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Das Fenster als passives Haustechnikelement

„Coole Fenster“ für das Raumklima

Schon jetzt gibt es aufgrund der Klimakrise gerade im dicht verbauten, urbanen Raum eine spürbare Zunahme heißer Tage mit Temperaturen über 30 °C mit darauffolgenden Tropennächten. Solche physiologisch herausfordernden klimatischen Verhältnisse haben eine negative Auswirkung auf Gesundheit und Behaglichkeit in Wohngebäuden. Gleichzeitig ist sogar unter den ungünstigsten klimatischen Zukunftsszenarien in der Winterzeit nach wie vor mit einer ausgeprägten Heizperiode zu rechnen.

Sommerfall ohne Klima­geräte?

Im Gegensatz zum winterlichen Wärmeschutz ist der Sommerfall erst im letzten Jahrzehnt vermehrt in den Fokus gerückt. Häufig wird darauf unter hohem Energieeinsatz mit der Verwendung von Kleinklimageräten mit schlechtem Wirkungsgrad reagiert. Zum hohen Ressourceneinsatz kommen hier aber die Probleme der Abwärme und der Lärmentwicklung hinzu. Dem gegenüber steht das große Potenzial des außenliegenden Sonnenschutzes, um sommerliche Überhitzung im Innenraum zu begrenzen. Bei Untersuchungen von Sonnenschutz und Fenster wurde der Fokus bisher meist entweder auf den Schutz vor sommerlicher Überwärmung oder den winterlichen Wärmeschutz gelegt. Die einseitige Betrachtung ist jedoch problematisch, da beide Fälle gegenläufige Anforderungen an das Fenster stellen. Zudem wird die Tageslichtverfügbarkeit meist nicht mitberücksichtigt.

Auf der Suche nach der eierlegenden Wollmilchsau

Im Projekt ‚Coole Fenster‘, im Zuge einer Kooperation von HFA und TU Graz, sollte daher das Fenster und seine Zusatzkomponenten (Sonnenschutz etc.) erstmals ganzheitlich als passives Haustechnik-Element verstanden werden, das in Abhängigkeit von Jahres- und Tageszeiten die jeweiligen Anforderungen optimal erfüllt. ­Hierzu wurden Aspekte wie Fenster- und Beschattungsart, Beschattungssteuerung, Lüftung etc. in Bezug auf Tageslichtversorgung und Energiebedarf ganzjährig integrativ optimiert, um im urbanen Wohnbau unter künftigen Klimabedingungen ein geeignetes Raumklima möglichst ohne den Einsatz aktiver Kühlung sicherstellen zu können.

Kühlen und Heizen – Wie geht das zusammen?

Für die Simulationen zur Optimierung der ‚Coolen Fenster‘ wurde unter Zugrundelegung eines ungünstigen innerstädtischen Prognoseklimadatensatzes (RCP8.5) für Wien im Jahr 2050 eine Referenzwohnung mittels Gebäudesimulation untersucht und vier Zielgrößen beurteilt: Tageslichtversorgung, Heiz- und Kühlbedarf sowie thermischer Komfort. Diese werden durch zahlreiche Parameter beeinflusst (Verglasungseigenschaften, bauliche Verschattung, bewegliche Beschattung, etc.), die selbst bei grober Abstufung eine ausufernd hohe Anzahl an Kombinationsmöglichkeiten ergeben. In einem ersten Schritt erfolgte eine Eingrenzung der Parameter.

Ebenso wurde festgelegt, dass die Variantenstudie unter Zugrundelegung zweier Gebäudestandards erfolgt, nämlich einem in Bezug auf Heiz- und Kühlbedarf schlechten, aber im Gebäudebestand durchaus vorhandenen Standard („Worst Case“) und einem mit heute üblicher Bauweise im Sanierungsfall („Standardausführung“).

Das verwendete, auf Berechnungsverfahren von „EnergyPlus“ basierende Simulationsprogramm „DesignBuilder“ beinhaltet ein statistisches Verfahren um konfliktäre Zielgrößen zu optimieren.

Auf die so gewonnen Daten wurde eine multiple lineare Regression angewandt. Mit diesem statistischen Verfahren kann eine bestmögliche Funktion zwischen den jeweiligen Zielgrößen in Abhängigkeit der einzelnen Parameter abgeleitet und in Form von Einflussmatrizen dargestellt werden. Gegenüber der Gebäudesimulation kann somit eine mit geringerem Aufwand durchführbare Abschätzung der Auswirkung unterschiedlicher Parameterkonstellationen ermöglicht werden.

Das sind die Ergebnisse

Letztendlich konnten von über zwölftausend durchgeführten Gebäudesimulationen grundlegende Erkenntnisse zu den Auswirkungen der Eigenschaften des Fensters sowie dessen Beschattung auf die Wohneinheit abgeleitet werden.

Die Auswertung der Simulationsergebnisse zeigte, dass allgemeingültige Aussagen zu isolierten Eigenschaften, aufgrund der komplexen Interaktion der vielfältigen Einflussparameter, nur begrenzt gültig sein können. Eine zielsichere, an die projektspezifischen Randbedingungen angepasste Auswahl an aufeinander abgestimmten Produktparametern von Fenstern und Beschattungen ist daher für optimale Ergebnisse erforderlich (die wesentlichen allgemeingültigen Erkenntnisse und Empfehlungen sind in der Factbox zusammengefasst).

Prognosetool optimiert individuell

Im Zuge dieses Sondierungsprojektes konnte die Grundlage gelegt werden, für die Planung eines individuell projektbezogen optimierten passiven Haustechnikelementes „Coole Fenster“ ein einfach zu bedienendes Prognosetool erstellen zu können. Mit dessen Hilfe soll es möglich werden das Produkt „Cooles Fenster“ für beste Ergebnisse in Hinblick auf eine Reduktion des Heiz- und des Kühlenergiebedarfs, unter zeitgleicher Berücksichtigung einer guten Tageslichtverfügbarkeit individuell zu optimieren.

Soviel Energie lässt sich einsparen

Schon in der Sondierungsstudie hat sich gezeigt, dass im Vergleich zu üblichen Ausführungen der untersuchten Baustandards durch die Auswahl der richtigen Komponenten bei Fenster und Beschattung und entsprechende Steuerung durchaus bis zu ca. 50 Prozent der Kühlenergie und bis zu ca. 30 Prozent der Heizenergie einsparen lassen. Bei Verzicht auf technische Kühlung kann die Raumtemperatur an Hitzetagen durch die Anordnung von „coolen Fenstern“ allein um bis zu ca. 6 K gesenkt werden. Weitere Optimierungen sind in Hinblick auf komplexere, smarte Steuerungen von Beschattungseinrichtungen denkbar. In diese Richtung besteht weiterer Forschungsbedarf, ebenso wie zur Weiterentwicklung des Regressionsmodells hin zum benutzerfreundlichen Prognosemodell. Diese Erkenntnisse werden als Empfehlungen für Hersteller, Planer und Konsumenten in einem Merkblatt vereinfacht zusammengefasst.

Autoren:

Vera Stiegler, Rupert Wolffhardt, Julia Bachinger, Peter Schober (HFA)

Heinz Ferk, Christopher Leh, Selina Vavrik-Kirchsteiger (TU-Graz)

Referenzwohnung „Worst Case“ mit Schattenwurf am 15. März um 16 Uhr

Grafik: Holzforschung Austria / TU Graz

Referenzwohnung „Worst Case“ mit Schattenwurf am 15. März um 16 Uhr
Punktwolke der simulierten Varianten einer Optimierungs-Simulation mit Darstellungen der optimalen Lösungen auf der Pareto-Front (rot).

Holzforschung Austria / TU Graz

Punktwolke der simulierten Varianten einer Optimierungs-Simulation mit Darstellungen der optimalen Lösungen auf der Pareto-Front (rot).
Simulierter Innentemperaturverlauf ohne technische Kühlung über fünf Tage während einer Hitzewelle. Blau: Ug = 1,1 W/(m²K) ohne Beschattung, rot: Ug = 0,5 W/(m²K) mit optimierter außenliegender Beschattung.

Holzforschung Austria / TU Graz

Simulierter Innentemperaturverlauf ohne technische Kühlung über fünf Tage während einer Hitzewelle. Blau: Ug = 1,1 W/(m²K) ohne Beschattung, rot: Ug = 0,5 W/(m²K) mit optimierter außenliegender Beschattung.

PROJEKT COOLE FENSTER

  • Fördergeber: Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft mbH (FFG)
  • Förderschiene: Stadt der Zukunft
  • Unterstützer: Plattform Fenster Österreich, Bundesverband Sonnenschutztechnik
  • Wissenschaftliche Partner: Holzforschung Austria, Technische Universität Graz