2009 formulierte das ift eine wichtige Grundregel für den Bau eines bauphysikalisch optimal konstruierten Fensters: „Die Mitteldichtung ist diffusionsoffener auszuführen als die raumseitige Überschlagsdichtung.“ Dass diese Regel sinnvoll ist, steht außer Frage. Dass sie dennoch bislang weitgehend unbeachtet blieb, ist mindestens erstaunlich.
Deventer allerdings erkannte die Bedeutung dieser Grundregel und initiierte deshalb 2014 ein umfangreiches Forschungsvorhaben. Aufgrund seiner hohen Relevanz wurde es von der Initiative „Zentrales Innovationsprogramm im Mittelstand“ gefördert. ZIM ist ein Förderprogramm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz.
Kein Feuchtestau im Fensterfalz
Über die Ergebnisse freut sich Jürgen Daub, Leiter F&E und des Produktmanagements bei Deventer: „Wir sind wirklich stolz darauf, dass es uns gelungen ist, unser Dichtprofil zur Serienreife zu führen. Es ermöglicht Fensterherstellern, die über zehn Jahre alte Forderung des ift zu erfüllen.“
Als Mitteldichtung eingesetzt, verbessere das neue, diffusionsoffene Dichtprofil den Abbau von Feuchtigkeit im Beschlagfalz derart, dass man von einer „echten Revolution im Fensterbau“ sprechen dürfe. Schimmelbildung im Falz könnte der Vergangenheit angehören, wenn sich der neue Profiltyp als Mitteldichtung durchsetzt, so Daub.
„Fast immer, wenn es zur Schimmelbildung kommt, entbrennt der Streit um das Thema Nutzerverhalten und Lüften“, beschreibt Daub eine bekannte Problematik. „Natürlicherweise sehen die Nutzer die Verantwortung nicht bei sich. Bestärkt werden sie durch richterliche Entscheide, laut derer es berufstätigen Menschen nicht zuzumuten sei, über den Tag verteilt fünfmal zu lüften.“ Gerichtsverfahren liefen immer häufiger darauf hinaus, dass im Einzelfall die baulichen Gegebenheiten individuell geprüft werden müssen. „So sollen eventuelle gebäudetechnische Ursachen für eine Schimmelbildung aufgedeckt werden, was schwierig und aufwendig ist, wie jeder Praktiker weiß.“ Anzahl und Komplexität der Prozesse gegen Vermieter und Fensterhersteller könnten also in Zeiten nachträglich gedämmter Fassaden und des sich weiter verstärkenden Risikos einer Kondensatbildung im Fenster zunehmen.
Kondensat an der kältesten Barriere der Gebäudehülle
Warum sich das Risiko für den Fensterhersteller vergrößert, erklärt Daub wie folgt: „Gut gedämmte Häuser ohne automatische Lüftungsanlage haben ein Problem: Wird der Temperaturunterschied zwischen innen und außen groß, fällt Feuchtigkeit aus der Raumluft als Kondensat an der kältesten Barriere der Gebäudehülle aus. Oft liegt diese heute im Falz der Fenster.“ Das wussten das ift und mit ihm viele Praktiker auch schon 2009. Doch eine Lösung für dieses Problem war nicht leicht zu finden.
Wie muss ein Dichtprofil ausgeführt werden, damit ein Fenster so dicht wie gewünscht ist, aber Feuchtigkeit diffundieren kann, sobald die Luftfeuchtigkeit außerhalb des Gebäudes niedriger ist als im Falz? „Deventer hat im Laufe des Forschungsprojekts die Antwort auf diese Frage gefunden“, berichtet Daub. „Die patentierte Lösung ist da. Nun müssen wir sie gemeinsam in den Markt bringen.“
Schimmel kann entstehen, wenn auf einer Fläche drei Tage lang eine Luftfeuchtigkeit von rund 80 % oder mehr herrscht. „Dann bildet sich der sogenannte Fruchtkörper, den die Menschen als schwarze Ausblühung wahrnehmen.“ Es gibt also einen „kritischen Feuchtewert“, wie Daub formuliert.
Auf Klimadifferenz-Prüfständen des Fraunhofer Instituts in Stuttgart hatte Deventer deshalb im Rahmen des Forschungsprojekts den Ablauf der Jahreszeiten, Temperaturverlauf und Feuchtebildung in verschiedenen Fensterprofilen unter Einsatz diverser Dichtungen simuliert. Das Ergebnis: Mit einer neuartigen, speziell bearbeiteten Dichtung war es möglich, die Menge der Feuchtigkeit im Beschlagfalz um bis zu 12 Prozent zu verringern.
Schneller trocken dank diffusionsfähiger Dichtung
„Wir mussten mit unserer neuen Dichtung erreichen, dass im Fensterfalz die Luftfeuchtigkeit möglichst immer unterhalb von 80 Prozent liegt. Das ist dann der Fall, wenn das Abtrocknen der Feuchtigkeit im Falz außer bei sehr nassem Wetter eigentlich immer möglich ist.“ Gesucht war also eine Ausführung der Mitteldichtung, die ein Ablüften des Falzes ermöglicht, sobald die natürlichen Voraussetzungen für die Diffusion gegeben sind.
Die Herausforderung bestand allerdings darin, eine diffusionsfähige Ausführung zu finden, die Verschlechterungen der Regen-, Wind- und Schalldichtigkeit vermeidet. „Als wir die Eigenschaften des Dichtprofils schließlich definieren und im Labor seine Wirksamkeit nachweisen konnten, kam unser Forschungsprojekt zum denkbar besten Abschluss“, freut sich Daub.
Wird der Mehrpreis für echten Mehrwert akzeptiert?
Inzwischen sei die dabei erarbeitete Innovation durch ein Patent geschützt und einigen Fensterherstellern vorgestellt worden.
Deventer sei in der Lage, das neuartige TPE- Dichtprofil zu produzieren, müsse aber hochwertige Werkzeuge und Anlagen anschaffen, um die von großen Herstellern benötigten Mengen zuverlässig liefern zu können. „Ein für die gesamte Branche lohnendes Invest, wenn die Nachfrage stimmt. Trauen sich Fensterhersteller zu, ihren Kunden einen Aufpreis für diesen echten Mehrwert zu erklären, steht Deventer als verlässlicher Lieferant bereit.“
Mehr Sicherheit für Alt- und Neubau
Hersteller, die ihre Kunden und Endnutzer vor unerfreulichen Diskussionen über „schwarze Flecken“ im Fenster bewahren wollen, sollten ihre Fenster zukünftig mit einer tatsächlich diffusionsfähigen Mitteldichtung ausrüsten. „Auch in der Zukunft werden die allermeisten Fenster im Rahmen von Sanierungen in Gebäude eingebaut, die nicht über eine automatische Lüftung ausreichend entfeuchtet werden“, unterstreicht der Forschungsleiter abschließend.
„Unsere Branche tut also gut daran, mit optimalen Komponenten Bauelemente herzustellen, die es dem Endnutzer gestatten, genau so zu leben und zu lüften, wie es seinem Lebensstil entspricht.“ Darüber hinaus stehe außer Frage, dass auch im Neubau der Einsatz von Fenstern, die bauphysikalisch korrekt abgedichtet sind, mehr als zu empfehlen sei.