GLASWELT – Die Klaes Software ist bei vielen Fensterbauern die Basis ihrer Fensterproduktion. Damit haben Sie das Ohr am Markt. Wie stellt sich bei Ihren Anwendern in Deutschland die Situation im Corona-Jahr dar?
Lars Klaes – Wir hören, dass die produzierenden Betriebe gut zu tun haben. Einen Einbruch durch die Pandemie sehen wir nicht. Viele hatten noch einen langen Vorlauf aus bestehenden Projekten. Allerdings blicken die Fensterbauer auch vorsichtig in die Zukunft und fragen sich, ob der Auftragseingang im Jahresverlauf so hoch bleiben oder der Fenstermarkt einen Rückgang erleben wird.
Gerade was den öffentlichen Bau angeht, sind die Firmen eher skeptisch.
Stefan Müller – Es gab auch teilweise erhöhten Abstimmungsbedarf oder es wurden Montagetermine verschoben. Problematisch wurde es beispielsweise auch bei einem Fensterbauer, der eine neue Maschine geliefert bekommen sollte. Ihm wurde ein lokales Einreiseverbot zum Verhängnis, der Anliefertermin konnte nicht eingehalten werden. Auch wir waren dabei betroffen, da wir im Zuge der Anlagenlieferung die Software aufspielen mussten. Das Lieferverbot wurde übrigens dann gerichtlich aufgehoben…
GLASWELT – Schauen wir auf das Softwarehaus Klaes. Ihr Vater war als Student in Rosenheim …
Miriam Berzen – Unser Opa hatte hier in der Eifel eine Bauschreinerei und mein Vater hatte sich während seines Holztechnik-Studiums in Rosenheim gedacht, seinem Vater die praktische Arbeit in der Werkstatt zu erleichtern. Es ging darum, das Aufmaß des Glases zu digitalisieren anstatt die Glasmaße zu ermitteln, wenn die Fenster bereits produziert wurden. Dieses Programm stieß in den 1980er-Jahren auf großes Interesse und zahlungswillige Abnehmer und so gründete er noch während seines Studiums seine eigene Software-Firma.
In manchen Ländern waren wir auf der Überholspur und mussten jetzt eine absolute Notbremse einlegen.
Foto: Daniel Mund / GLASWELT
GLASWELT – Damals ging es erst einmal um den Werkstoff Holz?
Klaes – Zunächst ja, aber 1988 hatte mein Vater bereits das Kunststofffenster im Blick.
GLASWELT – Was waren rückblickend die wichtigen Meilensteine?
Klaes – Da gab es viele, wie beispielsweise unsere erste Maschinenansteuerung. Auch das Angebot, bei uns alles aus einer Hand zu bekommen. Das bedeutet: Die PCs und die Server wurden bei uns selbst gebaut und installiert. Wichtig war natürlich auch die Ausweitung auf weitere Materialwerkstoffe. Ein wichtiger Schritt war auch der Umzug hier nach Bad Neuenahr-Ahrweiler in dieses Gebäude – damit war Platz für weiteres Wachstum gegeben, wir konnten unsere Gäste und Kunden hier betreuen und schulen und wir wurden als Systemhaus regional aktiver.
Müller – Extrem wichtig war auch der Schritt ins Ausland für uns, also die Ausdehnung zunächst nach Tschechien und dann in weitere Länder östlich unserer Grenzen. In Tschechien haben wir übrigens noch einen höheren Marktanteil als hier in Deutschland. Ein weiterer wichtiger Markt ist für uns natürlich China.
GLASWELT – Wie sind Sie beide, Frau Berzen und Herr Klaes, im Familienunternehmen gelandet? Wann sind Sie in die Leitung eingestiegen?
Berzen – Das hatte sich eigentlich schon sehr früh abgezeichnet. Ich habe Bürokauffrau gelernt und BWL studiert und während des Studiums hier im Büro mitgeholfen. 2013 haben wir dann die Verantwortung übernommen.
Klaes – Nach der Schreinerlehre habe ich auch wie mein Vater Holztechnik studiert. Mein Weg war für den Einstieg hier geebnet. Wir waren ab 2013 noch zwei Jahre zu dritt in der Geschäftsleitung, bis sich schließlich mein Vater 2015 aus dem Unternehmen zurückgezogen hatte.
GLASWELT – Wie haben Sie sich jetzt die Aufgaben in der Geschäftsleitung aufgeteilt?
Klaes – Wir haben uns das so organisiert, dass meine Schwester den kaufmännischen Bereich leitet und ich den technischen Teil mit der Softwareentwicklung und der Anwendungstechnik. Aber wir sind Teamplayer, jeder weiß über alles Bescheid.
GLASWELT – Wie viel Mitarbeiter arbeiten für und bei Klaes?
Berzen – Wir kommen mittlerweile auf 265 Mitarbeiter/-innen in 27 Ländern.
GLASWELT – Offensichtlich ist Klaes auch international gut etabliert …
Klaes – Unsere Software wird weltweit in über 50 Ländern genutzt. Es gibt 26 Sprachversionen unserer Anwendungen, die von den Klaes-Teams also von eigenen Mitarbeitern übersetzt und gepflegt werden.
GLASWELT – Wie wichtig sind die ausländischen Aktivitäten? Welche Auswirkungen haben Sie in der Pandemie-Phase auf Ihre Geschäfte gespürt?
Berzen – Noch dominiert für uns der deutsche Markt. Das Ausland trägt zu einem guten Drittel zum Umsatz bei. Den Corona-Einbruch haben wir früh in China verspürt. Die Auftragseingänge sind dort sehr stark eingebrochen.
GLASWELT – Haben Sie Ihre Umsatzerwartungen zurückgeschraubt?
Berzen – In manchen Ländern waren wir auf der Überholspur und mussten eine absolute Notbremse einlegen. Vor der Pandemie sind wir noch von einem guten Wachstum ausgegangen, nachdem die letzten Jahre auch schon sehr erfolgreich waren. Das wird in diesem Jahr schwierig. In China werden wir einen Rückgang von über 10 Prozent verkraften müssen. Anders aber Klaes Tschechien: Dort werden wir auch dieses Jahr zulegen, von einer Notbremse sind wir dort weit entfernt. Auch Deutschland läuft aus unserer Sicht her gut.
Müller – Wir liegen in Deutschland eigentlich im Plan. Entscheidend wird die zweite Jahreshälfte, was Neuaufträge und Projekte betrifft. Wir hätten natürlich gerne einen gewissen Schub von der FENSTERBAU mitgenommen, die Messe ist für viele Fensterbauer auch die Gelegenheit, einen Projektstart zu markieren. Jetzt müssen wir schauen, dass wir unsere Themen, Ideen und Projekte auch ohne eine Messeplattform zu den Fensterbauern bringen.
Bevor die Maschine nicht das alles produziert, was sie auch können soll, geht unser Mann nicht aus dem Haus.
Foto: Daniel Mund / GLASWELT
GLASWELT – Konzentrieren Sie sich im Anwendungsbereich hauptsächlich auf den Fensterbau, oder haben Sie auch andere Branchen im Blick?
Klaes – Wir sind auch in der Fassade aktiv, das stellt einen großen Wachstumsmarkt für uns dar. Auch hier bieten wir einige Alleinstellungsmerkmale, ausgehend von unserem echten 3D-Datenkern. Übrigens basiert auch der Türdesigner darauf.
GLASWELT – Es gilt bei der Software für Fensterbauer: Never change a running system. Wie häufig kommt es trotzdem vor, dass sich ein Fensterbauer dazu überwindet, die Software zu wechseln?
Müller – In Summe haben wir in Deutschland 50 bis 70 Umstellungen oder Neukunden im Jahr. Aber dabei sprechen wir nicht nur von reinen Fensterherstellern sondern auch von Handelshäusern oder von Kunden, die unsere Fassaden-, Web- oder Türlösungen in Anspruch nehmen.
GLASWELT – Können Sie wesentliche USPs Ihrer Software nennen?
Klaes – Wir verkörpern für unsere Kunden ein hohes Maß an Sicherheit. Ein weiterer wichtiger Punkt ist der Service und die Zusammenarbeit und Vernetzung mit der Zulieferindustrie.
Müller – Dabei geht es auch darum, dass die Beschlagsanbieter und Profilsystemgeber ihre Daten im Klaes-Format bereitstellen. Dann geht eine Umstellung oder eine Maschinenansteuerung sehr viel leichter von der Hand, alle Produkte und Maschinen sprechen die gleiche Sprache. Dazu haben wir durch eine völlig andere Herangehensweise an die Maschinenansteuerung die ausufernden Variantendefinitionen deutlich beschränken können. Dadurch geht eine Stammdatenimplementierung viel zügiger vonstatten.
Nicht zuletzt möchte ich auf den Klaes-Spirit, den der Gründer Horst Klaes uns allen in die Wiege gelegt hat, hinweisen: Bevor die Maschine nicht das alles produziert, was sie auch können soll, gehen unsere Experten nicht aus dem Haus. Wir schließen Projekte komplett ab und halten auch die Versprechungen, die am Anfang gemacht wurden.
GLASWELT – Wie viel Fenster werden in Deutschland mit Klaes produziert?
Klaes – Das erfassen wir nicht, wir wissen aber durch eigene Marktbefragungen, dass mehr als 60 Prozent der Fensterhersteller mit unserer Software arbeiten.
GLASWELT – Was sind die Sorgen der Fensterbauer in Sachen Software?
Klaes – Sie brauchen einen Partner, auf den sie sich verlassen können, aber der auch innovativ ist und Prozesse im Blick hat, die in Zukunft noch smarter und noch effizienter gestaltet werden können.
Wir wissen, dass wir mehr als 60 Prozent der Fensterhersteller in Deutschland mit unserer Software ausgestattet haben.
Foto: Daniel Mund / GLASWELT
GLASWELT – Was sind Ihre Innovationsfelder?
Klaes – Wir haben uns sehr viel Know-how im 3D-Bereich aneignen können. Stammdaten liegen bei uns im Aluminiumbereich jetzt dreidimensional vor. Diese Expertise haben wir durch die Fassaden- und Wintergartenlösung Klaes 3D gewonnen und wollen das auch nutzen und in die Fensterwelt auf die anderen Materialarten übertragen.
Darüber hinaus schauen wir uns Montagebetriebe genauer an. Ziel ist dabei, diese Betriebe in die Prozesskette mit den Fensterlieferanten erfolgreich einzubeziehen.
GLASWELT – Klaes web trade ist für Sie dann der Einstieg in dieses Thema gewesen?
Klaes – Genau, diese online-Lösung zielt in diese Richtung, weil sich die Eingabesystemmatik genau an die Nutzer richtet, die wenige Fenster in der Woche erfassen. Der Händler kann schon nach einer 1-2 stündigen Einweisung mit der Lösung arbeiten.
GLASWELT – Wird in Zukunft die Augmented Reality App für die digitale Verkaufsunterstützung sorgen?
Klaes – Augmented Reality wird im Verkauf und auch in der Fertigung immer wichtiger. Ich bin der festen Überzeugung, dass dieser Bereich sich noch deutlich ausweiten wird. Unsere Visualisierung mit Klaes 3D läuft auf normalen Tablets und Smartphones. Nach nur wenigen Klicks kann man durch die Konstruktion gehen und dabei alle Details live betrachten.
GLASWELT – Sie haben die Lösung Alu plus entwickelt, mit der Sie auch Aluminiumfenster-Hersteller bedienen möchten…
Klaes – Das ist vor allem für die Mischbetriebe interessant, bei denen dann alles über eine Lösung laufen kann. Und wir können jetzt beides: Fremdsoftware in unser System integrieren oder auch als Komplettanbieter auftreten.
GLASWELT – Frau Berzen, Herr Klaes und Herr Müller: Herzlichen Dank für den Empfang und das interessante Gespräch hier in Bad Neuenahr!
Das Interview führte Chefredakteur Daniel Mund.
Die Klaes Produktlinien
Das Softwarehaus bietet für alle Unternehmensgrößen maßgeschneiderte Lösungen für die Fenster-, Türen-, Fassaden- und Wintergartenbranche. Von flexiblen Softwarelösungen für den Bauelementehandel bis hin zu vollintegrierten und durchgängigen ERP Lösungen für die industrielle Produktion.
Die Module teilen sich auf in:
Hier wird der digitale Workflow Realität
Nicht nur mehr Produkte sorgen für Herausforderungen, sondern auch die immer kürzeren Lieferzeiten und gesplittete Liefertermine. Mit den Klaes Werkzeugen könnten diese Anforderungen digital erfüllt werden. Egal ob es dabei um Kapazitätsplanung, Warendisposition oder die eigentliche Produktion gehe.
Einheitliche Arbeitsabläufe seien nur möglich, wenn alle Produkte in einer Lösung verwaltet werden, ist die Überzeugung des Software-Experten Lars Klaes. „Deshalb haben wir die Materialart Alu plus entwickelt. Pilotkunden arbeiten bereits erfolgreich mit der neuen Lösung für Aluminium-Fenster.“
Der digitale Klaes-Workflow erstrecke sich auch über den LV-Austausch per GAEB und das Aufmaß am Bau sowie den Austausch von Dokumenten. Im Hintergrund werden CE- und Leistungserklärungen erstellt und Kunden können ihre Aufträge „tracken“. Der Klaes TürDesigner ist die Softwarelösung für die individuelle Gestaltung und Produktion von Haus- und Zimmertüren. Rahmentüren und auch frei gestaltete Vollblatttüren können damit in den Gesamtworkflow integriert werden.
Augmented Reality einfach nutzen: Pergola-Systeme, Überdachungen, Ganzglas-Schiebeanlagen – die Software wird mittlerweile für immer mehr Konstruktionen aus Profilen und Flächenelementen eingesetzt. Die Augmented Reality App sorge für die digitale Verkaufsunterstützung. Mit dem Tool können die Konstruktionen (z. B. ein Wintergarten) virtuell live vor Ort an ein Haus gestellt und aus allen Richtungen betrachtet werden.
Klaes tritt darüber hinaus auch als Hardware-Anbieter auf, das Angebot ist umfassend: klassische Terminalserver, hochperformante Spezialserver, Cloud-Services zur Datensicherung und mehr.