_ Dass ein Käufer vom Verkäufer einemangelfreie und einwandfrei Ware erwartet, darauf auch einen Anspruch hat, versteht sich von selbst. Somit ist der Verkäufer verpflichtet, einwandfreie Ware zu liefern. Dabei wird unterschieden zwischen Kaufrecht und Werkvertragsrecht: Im Falle eines Kaufvertrags muss die Kaufsache einwandfrei sein, wenn sie übergeben wird. Für Handwerksleistungen dagegen, die unters Werkvertragsrecht fallen, ist der Zeitpunkt der Abnahme entscheidend.
Kosten der Mängelbeseitigung
Der Gesetzgeber hat erkannt, dass die derzeitige restriktive Handhabung des Nacherfüllungsanspruches entsprechend der geltenden Rechtslage vor allem zu Lasten der Handwerker und Bauunternehmer geht. Werden Material oder Produkte, die anschließend verbaut werden, dreistufig vertrieben, ist spätestens mit dem BGH-Urteil aus dem Jahr 2008 klar: Ein Fachhändler haftet bislang im gewerblichen Kaufrecht in der Regel nicht für Ein- und Ausbaukosten im Falle einer mangelhaften Lieferung.
Der BGB hatte entschieden, dass im Falle der Lieferung mangelhafter Sachen der Verkäufer nicht verpflichtet ist, die Ein- und Ausbaukosten der Mangelsache zu tragen, es sei denn, er hat den Mangel an der Sache verursacht (BGH, 15.07.2008 (Az. VIII ZR 211/07). Letzteres traf nicht zu, weil – von zweistufigen Vertriebswegen einmal abgesehen – der Lieferant nicht zugleich als Hersteller galt. Einen Anspruch auf Erstattung der Aus- und Einbaukosten konnte der Unternehmer als Käufer nur durchsetzen, wenn ihm ein Schadensersatzanspruch gegen seinen Verkäufer zustand. Die Kosten für den Ausbau des mangelhaften Materials und Einbau mangelfreien Materials trägt der Auftragnehmer im Falle seiner werkvertraglichen Haftung bislang meist selbst. Dabei können diese Kosten erheblich sein und die Existenz der Firma bedrohen. Sie übersteigen häufig nicht nur den Materiallieferungswert, sondern fallen in einer Höhe an, die den Vertragswert übertrifft. Man stelle sich vor, welche Kosten entstehen, wenn ein Fensterbauer in einem größeren Objekt die Charge Fenster nach erfolgtem Einbau wieder entfernen muss, weil sich erst nach einiger Zeit herausstellt, dass die von einem Hersteller bezogene und in die Fenster eingebaute ISO-Verglasung nicht ordnungsgemäß abgedichtet war. Die neuen ISO-Verglasungen, die der Lieferant nachliefern müsste, machen ja nur einen Bruchteil dessen aus, was für die Neuherstellung der Fenster, den Aus- und Wiedereinbau und schließlich die Entsorgung und ggf. Tragung weiterer Schadenersatzkosten anfallen würde. Das alles trägt bislang der Handwerker.
Mit den Änderungen des Kaufrechts in der Lieferkette reagiert der Gesetzgeber nun auf derartige Missverhältnisse und Gefahrenpotenziale. Dazu hat aber auch der Europäische Gerichtshof beigetragen. Der hatte im Juni 2011 für das Verbraucherkaufrecht entschieden, dass der Verkäufer gegenüber einem Verbraucher verpflichtet sein kann, die bereits in eine andere Sache eingebaute mangelhafte Kaufsache auszubauen und die Ersatzsache einzubauen oder die Kosten für beides zu tragen. Mit dieser Entscheidung wurde die Frage nach den Aus- und Einbaukosten bei Kaufverträgen zu Verbrauchern anders beurteilt als bei Kaufverträgen zu Unternehmern.
Um diese europarechtswidrige Diskrepanz aufzulösen, nimmt der Gesetzgeber in Deutschland nun Änderungen am Kaufvertragsrecht vor: Seit Jahresbeginn 2018 sollen auch Käufer, die nicht Verbraucher, sondern Unternehmer sind, Ansprüche auf den Aus- und Wiedereinbau bzw. die dafür notwendigen Kosten beim Lieferanten geltend machen können.
Neue Pflichten für Verkäufer
Der § 439 Abs. 3 BGB-E legt fest, dass der Verkäufer von Baumaterialien im Rahmen der Nacherfüllung verpflichtet ist, dem Käufer die erforderlichen Aufwendungen für das Entfernen der mangelhaften und den Einbau oder das Anbringen der nachgebesserten oder gelieferten mangelfreien Sache zu ersetzen. Das bedeutet, dass ein Verschulden des Lieferanten nicht mehr nachgewiesen werden muss, um Schadenersatzforderungen durchzusetzen. Künftig haftet der Lieferant verschuldensunabhängig für etwaige Aus- und Wiedereinbaukosten gegenüber dem Handwerker als Käufer. Lieferanten werden folglich mit einem Anstieg derartiger Forderungen rechnen müssen. Deshalb hat der Gesetzgeber auch geregelt, dass der Lieferant berechtigte Ansprüche dann in seiner Bezugskette ebenfalls bis zum Verursacher durchleiten kann.
Für Handel und Industrie ist dies aber noch lange kein Grund zur Panik. Die gesetzlichen Änderungen gehen davon aus, dass es sich um einen echten Gewährleistungsmangel handeln muss, um Schadenersatz für die Aus- und Wiedereinbaukosten beanspruchen zu können. Dies setzt zwei Punkte voraus, die in der täglichen Baupraxis immer wieder übersehen oder völlig falsch beurteilt werden:
- Ein Gewährleistungsanspruch besteht nur dann, wenn die Mangelhaftigkeit zum Übergabe-/Abnahmezeitpunkt vorhanden oder objektiv angelegt ist.
- Den Beweis der Mangelhaftigkeit zum Übergabe-/Abnahmezeitpunkt muss der Anspruchsteller führen.
Raus aus der Kulanzfalle
Das eigentliche Problem, das eben auch mit der Gesetzesnovelle nicht gelöst wird, ist das weit verbreitete Missverständnis zum Thema Gewährleistung. Die tatsächlichen Gewährleistungsfälle nach obiger Definition, die in der Praxis vielleicht einen Anteil von 5 % aller Mangelanzeigen ausmachen, sind weder für das Handwerk noch für den Handel und auch nicht für die Industrie eine nennenswerte Hürde. Problematisch ist der große Anteil der vermeintlichen Gewährleistungsfälle, die der Handwerker häufig eben mit erledigt – ohne auch nur klarzustellen, dass er dies aus reiner Kulanz macht.
Wenn der Handwerker sofort und anstandslos auf eine Gewährleistungsanzeige reagiert und den Mangel behebt, akzeptiert und erfüllt er aus Sicht des Kunden dessen Rechtsanspruch auf Mangelbeseitigung. Natürlich fühlt sich ein Handwerker seinem Kunden verpflichtet und will ihn nicht vergraulen, aber so halst er sich mehr auf, als er aus rechtlicher Sicht leisten muss. Daher ist es von Vorteil, wenn man ein Gespür entwickelt, wann wirklich von einem echten Gewährleistungsmangel auszugehen ist.
Dabei hilft z. B. die einfache Frage, ob der angezeigte Mangel oder seine Ursachen schon zum Abnahmezeitpunkt bestanden. In der Praxis stellen Handwerker diese Frage meistens nicht, schultern lieber den zusätzlichen Aufwand. Ein Problem hat der Handwerker, wenn er glaubt, dass er zur Mangelbeseitigung verpflichtet ist und er seine Aufwendungen an den Materiallieferanten weiterleiten kann. Er kann nicht davon ausgehen, dass der Materiallieferant dasselbe Engagement und dieselbe Kulanz zeigt.
Entscheidung beim Handwerker
Das heißt: Auch nach Einführung der neuen kaufrechtlichen Regelungen zur Mängelhaftung werden Handwerker mitunter auf ihren Kosten sitzen bleiben, wenn eben kein bewiesener Gewährleistungsanspruch zugrunde liegt. Gerade wenn es um die Aus- und Wiedereinbaukosten geht, die im Mängelhaftungsrecht neu verbrieft sind, werden die Lieferanten natürlich genau hinschauen und entsprechende Beweise der Mangelhaftigkeit zum Übergabezeitpunkt verlangen, bevor sie dem Handwerker die Kosten ersetzen. Wie bereits in Teil 3 dieser Serie erklärt, sollte der Handwerker unbedingt seine Kunden darüber informieren, wann die Beweislast bei wem liegt. Andernfalls wandert die Beweislast auf seinen Tisch.
Liegen tatsächliche Gewährleistungsansprüche hinsichtlich verbauten Materials vor, hat der Verkäufer zukünftig dem Käufer die erforderlichen Aufwendungen zu ersetzen. In der bisherigen Kommentierung zu den Neuregelungen wird u. a. die Auffassung vertreten, dass ein Lieferant im Falle von Materialmängeln auch die Arbeiten zum Aus- und Wiedereinbau vornehmen soll. Unter Umständen liegt dies im Interesse des Handwerkers und er kann es im Rahmen des Nacherfüllungsanspruches vom Lieferanten auch verlangen, muss aber nicht. Im neuen Gesetz steht nämlich, dass der Verkäufer diesbezügliche Aufwendungen zu „ersetzen“ hat. Folglich hat ein Lieferant keinen Anspruch darauf, die Aus- und Wiedereinbauarbeiten selbst vorzunehmen. Dadurch wird ein Eingriff in bestehende Werkverträge durch Lieferanten verhindert und die Entscheidung, ob ein Lieferant tätig werden soll oder die Aufwendungen zu zahlen hat, liegt beim Handwerker als Käufer.
Lieferanten könnten nun versuchen, ihre AGB so zu formulieren, dass sie nicht dazu verpflichtet sind, die Aus- und Einbaukosten zu tragen. Dem hat der Gesetzgeber einen Riegel vorgeschoben, indem er auch den § 309 BGB geändert hat. Demnach sollen derartige Klauseln unwirksam sein. Da der § 309 BGB im unternehmerischen Verkehr nicht unmittelbar, sondern allenfalls über § 307 BGB mittelbar gilt, bleibt hier ein Restrisiko für die Unternehmer. Die Rechtsprechung wird hier allerdings sehr schnell für Klarheit sorgen, da die Gerichte es einem Lieferanten wohl nicht durchgehen lassen werden, wenn er versucht, sich mithilfe seiner AGB einer wesentlichen Intention der BGB-Reform zu entziehen.
Kenntnis der Rechtslage wichtig
Das Handwerk kann mit den neuen werkvertraglichen und kaufrechtlichen Änderungen prima leben. Einzige Voraussetzung für diesen Komfort ist die Kenntnis der Rechtslage. Es lohnt, sich mit den gesetzlichen Neuregelungen zu beschäftigen, Risiken zu erkennen und sich einen Überblick zu den Vorteilen zu verschaffen. Schließlich dreht sich alles um wirtschaftlichen Erfolg.—
§ 439 Nacherfüllung
In Absatz 3 steht: Hat der Käufer die mangelhafte Sache gemäß ihrer Art und ihrem Verwendungszweck in eine andere Sache eingebaut oder an eine andere Sache angebracht, ist der Verkäufer im Rahmen der Nacherfüllung verpflichtet, dem Käufer die erforderlichen Aufwendungen für das Entfernen der mangelhaften und den Einbau oder das Anbringen der nachgebesserten oder gelieferten mangelfreien Sache zu ersetzen. § 442 Abs. 1 ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass für die Kenntnis des Käufers an die Stelle des Vertragsschlusses der Einbau oder das Anbringen der mangelhaften Sache durch den Käufer tritt.
Serie BGB-Reform
Zum Januar 2018 wurde das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) geändert. Es bringt für die Gestaltung von Verträgen wichtige Änderungen mit sich, auch für Fachhandwerksbetriebe. Beispielsweise kannte bislang das BGB keine selbstständige gesetzliche Regelung des Bauvertrages, des Architekten- und Ingenieurvertrages oder des Verbraucherbauvertrages. In einer vierteiligen Serie haben wir beschrieben, was neu geregelt wurde.
Teil 1: GLASWELT Oktober 2017, S. 80–81: Start zur Kodifizierung des Baurechts nach 100 JahrenTeil 2: GLASWELT November 2017, S. 106–107: Besteller kann Bauvertrag einseitig ändernTeil 3: GLASWELT Dezember 2017, S. 76–78: Sicherheiten, Abnahme und KündigungTeil 4: ...halten Sie in der Hand
Der Autor
Rechtsanwalt Dr. jur. Hans-Michael Dimanski ist Partner RA-Kanzlei Dr. Dimanski, Kalkbrenner & Schermaul in 39104 Magdeburg.