_ Wenn der Schreiner ein Fensterelement einkaufen muss, wird das immer noch ganz häufig per Telefax bestellt. Auch wer Preisanfragen und Bestellungen macht, greift in der Regel noch immer zu diesem bewährten Übermittlungsgerät. Das hat weniger mit der Ablehnung neuer Technologien zu tun, sondern mit dem Verhältnis zwischen Zulieferer und Schreiner: Dieses ist nach wie vor distanziert. Zwischen den Fensterbetrieben und lokalen Schreinereien wird kaum interagiert. Das heißt, man holt Angebote mit Fensteraufrissen auf Papier ein. Wenn man sich preislich einig ist, erfolgt später die Bestellung in der Regel mit den gleichen Hilfsmitteln.
Kunden kann man nicht vor den Kopf stoßen
Diese Methode führt zu viel Verwaltungsaufwand – müssen doch die Daten auf beiden Seiten aufbereitet werden. Zudem weiß die beauftragte Herstellerfirma nie ganz genau, wie sauber die Daten erfasst wurden und die Gefahr von Fehlern ist hoch. Wenn Fehler passieren, ist es aus Sicht des Herstellers einfach, deren Ursprung zu ermitteln.
Die Haftungsfrage ist zwar relativ klar – die Auswirkungen aber trotzdem kaum konsequent durchzusetzen. Denn: Wie in vielen anderen Situationen gilt es für die Hersteller, Käufer als solche zu behalten, was fast zu Entgegenkommen zwingt. Die Risiken dieser Bestellvorgänge erfordern eine andere Einschätzung der Gefahren, was sich auf die Kosten auswirkt. Sowohl die Zulieferer als auch die Schreiner sind gezwungen mehr Risiko einzurechnen, als es der Fensterbauer als Direktanbieter tut. Auch aufgrund dieser einzukalkulierenden Unwägbarkeiten haben Schreiner im Wettbewerb mit Direktanbietern oft das Nachsehen.
Neue Modelle gefragt
Dass sich Geschäftsbeziehungen auch anders regeln lassen, zeigen zwei aktuelle Beispiele. „Wir setzen vermehrt auf Partnerschaften mit Schreinern und bieten dafür verschiedene Modelle der Zusammenarbeit an“, sagt Basil Gasser, Geschäftsführer der Gawo Gasser AG im schweizerischen Wolhusen. Nach wie vor kann man beim Fenster- und Jalousienhersteller konventionell mittels Bestell- oder Maßaufnahmeformular bestellen und die Waren im Werk abholen.
Wünschen Schreiner aber eine intensivere Zusammenarbeit, geht das Unternehmen auch einen oder gleich mehrere Schritte weiter. Wer sich die Preisermittlung und die Arbeitsvorbereitung selber zutraut, kann nach vorheriger Absprache via Online-Verbindung einen Kontakt zum Server der Gawo Gasser AG aufbauen und die Daten selber erfassen. Man sei aber sehr zurückhaltend bei solchen Lösungen, denn oft fehle es den Partnern an der notwendigen Fachkompetenz im Spezialgebiet Fensterbau, so Basil Gasser.
Online ist vieles möglich – das Fachwissen ist aber nicht ersetzbar
Die technischen Voraussetzungen für solche Lösungen sind aber relativ einfach umzusetzen. „Dazu braucht es nur eine Remote-Desktop-Verbindung auf dem Server“, sagt Ernst Schiess vom Fenstersoftware-Anbieter 3E Schweiz AG. Innerhalb der Branchenlösung könne man dann die Restriktionen so setzen, dass Außenstehende keinen Zugriff auf heikle Bereiche wie Kalkulationsparameter, Konstruktionen oder Maschinendaten haben. Trotzdem müsse aber die Eingabe komplexer Konstruktionen möglich sein.
„Das ist sehr schwierig einzurichten“, sagt Gasser. Denn wenn man auch sehr viele Fehler durch das Setzen von Restriktionen verhindern könne, ersetzen diese nicht das technische Grundwissen, das man für den Fensterbau mitbringen müsse. Wer also wenig Ahnung von der Fensterkonstruktion hat, lässt das Ganze lieber bleiben. „Um jede Eventualität auszuschließen, müssten wir die Restriktionen so setzen, dass kaum mehr eine vernünftige Konstruktion möglich wäre“, so der Fenster- und Jalousienhersteller. Zudem sei die zwingende Nachkontrolle vor der Produktionsfreigabe sehr schwierig und fast genauso aufwendig, wie wenn Gassers Spezialisten die Eingaben von Anfang an selber tätigen. Im Zweifelsfall ziehe man darum den klassischen Bestellvorgang und damit die Mehrfacherfassung vor.
Außenposten beim Kunden
Etwas anders funktioniert die Geschäftsbeziehung zwischen dem Fensterhersteller und einer Holzbaufirma im Kanton Zürich. „Dieses Unternehmen hat mit uns eine intensive Zusammenarbeit angestrebt, sodass wir jetzt dort einen Außenposten eingerichtet haben“, erklärt Gasser. Die Auftragslage sei dort mittlerweile so gut, dass ein Projektleiter der Firma ständig im Holzbaubetrieb vor Ort ist und die Fensteraufträge erfasst. Das passiert ebenfalls auf einem Remote-Desktop – dann aber ohne Einschränkungen. Er bearbeitet die Aufträge der Holzbaufirma vor Ort selbstständig, ist aber auf der Lohnliste der Gawo Gasser AG zu finden. Maßaufnahmen oder Kundenberatungen erledigt der Projektleiter nur bei sehr schwierigen Aufträgen. Die entsprechende Unterstützung wird je nach Auftragsgröße ganz, teilweise oder gar nicht in Rechnung gestellt. Die Verrechnung der Fensterelemente erfolgt auf Basis „gefertigt und geliefert“, alle weiteren Aufwendungen kalkuliert die Holzbaufirma selber.
Je nachdem unterstützt die Gawo Gasser AG den externen Partner aber auch bei der Koordination und bei der Montage der Aufträge.
„Solche Partnerschaften muss man intensiv pflegen, die funktionieren nicht einfach nach einem vorgegebenen Schema“, sagt Gawo-Geschäftsführer Basil Gasser.
Hunkeler lässt Kunden auf den Server
Eine neue Form der Partnerschaft strebt auch die 1A Hunkeler AG in Ebikon an. Die Firma stellt ihren Partnern die Produktionsplattform samt Branchensoftware zur Verfügung. „Unsere Partner können von extern auf unseren Server zugreifen und dort mit den gleichen Stammdaten kalkulieren und Projekte erfassen, wie unsere eigenen Projektleiter“, sagt Geschäftsführer Rolf Hunkeler. Die 1A Hunkeler AG deckt selber aber nur den Produktionsanteil ab – alle vorgelagerten und nachgelagerten Kosten müssen die Partner selber kalkulieren und abdecken.
Nach dem Erfassen und Bearbeiten der Fensteraufträge auf dem Server überprüft ein Hunkeler-Mitarbeiter die Fertigungstauglichkeit der geplanten Fenster. Die Verantwortung für alles, was nicht Produktion und Lieferung betrifft, liegt dabei vollumfänglich beim Partner und nicht bei der 1A Hunkeler AG.
Aber: Dieses Vorgehen erfordert viel Fachwissen seitens der Partner. Sie müssen ihr Tun im Griff haben, denn sie können auf keine technische Unterstützung der Spezialisten zählen. Damit die Partnerschaften – auf der Website von Hunkeler sind sie als „Filialen“ aufgeführt – trotzdem funktionieren und für alle zu befriedigenden Resultaten führen, lädt Hunkeler die Schlüsselfiguren regelmäßig zum Austausch ein und schult die Beteiligten in konstruktionstechnischen Belangen, wie auch auf der Branchensoftware. Zudem unterstützt die 1A Hunkeler AG ihre Partner mit Ausstellungsfenstern und Werbematerial. Allerdings verlangt das Unternehmen Gegenleistung für das Benutzen der Plattform.
Das Angebot von Hunkeler richtet sich denn auch eher an Fensterbauer, die ihre eigene Produktion herunterfahren, aber trotzdem im Fenstergeschäft verbleiben wollen. Für Schreiner, die nur ab und zu einige Fenster bestellen wollen, ist das System eher nicht geeignet.
Branche profitiert
Dass es zunehmend neue Vertriebsmodelle gibt, tut der Fensterbranche gut. Noch gibt es sehr viele Unternehmen, die alles selber herstellen und es aufgrund fehlender Kompetenzen besser sein lassen würden. In einem immer komplexer werdenden Umfeld ist es für viele Betriebe schwierig, den Anschluss zu halten. Dazu beigetragen hat auch die angespannte Lage am Personalmarkt. Kompetente Fenster- und Fassadenprojektleiter sind immer schwieriger zu bekommen.
Noch schwieriger ist es, die bereits vorhandenen Fachkräfte stets auf einem hohen technischen Niveau zu halten. Vor allem wenn es an herausfordernden Aufträgen fehlt, mit denen man Erfahrung aufbauen könnte. In diesem Sinne können Partnerschaften mit spezialisierten Firmen viel Sinn machen. —