_ Der Markt profitiert von der guten Baukonjunktur und wird in diesem Jahr ein Gesamtvolumen von 14 Mio. Fenstereinheiten erzielen – bis 2020 wird der Absatz jährlich um 1,8 Prozent zulegen. Vor allem Importeure können vom Wachstum profitieren und nehmen mittlerweile 18 Prozent des Marktvolumens ein, mit steigender Tendenz. Heimische Hersteller verlieren speziell im volumengetriebenen Standardsegment z. B. bei Wohnbaugesellschaften und im Mehrgeschosswohnbau.
Mittelfristig wird der Wettbewerbsdruck für heimische Fensterbauer weiter zunehmen: Sinkende Erträge, rückläufige Eigenkapitalquoten und Preisdruck werden zu Übernahmen sowie Insolvenzen führen.
Neue Online Vertriebskonzepte und die Digitalisierung rund um „Smart Home“ heizen dem Segment zusätzlich ein.
Eine klare Positionierung ist gefragt
Eine klare Positionierung und die Abgrenzung des Leistungsspektrums gegenüber dem Wettbewerb werden an Bedeutung gewinnen – die Ausrichtung des Geschäftsmodells auf einzelne Zielsegmente wird nur ein Erfolgsfaktor der Zukunft sein.
Die Branche entwickelt sich in eine Zweiklassengesellschaft: Wenige Leuchttürme und viele Low Performer.
Der Verdrängungswettbewerb hat längst begonnen. Ohne eine Anpassung der Geschäftsstrategien werden viele der hiesigen Produzenten den gezielten Vorstößen der Importeure weiterhin wirkungslos gegenüberstehen. Zu diesem Ergebnis kommen Branchenexperten des Beratungsunternehmens Munich Strategy Group (MSG) in ihrer Studie „Deutschlands Fensterindustrie im Formcheck“, für die sie rund 150 Unternehmen analysiert und über 80 Brancheninsider befragt haben.
Deutscher Fenstermarkt bleibt attraktiv
Die bisherige Nachfrageentwicklung ist ermutigend: „Seit 2008 erlebt der Fenstermarkt einen kontinuierlichen Aufwärtstrend“, sagt Dr. Constantin Greiner, Branchenexperte bei MSG. „Zwischen 2008 und 2015 lag das durchschnittliche jährliche Wachstum bei 2,2 Prozent. Damit ist der deutsche Markt seit 2010 jährlich um rund 250 000 zusätzliche Fenstereinheiten gewachsen.“
Für die Zukunft erwarten die Studienautoren ebenfalls eine positive Entwicklung. Die Wohnungsknappheit in Großstädten und das günstige Zinsumfeld werden die Nachfrage nach Fenstern weiterhin treiben. Dieser Trend wird durch den zunehmenden Bedarf an Wohnraum für Flüchtlinge weiter angekurbelt.
Die MSG Experten rechnen deshalb mit einem Wachstum des Volumens an Fenstern von durchschnittlich 1,8 Prozent pro Jahr bis 2020. Die Stabilität der Nachfrage und die Aussicht auf positive Wachstumspotenziale sind zum einen vielversprechend, locken zum anderen die Konkurrenz aus dem Ausland.
Deshalb sind die Betriebe gefordert, die neuen Realitäten zu akzeptieren und an ihrer strategischen Ausrichtung zu arbeiten. „Die Fensterbauer müssen jetzt Antworten auf die Wettbewerbskonzepte der Importeure finden, die seit vielen Jahren durch Preis-, Sortiments- und Geschwindigkeitsvorteile überdurchschnittlich wachsen. Nur wenn es den Firmen gelingt, die geeigneten Maßnahmen für mehr Wachstums- und Widerstandskraft einzuleiten, lässt sich der Erfolg der Importeure stoppen“, betont Studienleiter Dr. Greiner.
Ausländische Wettbewerber greifen gezielt Teilsegemente an
Speziell osteuropäische Anbieter haben das preisbewusste Segment in Angriff genommen. Hier kann die gesamte Kette der Effizienzvorteile (niedrigere Löhne, reduziertes Sortiment mit geringeren Komplexitätskosten, vollautomatisierte Prozesse, etc.) ausgespielt werden.
Eingesessene lokale Hersteller sind in dem preissensiblen Marktsegment kaum noch vertreten. Sie versuchen weiter mit universal einsetzbaren Produkten sämtliche Anwendungsbereiche abzudecken.
Konsolidierungsdruck unverändert hoch
Trotz der positiven Rahmenbedingungen kämpfen viele Fensterbauer seit Jahren mit margenzehrenden Preisduellen und einer zunehmenden Variantenvielfalt. Beide Faktoren haben in vielen Fällen negative Effekte auf die Finanzlage. So haben sich die durchschnittlichen Eigenkapitalquoten der Betriebe in den vergangenen Jahren kontinuierlich verschlechtert und die Erträge liegen im Branchendurchschnitt nur noch bei 4,7 Prozent. Auch deshalb wird sich die Anzahl der Herstellerbetriebe weiter rückläufig entwickeln.
Von den ehemals 8700 Betrieben werden laut Prognose bis 2020 noch weniger als 5000 existieren. „Gleichzeitig können wir eine rege Übernahmeaktivität beobachten. Speziell die großen Spieler haben das Instrument der aktiven Konsolidierung für sich erkannt und greifen vermehrt zu. Obwohl der Markt dennoch stark fragmentiert ist, akkumulieren die führenden in- und ausländischen Hersteller Marktanteile und treiben die Neuordnung voran“, so Dr. Greiner.
Herausforderungen auch durch Digitalisierung
Weiter angeheizt wird der Wettbewerb durch neue Geschäftsmodelle. Während der Konkurrenzkampf auf dem Fenstermarkt bisher fast ausschließlich zwischen den direkten Wettbewerbern stattfand, werden zukünftig auch branchenfremde Anbieter mitmischen. „Neue Online Anbieter bündeln die Marktnachfrage und schneiden traditionelle Hersteller vom Informationsfluss ab“, betonen die Studienverfasser.
Plattformen wie z. B. www.vitraum.de* oder www.fensterversand.com können den Informations- und Entscheidungsfluss zwischen Hersteller, Montagebetrieb und Endkunde verändern. Dann werden Hersteller zu austauschbaren Lieferanten.
Das Fenster wird „marginalisiert“
Die Aufmerksamkeit gegenüber dem Produkt „Fenster“ sinkt mit der zunehmenden Vernetzung des Fensters mit der Haussteuerung.
Früher stand nur der Fenstermonteur in direktem Kundenkontakt, heute sind es zahlreiche zusätzliche Gewerke. Die Folge: Das Fenster wird marginalisiert, mit der abnehmenden Aufmerksamkeit sinkt auch die Zahlungsbereitschaft, die Beschäftigung mit dem Produkt Fenster und seinen Kernelementen findet nicht mehr statt.
Veränderungsdruck für die Fensterbranche sehen die MSG Experten auch durch die Digitalisierung. Sie wird zu einer Vernetzung der Systemlandschaft bei der Gebäudesteuerung führen. Das Fenster wird dadurch neben weiteren Elementen wie der Alarmanlage, dem Heizsystem und der Lichtsteuerung zu einer Komponente unter vielen reduziert. „Beide Themen haben das Potenzial, den Fenstermarkt erheblich zu verändern“, sagt Dr. Greiner.
Vor diesem Hintergrund empfehlen die MSG Experten den Unternehmen eine objektive Bewertung der eigenen Chancen-Risikosituation. Auf Basis der daraus gewonnenen Einschätzung können gezielte Maßnahmen zur Leistungssteigerung und für Stärke im Wettbewerb abgeleitet werden.—
*Anmerkung der Redaktion: Lesen Sie das Interview mit Vitraum-Geschäftsführer David Ranft in der GLASWELT Ausgabe 01/2016.)
4 Fragen an Studienleiter Dr. Constantin Greiner
GLASWELT – Laut Ihrer Studie sollte sich der kleinere, handwerklich orientierte Fensteranbieter ganz gezielt eine Nische im Markt aussuchen – sonst hat er keine Überlebenschance. Sterben also die Generalisten aus?
Dr. Constantin Greiner – Gute, handwerklich orientierte Betriebe werden auch in Zukunft einen gewichtigen Teil der Branche ausmachen. Allerdings stellt eine klare Positionierung eine notwendige Bedingung für den betrieblichen Erfolg dar. Reaktive Hersteller von reinen Me-Too-Lösungen und Standard-Serviceleistungen werden angesichts der Konkurrenz von nationalen und internationalen Vollsortimentern keine Chance haben. Importe steigern zudem den Druck auf diese Unternehmen.
GLASWELT – Aus Ihrer Grafik ist auch ersichtlich, dass die Zahl der Leuchtturm-Hersteller abnimmt. Heißt das, dass auch die Nischen immer kleiner werden?
Dr. Greiner – Nischen, die in der Vergangenheit noch lukrative Chancen geboten haben, werden von größeren, teils Margen-schwachen Unternehmen aufgesucht und mit dem Ziel, die eigene Marge zu verbessern bedient. Meist gelingt dies nur unzureichend; die einstige Nische ist dann jedoch „ausgetrocknet“. In der Fensterzulieferindustrie – also bei den Vorprodukten – ist dieses Muster bereits klar zu erkennen.
GLASWELT – Also stimmt der Grundsatz: „Vom Hersteller zum Händler“. Haben Fensterhersteller mehr Ertragschancen, wenn Sie Ihre eigene Produktion aufgeben und zum Kundenberater mutieren?
Dr. Greiner – Aktuell scheint es so. Aber auch die Anforderungen an die Händler und Montagebetriebe werden zunehmen. Denken Sie nur an das Zusammenwachsen von Fenster und Beschattung, den steigenden Anteil von Automation und die Integration der automatisierten Bauelemente in die Haustechnik. Je höher die Anforderungen werden, desto mehr werden sich meist kleinere Betriebe fragen müssen, ob sie weiterhin „alles“ anbieten oder nur noch diejenigen Teile der Wertschöpfung übernehmen, welche für sie am lukrativsten sind.
GLASWELT – Sehen Sie tatsächlich eine Gefahr in der „Marginalisierung“ des Fensters für den Hersteller? Oder ist es nicht auch eine Chance, sich als Innovationsführer im Smart-Home-Bereich zu etablieren?
Dr. Greiner – Die Produktmarginalisierung wird an Fahrt zulegen, solange Fenster nur Scheindifferenzierungsmerkmale aufweisen und die Technik um das Fenster herum weiter an Privat-Konsumenten-Tauglichkeit gewinnt. Damit driftet die Aufmerksamkeit weg vom „Produkt-Fenster“. Die Fensterhersteller jedoch haben absolut die Chance – oder die Pflicht – sich in diesem Spannungsfeld neu zu positionieren.
Die Fragen stellte Chefredakteur Daniel Mund
2. Internet-Marketing-Tag im Handwerk
„Handwerksbetriebe, die sich dem Internet und den sozialen Medien nicht öffnen, werden zurückbleiben. Hingegen diejenigen, die verstehen diese Instrumente geschickt einzusetzen, werden die Zukunft bestimmen“, sagt Handwerksunternehmer und Internet-Marketing Buchautor Volker Geyer.
Heute ist eine langfristige Unternehmenssicherung im Handwerk ohne Digitalisierung nicht mehr vorstellbar, darüber sind sich alle Experten einig. Geschickt und intelligent seinen Betrieb dort zu präsentieren, zu kommunizieren, zu positionieren, wo sich die Kunden und die künftigen Fachkräfte und Mitarbeiter aufhalten, nämlich im Internet und in den sozialen Medien. Das ist heute Grundvoraussetzung für langfristigen unternehmerischen Erfolg, auch und vielleicht gerade im Handwerk.
Einige Betriebe sind im Internet und in den sozialen Medien bereits eindrucksvoll und mit herausragenden Ergebnissen unterwegs. Das Programm des Internet-Marketing-Tages im Handwerk ist ein Stelldichein von einigen der erfolgreichsten Handwerksbetrieben im Netz. Auf dem Campus Westend der Goethe-Universität in Frankfurt/Main findet am 29.10.2016 der 2. Internet-Marketing-Tag im Handwerk statt.
Die besten Handwerker-Webseiten des Jahres, die erfolgreichsten Social Media Strategien werden vorgestellt. Thomas Issler zeigt, welche Faktoren für den Aufbau einer erfolgreichen Internetseite die wichtigsten sind, um eine Seite-1 Platzierung bei Google zu erreichen. Web-Champions aus dem Handwerk reden an diesem Tag über ihre Aktivitäten und Strategien. Die Bestsellerautorin Umberta Andrea Simonis spricht über gelebte Service-Kultur als Voraussetzung für erfolgreiches Internet-Marketing. Deutschlands allererster Blogger im Handwerk, Fleischermeister Ludger Freese, plaudert über seine Erfolgsgeheimnisse beim Bloggen, „Mister Social Media im Handwerk“, Malermeister Werner Deck gibt seine Geheimnisse preis und Ralf Steinhoff zeigt, wie er die Plattform Facebook für seinen Friseurbetrieb sehr gelungen zur Gewinnung neuer Mitarbeiter und zur Mitarbeiterbindung einsetzt.
Mit dem finalen Fachvortrag „Mut zur Veränderung“ wird Handwerksmeister Volker Geyer am Beispiel seines eigenen Betriebes zeigen, was für einen Handwerksbetrieb durch digitale Veränderungen alles möglich sein kann.
Nina Ruge, die TV-bekannte Moderatorin und Journalistin führt durch das Programm. Am Ende des Veranstaltungstages spricht der mehrfache Deutsche Fußballmeister, Pokalsieger und heute erfolgreiche Unternehmer Michael Rummenigge zum Thema „Der Faktor Mensch: Was können wir vom Profifußball lernen?“