GLASWELT – Wie tickt die Wohnungswirtschaft aktuell?
Dirk Braune – Wir sind aktuell ganz stark gefordert in dem Thema, wie wir Flüchtlinge unterbringen. Das betrifft uns ganz besonders, weil wir als Hauptgesellschafter den Rems-Murr-Kreis haben. Und die Kreise haben nun einmal die erste Zuständigkeit der Flüchtlingsunterbringung. Sie müssen sich das so vorstellen: Vor zwei Jahren hatten wir noch Flüchtlingszahlen von ca. 60 pro Monat. Heute werden wir konfrontiert mit Fallzahlen von 200 pro Woche.
GLASWELT – Haben Sie denn genügend Wohnungsbestand, den Sie zur Verfügung stellen können?
Braune – Wir selber haben wenig freien Wohnungsbestand. Wir bauen deshalb neu und akquirieren Liegenschaften für den Kreis. Wir bereiten uns vor, damit wir Gemeinschaftsunterkünfte anbieten können. Wir müssen uns auch darauf einstellen, dass sehr viele Menschen bei uns bleiben werden und auch bleiben dürfen. Und diese Flüchtlinge haben dann auch Anspruch auf Familiennachzug. Dann wissen Sie, was quantitativ in der Zukunft noch auf uns zukommen wird. Aus dieser Konsequenz heraus bereiten wir uns auf einen massiven Wohnungsneubau vor.
GLASWELT – Das heißt, aktuell geht es darum, Gemeinschaftsunterkünfte bereitzustellen und mittelfristig um den Bau von Mehrfamilienhäusern.
Braune – Ja, aber jetzt geht es erst einmal um die Container-Einrichtung. Hier haben wir aber damit zu kämpfen, dass die Verfügbarkeit dieser Container sehr schwierig geworden ist. Gleichzeitig sind die Kosten natürlich explodiert, denn die Nachfrage ist halt massiv gestiegen.
GLASWELT – Und was ist mit den Gemeinschaftsunterkünften?
Braune – Wir bauen Gemeinschaftsunterkünfte in Modulbauweise. Die sind etwas wertiger, aber trotzdem auch sehr schnell gebaut, damit wir diese Gebäude auch später als Mietwohnungen umnutzen können. Dabei sind schnelle Bauzeiten und hohe Vorfertigungsgrade gefragt.
GLASWELT – Und das bereitet Ihnen Schwierigkeiten?
Braune – Ja, da sind wir bereits bei einem ganz heiklen Thema der Wohnungswirtschaft angelangt: An allen Ecken und Enden werden die Regeln für das Bauen immer mehr verschärft. Grundstücksunabhängig haben wir mittlerweile Herstellungskosten jenseits der 2500 Euro/m² Wohnfläche. Das funktioniert nur deswegen noch ganz gut, weil in der Vergangenheit tatsächlich zu wenig für den Wohnungsbau gemacht wurde und weil wir keine anderen attraktiven Anlageformen mehr haben, die auch sicher sind. Das Geldvermögen ist da und deshalb geht man in das Betongold als Anlage.
GLASWELT – Sind Sie dann ein Befürworter der Forderung des GDW, des Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen, dass die EnEV-Richtlinien auf den Stand von 2009 eingefroren werden sollten?
Braune – Ja, absolut. Gehen Sie doch mal gedanklich ins europäische Ausland. Dort wird gebaut mit dem Bewusstsein, dass die Häuser rund 30 Jahre halten müssen. Bei uns sollen doch immer auch noch die Enkel Freude an der Immobilie haben. Man muss doch auch mal die Kirche im Dorf lassen und nicht alles bis auf die Perfektionsspitze treiben. Das wird die Politik auch machen müssen, um die Wohnungsknappheit zu bewältigen, weil jetzt auf einen Schlag so viele neue Einwohner da sind.
GLASWELT – Kann man denn bei Fenstern wirklich noch etwas sparen, wenn man einen schlechteren U-Wert verbauen darf?
Braune – Die Kumulation aller energiesparender Erzeugnisse ist das Problem. Wenn Fassaden gedämmt und gute Fenster verbaut werden, dann geht damit gleichzeitig ein Lüftungskonzept einher, um die Mindestluftwechselrate zu gewährleisten. Und das hat uns schon die Baukosten in die Höhe getrieben.
GLASWELT – Dann erhöhen sich die Erstellungskosten durch aufwendigere Lüftungsmaßnahmen?
Braune – Ja, denn die Menschen schaffen die notwendige Luftwechselrate nicht mehr durch das eigene Lüftungsverhalten. Eine kontrollierte Lüftungslösung ist wichtig – keiner hat mehr 10 Minuten übrig, um die Wohnung noch ordentlich zu lüften.
GLASWELT – Geben Sie der Industrie eine gewisse Mitschuld an der Kostensteigerung im Wohnbau?
Braune – Ja. Die Industrie mit ihren Lobbyisten bei den politischen Entscheidungsträgern und den Normungsausschüssen verfolgt natürlich ihre partikulären Ziele und sie haben das große Ganze nicht im Blick. Jetzt sind wir dort angelangt, wo das Bauen finanziell kaum mehr darstellbar ist. Wenn jetzt noch die Zinsen hochgehen würden, dann wäre der Wohnungsbau komplett im Erliegen, denn die Mieten rechtfertigen diese Investitionen momentan nicht mehr. Zwar wird die Politik mit Abschreibungsmöglichkeiten zur Förderung des Wohnungsbaus dagegensteuern. Aber ohne diese Sondereffekte wird der Wohnungsbau bald stagnieren. Wir kommen dann irgendwann in die Situation: Stell dir vor, es ist Wohnungsbau und keiner nimmt mehr dran teil.
GLASWELT – Haben Sie genügend Baufläche zur Verfügung?
Braune – Auch dieser Bereich ist relativ starr und da muss sich etwas verändern. Die Regionalplanung hat jeder Kommune zugeteilt, wie viel Bauland noch ausgewiesen werden darf. Dann muss eine Plausibilität für die Flächenerschließung nachgewiesen werden. Das muss jetzt schneller gehen. Wir können es uns nicht leisten, dass jetzt erst einmal zwei Jahre lang Lurche gezählt werden, bevor irgendetwas Bauland werden kann.
GLASWELT – Fürchten Sie eine Blase am Wohnungsmarkt?
Braune – Problematisch sind die hohen Herstellungskosten in der momentanen Niedrigzinsphase zwar noch nicht. Schwierig wird es aber, wenn die Zinsen dann doch mal wieder steigen. Ich befürchte, dass für diesen Fall viele keine Vorsorge getroffen haben. Wenn dann bei der Anschlussfinanzierung der Zinssatz auch nur um 2 Prozent nach oben geht, fällt das Kartenhaus zusammen, die sind dann platt.
GLASWELT – Wie gehen Sie eine Sanierung in Ihren Beständen an?
Braune – Wenn Sanierung, dann Generalsanierung. Es nützt uns nichts, nur die Fassade zu erneuern und wir haben dann noch 40 Jahre alte Bäder im Gebäude. Aber eine umfassende Sanierung ist im Regelfall nicht mehr in bewohnten Einheiten zu machen. Wir sanieren also meist im Leerstand. Und das geht von den Kosten her in Richtung Neubau.
GLASWELT – Und wie betrachten Sie den Neubau?
Braune – Wir bauen neu natürlich nach den energetischen Standards, aber auch im Sinne des demografischen Wandels viel stärker im Thema Barrierefreiheit. Der Neubau ist bei uns komplett barrierefrei. So sorgen wir dafür, dass ein genügend großes Angebot an barrierefreien Wohnungen zur Verfügung steht.
GLASWELT – Wie sehen diese Wohnungen dann aus?
Braune – Wir bauen kompaktere kleinere barrierefreie Einheiten, die aber auch weniger Miete kosten. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, denn die wachsende Altersarmut ist ein wichtiges Thema, auf das wir uns einstellen müssen.
GLASWELT – Wie halten Sie es mit der Schwellenhöhe: Muss es die 0-Schwelle sein oder akzeptieren Sie auch die 2 cm-Schwelle?
Braune – Wir machen im Regelfall keine behindertengerechten Wohnungen nach der Norm – das wäre auch viel zu teuer und würde von zu wenigen Menschen wirklich nachgefragt. Aber Menschen mit Gehbehinderung können die Wohnungen faktisch benutzen: Die Duschen sind bodeneben und der Übergang zur Terrasse oder dem Balkon hat maximal eine 2 cm hohe Schwelle. Damit bieten wir die Möglichkeit, dass die Menschen möglichst lange und selbstbestimmt in ihren Wohnungen leben können.
GLASWELT – Haben Sie bei Ihren Fensteranbietern ihre „Lieblinge“ mit denen Sie gerne zusammenarbeiten oder kommt immer der billigste zum Zuge?
Braune – Wir müssen eine gewisse Qualitätssicherung vornehmen. Zugleich müssen die Bauprodukte und Sanierungsmaßnahmen immer aufeinander abgestimmt sein. Wir möchten also nicht das verbauen, was gerade zufällig im Baumarkt im Angebot ist. Deswegen haben wir uns entschieden, für alle Kerngewerke Rahmenverträge abzuschließen.
GLASWELT – Was bedeutet das?
Braune – Wir vergeben im Jahr ungefähr 50 Mio. Euro an Bauleistungen. Das würden wir in der Einzelvergabe gar nicht schaffen. Das meiste machen wir über Generalunternehmer. Und eben bei den Kerngewerken geben wir dann vor, welche Qualitäten und welche Produkte zur Ausführung kommen sollen. In diesen Rahmenverträgen sind immer mindestens zwei unterschiedliche Anbieter eines Gewerkes enthalten.
GLASWELT – Der Fensterbauer ist dann bei der Planung mit im Boot?
Braune – Das ist mit ein Grund für diese Rahmenverträge. Die Hersteller sind dann bei der Werkplanung und Ausschreibung mit dabei. Damit können wir absichern, dass wir immer auf dem aktuellen Stand der Technik sind.
GLASWELT – Wie erreicht ein Fensterbauer, dass er einen Rahmenvertrag bekommt?
Braune – Generell ist es so, dass diese Verträge nicht unbefristet sind. Meistens laufen sie über zwei bis vier Jahre. Dann wird neu verhandelt und wir schauen dann, was gut und was schlecht war.
GLASWELT – Welche Argumente kommen bei Ihnen besonders gut an? Ist es die Marke, das Produkt oder der Service?
Braune – Der Service hat für uns einen immens hohen Stellenwert. Wenn bei unseren Nutzern etwas nicht funktioniert, dann erwarten die Menschen auch, dass gleich jemand da ist, der sich darum kümmert. Die Erwartungshaltung ist schon da, dass der defekte Rollladen auch umgehend repariert wird. Und das ist auch ein Thema unseres Rahmenvertrages: Diesen Service kaufen wir gleich mit ein.
GLASWELT – Spielt für Sie die Fenstermarke eine Rolle?
Braune – Bei uns spielt eher der Händler oder die Montagefirma vor Ort eine größere Rolle. Früher gab es das Weru-Fenster hier bei uns in der Region – diese Marke war auch sehr positiv besetzt. Aber mittlerweile sind Fenstermarken relativ unbedeutend.
GLASWELT – Wie steht es bei Ihnen mit dem Einbruchschutz?
Braune – Wir setzen auf den RC2-Standard im Erdgeschoss bzw. in den Geschossen, die relativ einfach zu erreichen sind. Generell gehe ich davon aus, dass der Einbruchschutz noch wichtiger werden wird. Das Schutzbedürfnis hat sich nicht verringert angesichts der gestiegenen Einbruchsfallzahlen.
GLASWELT – Steht bei der Wohnungswirtschaft immer die Minimierung der langfristigen Kosten im Vordergrund?
Braune – Ja, da können Sie davon ausgehen: Wir setzen alles daran, dass die von uns eingesetzten Produkte den Bewohner nachhaltig und langfristig zufrieden stellen.
GLASWELT – Was berichten Ihre Kunden – Käufer und auch Mieter – über ihre Fenster. Ist es ein Produkt, dem wenig Beachtung geschenkt wird?
Braune – Ich würde mal sagen: es ist ein unauffälliges Produkt – was nicht negativ sein muss.
GLASWELT – Haben Sie Feuchtigkeitsprobleme in Ihrem Bestand?
Braune – Das Thema ist nicht wegzuleugnen und wir versuchen, die Bewohner mit viel Aufklärungsarbeit zu einem ausreichenden Lüftungsverhalten zu bewegen. Ganz schlimm hat es uns einmal in einer Wohnsiedlung aus dem 60ern erwischt. Dort haben wir nur neue Kunststofffenster eingebaut, ohne weitere Dämmmaßnahmen zu berüchsichtigen. Das war dann der Anfang eines langen Feuchtigkeitsthemas.
GLASWELT – Wie gehen Sie mit der Lüftungsthematik um? Wird die Lüftung in größeren Objekten eher durch die TGA-Planer umgesetzt?
Braune – Wie schon gesagt: Wenn wir sanieren, dann streben wir die Komplettsanierung an. Und dann sorgen wir auch für eine ausreichende Zu- und Abluftregelung in den Wohnungen, die eine manuelle Frischluftversorgung nicht mehr zwingend vorsieht.
GLASWELT – Wie sind generell Ihre Erfahrungen mit den Fensteranbietern, was deren Darstellung und Beratungskompetenz angeht?
Braune – Beim Sanitärgewerk sieht es so aus: Wir stellen einen Standard zusammen und der Käufer geht dann zum Sanitärbetrieb und wertet sein Bad mit hochwertigen Produkten auf. Das gibt es aber beim Fensterbauer nicht. Der Kunde kommt gar nicht erst auf die Idee, seine Fenster mit Zusatzausstattungen auszurüsten. Und wo kein Angebot ist, gibt es auch keine Nachfrage.
GLASWELT – Verlangen Sie bei der Montage von Fenstern un Türen einen gewissen Qualitätsstandard – kennen Sie die RAL-Montage?
Braune – Ich kenne keine RAL-Montage, aber ich kenne viele Fehler, die man machen kann. Fenster nach alter Väter Sitte einzubauen, geht eben heute nicht mehr. Das ist aber auch der Grund, warum es Spaß macht, mit größeren Fensteranbietern zusammenzuarbeiten. In unseren Rahmenverträgen ist vereinbart, dass die Hersteller Baustellenbesuche machen, um abzusichern, dass dort auch so montiert wird wie es sein soll.
GLASWELT – Besten Dank für das Gespräch Herr Braune und die Zeit, die Sie sich dafür genommen haben.—
Das Gespräch führte Chefredakteur Daniel Mund.
Wer ist die Kreisbaugruppe?
Die Kreisbaugruppe ist ein Verbund aus drei Gesellschaften: Die Kreisbaugesellschaft Waiblingen mbH steht für die Erstellung moderner Wohnungen sowie für die Verwaltung von Immobilien samt der vielfältigen, damit verbundenen Dienstleistungen. Die Kreisbau tritt auch als Bauträger und Projektentwickler auf. Aktuell vermietet und verwaltet sie einen Mietwohnungsbestand von ca. 730 Wohnungen. Hinzu kommen ca. 2500 Wohn- und Gewerbeeinheiten, die für Dritte – Wohnungseigentümergemeinschaften sowie andere Eigentümer – verwaltet werden. Nur die Kreisbau alleine weist für 2014 eine Bilanzsumme von fast 98 Mio. Euro aus.
Daneben steht die RMIM (Rems-Murr-Immobilien-Management) als 100-prozentige Tochter der Kreisbau für die Betreuung und Erstellung kreiseigener und vom Landkreis genutzter Liegenschaften.
Zusätzlich sichert die RMG (Rems-Murr-Gesundheits GmbH) die medizinische, pflegerische und therapeutische Infrastruktur und entwickelt diese stetig weiter. Dies erfolgt über den Bau, die Vermietung und den Betrieb von Gesundheitszentren für die ambulante Behandlung und Betreuung.