Fragen an den Chefredakteur des TGA Fachplaner, Jochen Vorländer
Frage 1 – Wie intensiv befassen sich die Architekten bei der Planung mit dem Thema Gebäudesteuerung?
Antwort – Die besten Voraussetzungen gibt es, wenn der Architekt Überzeugungstäter und nicht vom Bauherren oder den Baubeteiligten überzeugter Täter für eine Haus- oder Gebäudeautomation über dem Standard ist. Das ist heute eher selten der Fall. Da die Gewerke Fassade (Sonnenschutz und ggf. Lüftung über automatisierte Fenster oder in das Fenster oder die Fassade integrierte Systeme), Beleuchtung und Zutrittskontrolle (Türkommunikation und Türöffnung) aber sehr nah am Leistungsbild der Architekten liegen, gibt es jedoch eine gute Ausgangslage. Wichtig ist, dass möglichst frühzeitig im Planungsprozess ein Impuls pro vernetzte Gebäudesteuerung kommt (müsste eigentlich der Architekt übernehmen) und es einen übergeordneten Verantwortlichen (TGA- oder Elektroplaner) gibt. Vernetzte Lösungen sind heute insbesondere bei hoher Vorfertigung vorzufinden, beispielsweise bei hochwertigen Fertighäusern und Gebäuden mit Fassadenmodulen bzw. mit hohem Wiederholungsgrad (Achsenbauweise).
Frage 2 – Gibt es nach Ihrer Ansicht klare Prioritäten bei Gewerken wie der Heizung oder denkt man über ganzheitliche Lösungen nach?
Antwort – Ursprünglich ging die Hausautomation vom Gewerk Heizung aus. Das hat sich aber so nicht durchgesetzt. Denn sexy wird sie erst, wenn Beleuchtung, Verschattung, Türkommunikation, Lüftung und Sicherheit (Rauchwarn- und CO-Melder, Einbruchmeldung, Leckageschutz) integriert werden. Der Schlüssel ist ein einheitliches und an Smartphones angelehntes Bedienkonzept. Ein relativ neuer Bereich ist die Optimierung des Eigenverbrauchs an selbst erzeugtem Strom aus Photovoltaik- und BHKW-Anlagen. Es ist zu beobachten, dass die Erweiterungsfähigkeit von den Heizungsherstellern angeboten wird und ihre „Systeme zur Heizungssteuerung“ dafür offen sind.
Frage 3 – Wo sehen Sie das größte Potenzial, um mit Steuerungen die Energiebilanz von Gebäuden zu verbessern?
Antwort – In Wohngebäuden ohne Kühlung liegt das größte Potenzial bei der Heizung/Lüftung und neuerdings auch bei der Eigenstrom-optimierung (falls PV- oder BHKW-Anlagen vorhanden). Kommt Kühlung hinzu, spielt auch Verschattung eine größere Rolle. Wichtig sind in beiden Fällen Systeme, die über eine Wetterprognose vorausschauend agieren. In Bürogebäuden/Hotels kommt die Nutzungs- und Anwesenheitsdetektion hinzu, über die sich thermische und elektrische Energie einsparen lässt. Vorteilhaft sind Bediensysteme, die dem Nutzer anzeigen, ob noch Sparpotenziale existieren oder alles im Grünen Bereich ist. Über die Vernetzung mit den Energieerzeugern lässt sich die herkömmliche Angebotsheizung/-kühlung/-lüftung in eine energiesparende Bedarfsheizung/-kühlung/-lüftung überführen. Einen nicht zu unterschätzenden Einfluss hat die Bedienung. Sie sollte einheitlich und weitgehend automatisiert sein, darf den Benutzer nicht überfordern und muss ihm jederzeit ein Übersteuern ermöglichen. Vernetzte Gebäudesteuerung lässt sich aber viel besser verkaufen, wenn nicht nur Energieeinsparung argumentiert, sondern Komfortsteigerung betont wird.
Fragen an den Chefredakteur der „photovoltaik“, Heiko Schwarzburger
Frage 1 – Wird Photovoltaik auch zukünftig eine Flächenlösung sein? Oder werden künftig eher kleinere Zellen für die Versorgung einzelner Rollladensysteme, Raffstoren, Lüftungsflügel, Garagentore, etc. verantwortlich sein?
Antwort – Solche Produkte gibt es bereits – in den Laboren. Allerdings sehe ich photovoltaische Rollladensysteme und Sonnenschutz vor allem in gewerblichen Anwendungen, beispielsweise an Bürogebäuden oder Fabriken. Dort sind die summierten Flächen groß genug, um den Einsatz der PV zu rechtfertigen. Auch lassen sich dafür leichter standardisierte Systeme entwickeln und umsetzen. Allerdings wird der kleinteilige PV-Sonnenschutz nur eine Nische darstellen. Das Gros sind Flächenlösungen auf oder im Dach sowie an der Fassade oder auf Wintergärten/Anbauten. Zur Stromversorgung von Garagentoren ist PV nur dann interessant, wenn die Anlage auf dem Dach der Garage installiert wird.
Fragen an die Chefredakteurin des Gebäudeenergieberater, Britta Großmann
Frage 1 – Berücksichtigen Gebäudeenergieberater bei ihren Bewertungen von Gebäuden das Thema Steuerung, wenn ja welche Kriterien spielen hier ein Rolle?
Antwort – Regelungen und Steuerungen – ganz gleich, ob es um Heizung, Beleuchtung oder Sonnenschutz geht – lassen sich in EnEV-Bewertungen, den öffentlich-rechtlichen Nachweisen und den zugehörigen Normen nur sehr vereinfacht berücksichtigen. Deshalb wirkt sich das auch wenig auf das Ergebnis solcher Bilanzen aus. Aber manche Energieberatungs-Software lässt eine detailliertere Erfassung zu und erlaubt dadurch auch eine bedarfsgerechtere Abbildung im Ergebnis.
Frage 2 – In wieweit spielen Steuerungen bei den Beratungstätigkeiten der Gebäudeenergieberater eine Rolle, um die Energieeffizienz von Gebäuden zu steigern?
Antwort – Regelungen und Steuerungen sind wichtige Themen, die jeder Energieberater berücksichtigen sollte. Denn er kann mit den Bewohnern – seinen Kunden – ausarbeiten, wie die Steuerungen eingestellt werden, sodass möglichst viel Energie gespart bzw. möglichst viel Sonneneinstrahlung als Energie gewonnen wird, ohne dass Abstriche bei der Behaglichkeit entstehen. Zwar können die ausführenden Handwerker prinzipiell auch die Werkseinstellungen bedarfsgerecht anpassen, doch das optimale Ergebnis entsteht im Zusammenspiel der gesamten regelbaren Gebäudetechnik. Hier können Energieberater eine wichtige Schlüsselaufgabe erfüllen.
Frage 3 – Welche Einsparungspotenziale sehen Sie im Bereich der Steuerungen?
Antwort – Immer wieder werden Prozentzahlen für die Einsparpotenziale genannt. Doch Pauschalaussagen halte ich für irreführend. Denn was tatsächlich eingespart werden kann, hängt vom individuellen Gebäude, den Nutzern und den richtigen Einstellungen ab. Nur wer es beherrscht, das Optimum herauszufinden, kann die energetischen Vorteile auch vollständig nutzen.
Fragen an den Chefredakteur der SBZ, Dirk Schlattmann
Frage 1 – Die Heizungsbranche gilt sozusagen als der Herr im Haus (auch mit Rückendeckung der EnEV), wenn es um das Energiemanagement im Gebäude geht. Ist da im Bereich der Steuerungen Raum für Gemeinsamkeiten mit anderen Gewerken?
Antwort – Selbstverständlich, die Regelungstechnik, bzw. Gebäudeautomation sollte mit anderen Bereichen verzahnt werden. Es macht eigentlich keinen Sinn mehrere Systeme parallel zu fahren. Heizungs- und Lüftungsanlagen gilt es mit Lichttechnik, Fenster- und Verschattungssystemen zu koordinieren. Doch leider ist es mit der Systemkompatibeltät oft nicht weit her. Eine Verzahnung findet, wenn überhaupt, meist nur bei größeren Anlagen wie Bürogebäuden oder Hotels statt.
Frage 2 – Wie stimmt sich der Architekt/Planer und Heizungsbauer bei der Energiebedarfsermittlung in Hinblick auf andere Gewerke ab, wenn beim Bauen im Bestand Heizungen neu berechnet werden müssen?
Antwort – In der Regel wird der Bauherr oder Architekt vom Handwerker oder Fachplaner zu den weiteren Gebäudesanierungsmaßnahmen befragt. Danach wird die Heizlast gemäß DIN EN 12831 ermittelt.
Frage 3 – Was für eine Rolle spielt das Thema Lüftung in Ihrem Bereich?
Antwort – Durch die immer dichteren Bauweisen kommt der kontrollierten Wohnungslüftung mit Wärmerückgewinnung ein immer höherer Stellenwert zu. Generell gibt es verschiedene Vorgaben, Richtlinien und Normen, die sich mit der Wohnungslüftung beschäftigen und jeweils unterschiedliche Angaben zu Luftwechselraten usw. liefern. Zudem gilt es gemäß der DIN 1946-6 generell ein Lüftungskonzept unter Einbeziehung des gesamten Wohnraumes zu erstellen und anlagentechnisch umzusetzen.
Fragen an den Kommunikationstrainer Klaus-Dieter Scholz
Frage 1 – Vernetzung ist ja auch eine Art der Kommunikation, wie erleben Sie die Zusammenarbeit der verschiedenen Gewerke?
Antwort – Umformuliert ist hier im wahrsten Sinne des Wortes „Netzwerken” das Zauberwort. Die Kommunikation muss hier auf mehreren Ebenen stattfinden. Von der Bedarfsermittlung des Kunden, den Möglichkeiten was zu welchem Preis geliefert werden kann, bis hin zu den beteiligten Fachplanern und Gewerken am Objekt. Aber auch nach der Installation ist die Kommunikation besonders wichtig, um den Nutzer in das gelieferte System einzuführen und das Verständnis für bestimmte Funktionsabläufe bei Wind etc. zu finden. Nur eine Steuerung, die ihre komplette Funktionen ausspielen kann, wird eine hohe Energieeffizienz erreichen.
Frage 2 – Was kann man aus Ihrer Sicht verbessern?
Antwort – Eigentlich ist es aus meiner Sicht ganz einfach. Man darf mit dem Verkaufen einfach nicht aufhören. Auch die Technik selbst muss verkauft werden, die Funktionen noch besser erklärt, Kundennutzen mehr auf den Punkt gebracht werden. Dazu muss ein Fachhändler allerdings extrem sicher und gut geschult sein. Das bedeutet eine genaue Analyse des eigenen Angebotes und die evtl. Frage, ob der aktuelle Lieferant das richtige Angebot hat. Mehrere Produktlinien verschiedener Anbieter mit unterschiedlichen Funktionsansätzen werden in der Regel zum Ergebnis haben, dass der Fachhändler mit der Flut der Informationen und ständigen Neuerungen überfordert ist. Damit ist keine optimale Beratung möglich, und es steht eher der Blick auf den Verkaufspreis im Vordergrund. Wer selbst von seinem angebotenen Produkt überzeugt ist, wird in der Regel der erfolgreichste Verkäufer sein. Denn der Kunde merkt, wenn die Augen leuchten.
Fragen an den Sachverständigen Olaf Vögele
Frage 1 – Wie geht der Sachverständige mit dem Thema Steuerungen und Energieeffizienz um?
Antwort – Grundsätzlich ist das eine sehr problematische Frage, da man sich mit Fragen zu den Steuerungen bereits im Bereich der Elektrotechnik und damit sehr schnell außerhalb von seinen Fachbereich befindet. Gerade das ist bei einem Gerichtsgutachten besonders wichtig. Bei Fragen zum Thema Steuerungen geht es aber viel weniger um Probleme mit den Steuerungsbauteilen selbst und deren Funktionalitäten, sondern meist um die Ablaufmatrix einer Steuerung. Das wiederum bedingt das Verständnis für die Funktionsweise bzw. Leistungsmerkmale bei Rollläden, Raffstoren & Co und vor allem den Randparametern Gebäudeausrichtung, Gebäudehöhe, Randbebauung, Windbelastung und Sonnenintensität. Auch das (bauphysikalische) Wissen im Bereich Glas, Fenster und Fassade ist gefragt. Das heißt die Elektriker verfügen über das Wissen, wie Steuerungen in ihrem innersten funktionieren müssen und Sachverständige aus den Bereichen Sonnenschutz und Fassaden, wie die Systeme eingesetzt werden müssen. Ein Punkt, der entscheidend für die Qualität und das Ergebnis , bzw. Richtigkeit eines Gutachtens sein wird. Deshalb muss jeder Sachverständige im Einzelfall entscheiden ob er sich befähigt sieht, Fragen in diesem Bereich zu beantworten.
Frage 2 – Wie sieht es in der Praxis aus? Funktioniert das Thema Gebäudeautomation?
Antwort – Das könnte jetzt eine typische „Ja, aber”-Antwort werden. Betrachtet man die typische Sonnenschutzsteuerung selbst, werden sehr oft zu wenige Fühler eingesetzt, um die Anlage ausreichend zu parametrieren. Das passiert meistens aus vermeintlichem Kostendruck, sehr oft aber auch aus mangelndem Wissen des ausführenden Unternehmens. Ein generelles Problem ist die Schnittstelle zwischen dem Sonnenschutzlieferanten und dem Elektrounternehmen. Diese Schnittstelle weist erschreckende Kommunikationsdefizite auf, die auch darin begründet liegen, dass der Elektrounternehmer nur wenig informiert die Installation ausführt, um dann bei späteren Problemen als erster den Kopf hinzuhalten.
Fragen an den Sonnenschutzspezialisten André Urban (RS-Fachbetrieb)
Frage 1 – Wie verkaufen Sie das Thema Steuerung an Ihre Kunden?
Antwort – Kunden kommen meist über ganz andere Themen zu uns und lernen sehr häufig erst bei unserer Beratung die Möglicheiten der Gebäudeautomation kennen. Kunden, die bereits mit Infos aus dem Internet gefüttert sind, kommen dagegen mit gezielten Fragen und nehmen immer weiter zu. Das klassische Geschäft ist aber zurzeit immer noch, den Kunden im Laden auf Mehrwerte wie Energieeinsparung und Komfort hinzuweisen.
Frage 2 – Ist es technisch einfach, Lösungen zu realisieren oder gibt es auch Probleme?.
Antwort – Technisch gesehen gibt es beim Neubau keine Probleme, wenn man früh genug in die Planung einsteigen kann und vor allem der Elektriker kooperativ ist. Schwieriger wird es im Bereich der Altbausanierung, hier gibt es viele Wege und Anforderungen. Vor allem dann, wenn Bestandsanlagen in ein neues Steuerungssystem eingebunden werden sollen. Hier gibt es immer wieder Schwierigkeiten mit unterschiedlichen Standards und Funkprotokollen. Sehr oft muss deshalb ein Kompletttausch vorgenommen werden. Bei Problemen mit der Kabelverlegung bevorzugen wir gerade bei der Nachrüstung oder Renovierung die Funktechnologie. Bei besonders schwierigen Fällen hat sich für uns die Kombination Funk zur Bedienung und Photovoltaikzellen zur Stromversorgung der einzelnen Rollläden oder Raffstoren als gute und bezahlbare Lösung gezeigt.
Frage 3 – Wie stimmen Sie sich eigentlich mit anderen Gewerken wie Klima, Heizung, Licht und Lüftung ab?.
Antwort – Wir haben Hersteller im Programm, die bereits außer dem Sonnenschutz auch Licht und Heizungsventile steuern können. Die Überwachung offener Fenster ist damit auch möglich und so können wir zusammen mit anderen Lösungen auch zum Thema Einbruchschutz etwas anbieten. Natürlich ersetzt das keine Alarmanlage im klassischen Sinne. Ein einheitlicher Kommunikationsstandard oder ein Abstimmen der einzelnen Bereiche aufeinander ist leider noch nicht möglich, aber immer mehr in Sicht, wenn jemand diesen Bereich früh genug koordiniert. Wünschenswert wäre eine Abstimmung mit den an der Energieefffzienz beteiligten Gewerken und sinnvolle Mindeststandards zu schaffen. Eine einheitliche Lösung wird es sicher nie geben– sie wird immer mit der Kompetenz der ausführenden Gewerke stehen oder fallen.
Einer alleine kann es nicht
Der Blick über den Tellerrand ist überlebenswichtig
Das Thema „Vernetzes Haus” ist komplex, aber nicht zu kompliziert, um es zu verstehen. Jedes Gewerk am Bau kann sich mit der Materie auseinandersetzen und sich auch daran beteiligen. Für manche Unternehmen ist diese Auseinandersetzung sogar überlebenswichtig – sonst steht man in der Zukunft mit einer Insellösung alleine da. Auch, und gerade in der Hausautomation, wird es in den nächsten Jahren Quantensprünge bei den Angeboten und Umsetzungen geben. Wichtig ist dabei, immer im Blick zu haben, welche Standards sich durchsetzen werden. Interdisziplinarität ist also das Gebot der Stunde. Es gilt, die Möglichkeiten aus der Fenster-, Fassaden- und Sonnenschutzbranche mit denen der anderen Gewerken zu kombinieren. Und: Erst wenn man alles in Einklang miteinander bringt, werden alle Potenziale in Sachen Energieeffizienz optimal ausgeschöpft.
Auch unter verwandten Branchen gilt es, diese Vernetzung zu intensivieren: Deshalb hat die GLASWELT die Teilaspekte von Glas, Fenster und Fassade mit dem Sonnenschutz im letzten Jahr zusammengeführt, um das große Gesamte abbilden zu können. So können wir Ihnen, liebe Leser, einen kompletten und kompetenten Überblick verschaffen.
Daniel Mund, stv. Chefredakteur der GLASWELT