Glaswelt – Sind Sie einer der großen Objektabwickler der Branche?
Dirk Sommer – Wir zählen mit Sicherheit zu den Fensterbauern mit den größten Umsätzen im Objektgeschäft. Mittlerweile ist unsere Mannschaft in diesem Bereich auf rund 60 Personen in Deutschland angewachsen. Und die Hälfte des deutschen Umsatzes generieren wir in diesem Bereich.
Glaswelt – Das bedeutet, dass Sie in Deutschland rund 60 Mio. Umsatz im Objektgeschäft generieren. Zählen Sie die BFH in Kempten mit dazu?
Sommer – Nein, den Umsatz dort müsste man noch dazu zählen. Auch das Unternehmen „anders Metallbau“ haben wir dabei noch nicht berücksichtigt, obwohl dort vor allem Objekte abgewickelt werden.
Glaswelt – Wann wurde die BFH in die Hilzinger-Gruppe integriert?
Helmut Hilzinger – Die BFH ist zum 1. Oktober 2014 gegründet worden mit der Zielrichtung, große Objekte zu modernisieren oder zu sanieren. Neben den Städten München, Augsburg, Ulm und Stuttgart sind wir im gesamten Allgäu, im südlichen Schwaben und im südwestlichen Oberbayern für unsere Kunden aktiv. Die Geschäftsführer Peter Brutscher und Helmut Fäustle sind seit April dieses Jahres mit an Bord.
Glaswelt – Warum sind Sie so fokussiert auf die Wohnungswirtschaft?
Hilzinger – Das ist eine wichtige und notwendige Stütze für unser Unternehmen. Die Mengen aus der Wohnungswirtschaft sichern unsere Grundauslastung.
Glaswelt – Das heißt, Sie werden sich noch stärker auf diesen Bereich konzentrieren?
Hilzinger – Der Personaleinsatz in diesem Bereich ist hoch und anspruchsvoll. Es ist deshalb schwierig, hier noch eins draufzusetzen. Im Objektgeschäft wird von uns die technische Klärung, technische Vorbereitung, die technische Abwicklung bis hin zur Montage verlangt. Gefragt ist eine viel intensivere technische Betreuung als in den anderen Geschäftsfeldern. Viele andere Hersteller sind genau aus diesen Gründen in diesem Segment weniger aktiv.
Sommer – Wir haben neben dem Fachhandelsbereich vor allem auch den Objektbereich stark im Fokus. Während der typische Fachhändler eher 1 - 100 Fenster bei uns bestellt, kommen im Objektgeschäft in der Regel Aufträge mit 100 – 1000 Fenstern. Und selbst Aufträge mit 3000 Fenstern bekommen wir sauber und zeitlich gut abgewickelt. Insgesamt kann man sagen: Kein Auftrag ist uns zu klein und kein Auftrag zu groß.
Glaswelt – Wie sieht es bei der Montage für die Wohnungswirtschaft aus – Sie wickeln diese durch Subunternehmer ab?
Sommer – Ja. Unsere Subunternehmer werden gezielt gefördert, geschult und vor Ort auch technisch unterstützt. Sie gehören zur hilzinger Familie. Alle Monteure sind Bestandteil des hilzinger24 Montagekonzeptes. Die Montage läuft bei uns einheitlich nach speziellen Vorgaben ab. Unsere Subunternehmer arbeiten gerne für uns, weil die Teams über das Jahr auch eine gute Auslastung erfahren.
Hilzinger – Man muss aber auch realistisch sehen, dass die Montagetätigkeit vor allem im Objekt ein harter Knochenjob ist. Die schweren Gewichte der Fenster, der Zeitdruck, der auf den Baustellen allgemein heutzutage herrscht geht schon an die Substanz. Deshalb legen wir auch großen Wert darauf, unseren Montageteams vor Ort technischen Support zu bieten wo es nur geht. Darüber hinaus gilt es, permanent Montageteams aufzubauen, um die natürliche Fluktuation in diesem Bereich auszugleichen.
Glaswelt – Sie haben aber keine eigenen Monteure?
Hilzinger – Doch, wir haben zum Beispiel in Willstätt drei fest angestellte Montageteams, die bei uns im Ortenaukreis, wo wir regional begrenzt auch im Endkundengeschäft tätig sind, die Fenster und Türen montieren.
Glaswelt – Glauben Sie, dass die Flüchtlingsthematik bei uns auch eine Sonderkonjunktur im Wohnungsbau auslösen wird?
Hilzinger – Natürlich wird sich der Flüchtlingsandrang auch auf unsere Wohnungsbausituation auswirken. Im letzten Jahr hieß es noch, wir brauchen 200 000 neue Wohnungen. Jetzt mit der Flüchtlingswelle heißt es, dass es 400 000 neue Wohnungen sein müssen. Aber die Neubau-Aktivitäten aus den alten bundesrepublikanischen Zeiten werden wir trotzdem nicht mehr erreichen. Im Übrigen tut uns ein Boom auch nicht gut, denn das bedeutet auch, dass wir hinterher wieder ins Loch fallen. Aber es gibt noch ein anderes Problem: Hier in Baden-Württemberg beispielsweise werden kaum mehr neu Baugebiete ausgewiesen – die Politik sagt, dass zunächst erst einmal die vorhandenen innerörtlichen Baulücken geschlossen werden müssen. Das Problem hierbei ist nur, dass diese überwiegend in privatem Besitz sind und die Kommune keinen direkten Einfluss auf diese Bauplätze hat.
Sommer – Wir sind doch mittlerweile in der Situation, dass bei diesen erforderlichen Neubauwohnungen auf Grundstücke ausgewichen wird, von denen vor einigen Jahren noch nie einer auf die Idee gekommen wäre, dort Wohnungen hinzusetzen – beispielsweise in Einflugschneisen der Flughäfen, direkt an Schnelltrassen der Eisenbahn oder direkt angrenzend an Gewerbegebiete. Da werden demnächst ganz neue Anforderungen auf die Branche zukommen: Wir müssen uns ganz neue Konstruktionen einfallen lassen, um die geforderten Lärmschutz-Grenzwerte einhalten zu können.
Glaswelt – Heißt das also, dass wir es künftig statt mit einer U-Wert Olympiade mit einer Schalldämm-Wert-Olympiade zu tun bekommen?
Sommer – Das könnte wirklich passieren.
Glaswelt – Wie machen Sie sich bekannt in der Wohnungswirtschaft?
Hilzinger – Das meiste läuft über unsere guten Kontakte. Ganz wichtig: Das laufende Projekt muss die Visitenkarte und die Garantie für den nächsten Auftrag sein.
Glaswelt – Wie halten Sie es mit der Lüftungsthematik – ein für die Wohnungswirtschaft sicherlich sehr wichtiges Thema?
Sommer – Das ist tatsächlich auch für uns ein wichtiges Thema. Wir haben deshalb viele Lösungen, vor allem Fensterlüfter, in unserem Produktprogramm. Diese werden von unseren Auftragsgebern gerne eingesetzt. Es muss jedoch im Vorfeld in einem Lüftungskonzept immer geklärt werden, ob die geforderte Luftwechselrate auch wirklich erreicht wird.
Hilzinger – Wir haben in Kürze eine Lüfterinnovation im Programm. Ein Lüfter mit Wärmerückgewinnung integriert im Fensterrahmen. Ich bin gespannt, wie diese Lösung in der Wohnungswirtschaft tatsächlich angenommen wird. Erste Präsentationen und Gespräche stimmen uns sehr positiv.
Glaswelt – Wie steht es mit dem barrierefreien Bauen bei der Wohnungswirtschaft. Wie stehen Sie zur 2 cm Schwelle?
Sommer – Gerade aktuell haben wir ein Objekt abzuwickeln, in dem bei 450 lfm. Balkontüren die 0-Schwelle gefordert ist. Wichtig bei dem Thema 0-Schwelle ist, dass die geforderte Schlagregendichtigkeit erfüllt wird. Das haben wir mit unserer Schwellenlösung erreicht.
Glaswelt – Und sonst gehen Sie eher auf die 2 cm-Schwelle?
Hilzinger – Ich habe in dieser Thematik einen kompletten Umkehrschwung gemacht. Eine 2 cm-Schwelle ist keine altersgerechte Schwelle. Auch schon 2 cm können zur Stolperfalle werden. Ich denke dabei nicht zuerst an den Rollstuhlfahrer. Dieser wird die 2 cm gut überwinden, so die Erfahrungen. Problematisch wird es für die Menschen, die ihre Füße gar nicht mehr heben können und in der Wohnung mit dem Rollator unterwegs sind.
Glaswelt – Gerade für die Wohnungswirtschaft müsste doch ein geklebtes Fenster besonders interessant sein – schließlich werden dadurch der Wartungsaufwand und die Nachstellarbeiten deutlich reduziert.
Sommer – Wir tun uns mit der Klebetechnik etwas schwer, gerade weil sie den Produktionsbetrieb noch deutlich hemmt. Aber wir wissen auch: Auf lange Sicht kommen wir an dieser Technik nicht vorbei. Deswegen gehen wir das jetzt probeweise an einem Standort an und integrieren diese Technik in den Produktionsablauf.
Hilzinger – Aber wir müssen mehr dafür bekommen. Es entstehen Mehrkosten, die auch weitergegeben werden müssen.
Glaswelt – Herr Hilzinger, Herr Sommer, besten Dank für das Gespräch. —
Das Gespräch führte Chefredakteur Daniel Mund.
Ist es wirklich nur ein Fenster?
Im beschaulichen Willstätt, nahe der Europametropole Straßburg, wurde im Jahr 1946 die Firma hilzinger als kleine Glaserei und Holzfensterhersteller vom Vater des heutigen Inhabers Helmut Hilzinger gegründet.
1973 Begann Helmut Hilzinger mit der Fertigung von Kunststofffenstern. 1976 übernahm er als junger Glasermeister den Betrieb. Heute zählt das Unternehmen zu den führenden Fensterproduzenten in Europa. Gefertigt werden Fenster und Türen aus Kunststoff, Holz, Holz-Aluminium, Kunststoff/Aluminium und Aluminium. Darunter viele Speziallösungen und auch patentierte Lösungen mit Alleinstellungsmerkmalen.
Aktuell hat sich die Firmengruppe einen neuen Claim zur Marke angeeignet: „Deutschlands große Fenstermarke“. Dazu Marketingleiter Harald Schmidt: „Der steht uns ganz gut zu Gesicht.“ Auch der Titel des vom VFF zum Marketingpreis gekürten Films wird in der Unternehmenskommunikation weiter intensiv genutzt. „Auf den Filmtitel ‚Ist es wirklich nur ein Fenster‘ brachte uns der Regisseur des Films,“ erläutert Schmidt. „Jetzt ist diese Frage tatsächlich hervorragend mit Hilzinger verknüpft und wir verwenden dies auf unseren Autos, im Internet, Social Media Kanälen, Prospekten, u.a.“. Auch im Fußballsponsoring ist man beim SC Freiburg mit einer TV-Bandenwerbung bei allen Heimspielen vertreten.
Im letzten Jahr weist das Unternehmen mit insgesamt 1100 Mitarbeitern einen Umsatz von 178,5 Mio. Euro (116 Mio. Euro in Deutschland) aus. Der Erfolg beruhe, so Helmut Hilzinger auf einer Pressekonferenz im Oktober, auf einer 5 Säulen-Strategie: Man sei regional rund um den Hauptsitz in Willstätt im Direktvertrieb, bundesweit im Fachhandel und Objektgeschäft, im Fachhandel in der Schweiz und im Fachhandel und Objektgeschäft in Frankreich aktiv. Ein weiterer Erfolgsfaktor sei die dezentrale Unternehmensstruktur: „Dadurch sind wir näher am Kunden und leben die gleiche Mentalität. Zur aktuellen wirtschaftlichen Situation berichtet Hilzinger: „Wir haben momentan keine Kapazitätsprobleme – auf der anderen Seite wissen wir, dass die Branche massiv unter Druck steht.“ Daniel Mund