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Gedanken zum Lüften von Jürgen Sieber

Was hat das Lüftungsthema mit der Malaria zu tun?

Manfred Rommel, der ehemalige Oberbürgermeister von Stuttgart sagte einmal anlässlich der Eröffnung einer Fensterbaumesse auf dem alten Stuttgarter Messegelände: „Die ältere Generation möchte unbedingt die Fenster geschlossen halten, weil sie sich am Luftzug stört, während die junge Generation gerne die Fenster öffnet, da sie Gicht und Rheuma nur vom Hörensagen kennt. So entzündet sich am Fenster der Generationenkonflikt.“

In der Tat liegt im Thema Lüften ein gewaltiges Streitpotenzial. Denn wer möchte sich schon gerne anhören müssen, dass er „falsch lüftet“. Auch wenn dies laut einer Untersuchung der TU-Dresden in ca. 80 Prozent aller Fälle stimmt.

Allerdings muss man unumwunden zugeben, dass in den neuen, sehr dicht erstellten Häusern ein effektives Lüften über das Öffnen der Fenster immer schwieriger wird. Wenn dann noch die Bauherren von Niedrigenergie-Häusern mit stolzgeschwellter Brust erzählen, dass der Blower-Door-Test in ihrem Haus eine „Undichtigkeit“ von 0,6 n50/h ergeben hat, dann ist für den Fensterbauer Vorsicht geboten. Zumindest dann, wenn der Planer keine Lüftungsanlage vorgesehen hat.

Zum einen fehlt es am nötigen Luftwechsel für den Feuchteschutz, zum anderen stellt sich in einem solchen Haus ein ganz individueller Mief ein, der in Oberschwaben gerne mit dem Begriff „Hausgschmack“ betitelt wird.

Mal’ari = Schlechte bzw. „kranke“ Luft

Die Krankheit Malaria wurde im Mittelalter auf „schlechte Luft“ zurückgeführt, was auf Latein „mal’ aria“ genannt wird. Ob der für diese Krankheit zuständige Heilige Ignatius von Loyola auch bei schlecht gelüfteten Wohnungen hilft, ist allerdings fraglich.

In dichten Häusern stellt sich in der kalten ­Jahreszeit leicht ein Druckgefälle von 10 bis 15 Pascal ein, was bedeutet, dass warme Raumluft in die Fensterfälze drücken kann, welche dort zu Tauwasser kondensiert und zu Schimmelpilz führt. Während die Bauherrschaft den Schimmelpilz im Urlaub in einem italienischen Wein- oder Käsekeller als durchaus „romantisch“ empfindet, werden dieselben Gefühle nicht auf eine verschimmelte Fensterfuge ­übertragen.

Bei solchen Projekten ist es für Fensterbauer ratsam, sich im Vorfeld über ein Lüftungskonzept zu informieren, welches in seiner Anwendung im Übrigen nicht schwer ist. In meiner Firma verfügen wir über zwei entsprechende Kalkulationsprogramme. Wir montieren seit Jahren motorisierte, dezentrale Lüftungsanlagen, was für einen Fensterbauer kein großes Hindernis darstellt. An der ­Fensterakademie in Karlsruhe wurde in Schulungen schon gelehrt, wie solche Anlagen zu montieren sind. Wenn man dann noch konsequent in den Angeboten auf ein Lüftungskonzept hinweist und ein Alternativangebot über diese Anlagen beifügt, kann man einem Streit über Schimmelpilzbildung leicht den Wind aus den Segeln nehmen. Mit dem Bauherren-Hinweis: „Wir haben Ihnen mit den Fenstern doch auch eine Lüftungsanlage angeboten, sollen wir diese jetzt nachrüsten?“, kann man lange Diskussionen zum Thema „richtiges Lüften“ schnell beenden. Auf dass sich der Generationenkonflikt an anderen Dingen entzündet.

Jürgen Sieber ist Betriebswirt und Glaser­meister, ö.b.u. v. Sachverständiger für das Glaser- und Fensterbauer-Handwerk. Zusätzlich unterrichtet er an der Meisterschule für Glaser- und Fensterbauer in Karlsruhe.

Schimmelnde Fälze in einem Kunststofffenster mit ­innerer Überschlagsdichtung

Foto: Jürgen Sieber

Schimmelnde Fälze in einem Kunststofffenster mit ­innerer Überschlagsdichtung

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