Individualisierungsgrad – vor allem im Thema Farbe – anbieten. Dazu ist hier in Karlsruhe ein Hochregallager geplant, das dem Wunsch nach mehr Komplexität in der Produktpalette gerecht werden wird. Darüber hinaus bauen wir In Polen ein großes Werk, das nächstes Jahr ans Netz gehen wird. In Indien investieren wir in unser Logistikcenter und in den USA wird das Werk deutlich erweitert.

GLASWELT – Sie haben das Oberflächenthema angesprochen, aluplast setzt auf vielfältige Gestaltungsoptionen?

Patrick Seitz – Es haben sich einmal mehr durch die neuen Oberflächen wie woodec und aludec ganz neue Möglichkeiten ergeben. Kaschierte Fenster laufen zudem noch schneller durch die Produktion als Fenster im Materialverbund mit Aluminiumschalen.

GLASWELT – Dennoch bieten Sie Ihren Kunden mit aluskin auch ein Fenster im Materialverbund aus PVC und Aluminium.

Patrick Seitz – Hierbei ergänzen sich die beiden Werkstoffe ideal. Bei aluskin function werden die Deckschalen nicht nur auf die Profile aufgeklickt, sondern zusätzlich mit diesen verklebt. Das gibt dem Profil erheblich mehr Halt, sodass mit nur 69 mm Flügelbreite eine Flügelhöhe von 2,55 m gefertigt werden kann. Die Verarbeitung erfolgt in der Fertigungslinie und muss nicht durch den Sonderbau geschleust werden.

Karsten Ackermann – Andererseits spart sich der Verarbeiter bei kaschierten Fenstern die Lagerkapazitäten für Aluminiumschalen. Die Simplifizierung ist wichtiger geworden, mit unserem ­Programm bestehend aus aluskin und den Oberflächenoptionen aludec und woodec lassen sich alle Kundenwünsche erfüllen.

GLASWELT – Sprechen wir über das ­Thema Nachhaltigkeit: Wie hoch ist der gesamte Recyclat­anteil bei aluplast?

Patrick Seitz – Das ist schwer zu beantworten bei unserer internationalen Ausrichtung. In Europa haben sich alle Anbieter über den EPPA-Verband dazu verständigt, bis 2030 mindestens 25 Prozent PVC-Recyclat zu verarbeiten. Wir haben dieses Ziel schon erreicht. Im Übrigen ist es auch so, dass die Mengen gar nicht zur Verfügung stehen, um einen deutlich höheren Recycling-Anteil zu realisieren. Wenn der Fenstertausch in Gang kommt, wird sich auch die Recyclingquote entsprechend erhöhen – das ist die wichtige ­Botschaft.

GLASWELT – Ist für Sie die Recyclingfähigkeit Ihrer neuen Produkte auch ein wichtiger Aspekt?

Patrick Seitz – Wir nehmen das „Design for Recycling“ sehr ernst. Ein Beispiel: Unsere energeto-Konzepte sind alle so ausgelegt, dass die Materialen voneinander mechanisch trennbar sind – das gilt auch für die aussteifenden Elemente. Unsere Systeme lassen sich lokal einfach in ihre Bestandteile zerlegen und dem Produktionsprozess zuführen. Manche Profile anderer Anbieter müssen dagegen aufwendig zum Anbieter zurückgeführt werden, weil die Materialien nicht ohne Weiteres voneinander separiert werden können.

Eric Bobay – Ein wichtiger Aspekt der Nachhaltigkeit ist auch die Tatsache, dass man Kunststofffenster ohne Stahl herstellen kann. Und in dieser Frage bieten wir viele Konzepte an.

Es haben sich durch neuen Oberflächen ganz neue ­Möglichkeiten ergeben. Kaschierte Fenster laufen zudem noch schneller durch die Produktion als Fenster im ­Materialverbund mit Aluminiumschalen.

Patrick Seitz ist als Geschäftsführer für den Vertrieb, die Systemtechnik und das Marketing zuständig.

Foto: Daniel Mund / GLASWELT

GLASWELT – 2021 haben Sie energeto neo vorgestellt – wie wurde die Plattform ­angenommen?

Patrick Seitz – Die Vorteile haben viele überzeugt, weil wir einige Lösungen – beispielsweise sowohl Anschlag- als auch die Mitteldichtungsanwendungen – in einem Profil vereinen. Außerdem haben wir das Designthema mit flächenversetzten und bündigen Varianten perfekt bedient.

Karsten Ackermann – Mit dem System konnten wir in kurzer Zeit einige Neukunden gewinnen, weil es so unglaublich kompatibel ist. „Ich kann damit alles bauen, was ich bauen möchte“ – so eine Rückmeldung eines Verarbeiters.

Eric Bobay – Und unsere bestehenden Kunden haben damit die Möglichkeit, sich stärker zu differenzieren. Zuletzt war das vielleicht nicht so gefragt, da hatte jeder viel zu tun. Aber jetzt werden die Differenzierungsaspekte wieder wichtiger.

GLASWELT – energeto neo fußt auf der Klebetechnik. aluplast hat dazu einen speziellen Kleber entwickelt. Können Sie dazu Details verraten?

Patrick Seitz – Unseren Kleber kann der Verarbeiter primerlos verarbeiten. Ein weiterer Vorteil: Fensterbauer können sich aus einem Komplettpaket rund um die Klebetechnik bedienen.

GLASWELT – Wie viel bedeutet es Ihnen, dass Sie mit energeto neo jetzt zum 3. Mal den Top 100 Award verliehen bekommen haben?

Karsten Ackermann – Die Jury hat vor allem ­den Entwicklungs-Prozess um die energeto ­neo-Innovation honoriert. Uns ging es darum, ein System zu entwickeln, das die Kunden gerne haben möchten. Wir haben die Designthemen priorisiert und unsere Entwicklungsschritte beim Kunden in einem frühen Stadium zur Diskussion gestellt. Der Prozess des iterativen Entwickelns ist für uns neu, hat sich aber wirklich gelohnt.

GLASWELT – Wo sehen Sie aluplast, wenn das große Jubiläum in 10 Jahren ansteht?

Eric Bobay – Wir werden immer mehr mit diesen Plattform-Ansätzen arbeiten. energeto neo ist dafür das beste Beispiel. Gleichzeitig wollen wir unsere Internationalität weiter ausbauen. Amerika hat sich als ein wichtiges Standbein entwickelt und der asiatisch-pazifische Raum ist ein lukrativer Markt mit viel Potenzial. In Europa wollen wir unsere Marktanteile ausbauen. Das ist unsere Basis für unser Wirtschaften in den nächsten 10 Jahren. Wir werden uns selbst weiterentwickeln müssen, um auch in Zukunft ein interessanter Arbeitgeber und ein unabhängiges Familienunternehmen zu sein.

GLASWELT – Sie haben immer schon Innovations-Agenden entwickelt – sind die Schritte, die Sie vorhergesagt haben so auch eingetroffen?

Patrick Seitz – Teilweise, manchmal auch mit deutlichem Zeitverzug. Beim Maschinenthema hat sich der Markt erheblich weiterentwickelt, das haben wir auch so vorhergesehen. Die Stahldiskussion ist noch im Gang, beim Gewichtsthema ist die Branche auch noch nicht viel weiter. Es gibt also noch viel Potenzial zur Weiterentwicklung.

GLASWELT – Meine Herren, alles Gute für die nächsten Jahrzehnte!

Das Gespräch führte Chefredakteur Daniel Mund.

Das System energeto neo passt als flächenversetzte und flächenbündige (hier im Bild) Variante gut zum aktuellen Bauhaus-Revival.

Foto: aluplast

Das System energeto neo passt als flächenversetzte und flächenbündige (hier im Bild) Variante gut zum aktuellen Bauhaus-Revival.

Manfred Seitz: Ein LEben für aluplast

Ohne Manfred Seitz gäbe es kein aluplast. Vor 40 Jahren war er der Leiter der Sparte „Fensterprofile“ des Tochterunternehmens Elbatainer eines amerikanischen Konzerns. Als dieses Segment ausgegliedert werden soll, nutzt er die einmalige Chance. Per „Management-Buy-out“ gründet er im Oktober 1982 zusammen mit 27 früheren Kollegen und sechs Extrudern die aluplast GmbH in Ettlingen bei Karlsruhe.

„Wir waren damals eine kleine Nummer in Deutschland, viele Fensterbauer haben in der Zeit noch selbst extrudiert,“ erinnert sich Manfred Seitz an die Anfänge von aluplast. Der Umsatz im ersten Geschäftsjahr belief sich auf immerhin schon 5 Mio. DM, der PVC-Verbrauch lag bei 1000 Tonnen. Er klärt im Gespräch den Namenshintergrund von aluplast: „Das kommt daher, weil wir früher unsere Profile mit Aluminium ausgesteift hatten.“ So hat man die damals beiden wichtigsten Werkstoffe im Firmennamen vereint.

Einen großen Schritt vollzog das Unternehmen mit der Übernahme der Firma Golde in Bayern. Deren Anschlagdichtungssystem „Golde IDEAL“ war der Grundstein und die Namensgeberin für die eigenen Ideal-Systeme und Manfred Seitz blickt gerne zurück auf die Vertragsverhandlungen mit dem bayrischen Wirtschaftsministerium, da Golde dem Land Bayern gehörte. „Wir haben damals 8 Mio. Umsatz gemacht und Golde 12 Mio. DM – wir hatten also einen ’größeren’ gekauft. Und bei der Vertragsunterzeichnung kamen Herren im Zweireiher vornehm vorgefahren.“

„Wachsen, wachsen, wachsen,“ das war für Seitz die goldene Strategie der ersten Jahre. Er habe immer an sich und das Unternehmen geglaubt. „Wenn du Nummer 40 bist in Deutschland und du hast noch einige Unternehmen vor dir, die du überholen kannst, hat mir das noch mehr Motivation verschafft.“

Eine wichtige Plattform seien für ihn die internationalen Messen gewesen – „ich war sogar mit meiner Frau alleine in Birmingham auf der Messe, die Kinder waren damals noch in der Schule,“ blickt er zurück. Froh sei er, dass er auf seine Kinder zählen konnte. „Dirk und Patrick hätten auch andere Wege gehen können, aber mein Glück ist, dass meine Söhne bei aluplast geblieben sind.“ Seitz selbst sieht sein Vermächtnis in guten Händen. „Wir investieren kräftig in Gebäude, Anlagen und in Werkzeuge, das ist ein Muss. Firmenüberschüsse werden wieder reinvestiert. So geht es immer weiter voran!“ Dem Kunststofffenster traut er noch sehr viel zu – dabei sieht er es als wichtige Herausforderung für das Unternehmen an, „nicht den Trend zu verpassen und als aluplast auch immer tolle Trends zu setzen.“ An diesen Trends möchte er immer noch teilhaben, so wird er auch als 84-Jähriger quasi täglich im Unternehmen gesehen – und sein Rat ist gefragt
.www.aluplast.de

Manfred J. Seitz hat vor 40 Jahren die aluplast gegründet.

Foto: Daniel Mund / GLASWELT

Manfred J. Seitz hat vor 40 Jahren die aluplast gegründet.