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GLASWELT vor Ort: Glasbau 2017 in Dresden

Die Entwicklung nimmt Fahrt auf

_ Über 200 Spezialisten trafen sich am 30. und 31. März wieder zu der renommierten Tagung in der Technischen Universität in Dresden. In 30 Vorträgen aus Forschung und Entwicklung sowie aus Anwendung und Konstruktion wurden die neuesten Trends im Bereich des Bauens mit Glas vorgestellt. Themenschwerpunkte waren „Bemessung und Glasveredelung“, „Fassade“, „Solares Bauen“, „Prüfung und Konstruktion“, „Kleben im Glasbau“ und „Bauten und Projekte“.

Dass Glasdächer in großen Dimensionen nicht nur technisch möglich, sondern funktionell und ästhetisch sein können, wurde im ersten Impulsvortrag von Sven Pilienger, schlaich bergermann partner, Stuttgart, gleich eindrucksvoll anhand einer 42 × 36 m großen Plaza-Überdachung in Luxemburg präsentiert. Leichtigkeit mit höchster Transparenz, kombiniert mit einer gelungenen Integration in ein Bestandsgebäude kennzeichnen diese architektonische Meisterleistung.

Das perfekte Zusammenspiel zwischen Lichteinfall, Wärmeeintrag, natürlicher Lüftung und idealer Raumklimatisierung zeigte Prof. Frank Wellershoff von der HafenCity Universität, Hamburg, anhand eines Modellobjekts. Die Vorteile einer Vorhangfassade wurden dort verknüpft mit einem Lüftungskonzept, um optimale klimatische Bedingungen im Gebäudeinneren zu erzeugen. Eine intelligente Steuerung misst die Klimadaten im Raum und leitet je nach Bedarf wärmere Luft aus dem Raum hinter der zweiten Glashaut oder kühlere Luft aus dem Außenbereich ins Rauminnere. So sei innen nicht nur eine optimale Temperaturgestaltung gegeben, sondern auch eine gute Versorgung mit Sauerstoff, da die Sensoren neben der Temperatur auch den CO2-Gehalt überwachen.

Spannend für Verarbeiter

In weiteren Vorträgen wurden neueste Entwicklungen der Glasnormung beleuchtet sowie der Einsatz hochfester Zwischenlagen für die Herstellung von Verbundsicherheitsglas, die „zu neuen konstruktiven Möglichkeiten führen werden“, so Matthias Haller von Solutia über die neue Zwischenlagenfolie DG 41. Diese Folie verleihe VSG eine höhere Steifigkeit und erlaubt so erweiterte konstruktive Möglichkeiten.

Verbundsicherheitsglas automatisch in freien Formen zu schneiden und solche Gläser damit kostengünstig für architektonische Zwecke einsatzfähig zu machen, war das Thema von Bernhard Hötger von Hegla. Bei diesem Zuschnittverfahren wird mit Hilfe eines Laserstrahls die Folie zwischen den Glastafeln durchtrennt. Die dabei erreichten Geschwindigkeiten entsprechen den herkömmlicher Zuschnittmethoden.

Weiter wurde ein Verfahren zur einfacheren Randemaillierung, der „True Egde Application“, durch ein abgestimmtes Konzept von Beschichtung (Guardian) und Emaillefarbe (Ferro) vorgestellt. Die Beschichtung braucht dann nicht mehr abgeschliffen zu werden, da sie sich beim Einbrennen der Emaillefarbe komplett in dieser auflöst. Insgesamt zeigen diese Entwicklungen erweiterte Möglichkeiten im Glasbau auf und werden zu neuen Anwendungen führen.

Die ionic skin GmbH, Gersthofen, stellte am Beispiel eines Supermarkts in Österreich die Möglichkeiten ihres Fassaden-Systems vor. Große Elemente von Sandwichpaneelen werden dabei direkt als tragende Elemente in der Fassade verbaut, ohne die Hilfe einer entkoppelten Tragkonstruktion.

Glas und Solar, eine starke Kombination

Einen Vortragsschwerpunkt bildete das Bauen mit solaren Elementen, die unter anderem als doppelt funktionale Bauteile eingesetzt werden, um neben der Stromerzeugung auch noch zur Abschattung zu dienen. Dabei wurden Konzepte vorgestellt, bei denen das Isolierglas gegen ein semitransparentes Photovoltaikmodul ausgetauscht wird oder PV-Elemente an bestehende Isolierglas(dächer) adaptiert werden. Dr. Gerhard Mathiak von der TÜV Rheinland Energy GmbH referierte über Prüfmöglichkeiten für Photovoltaikelemente in Klimazonen mit starker Sand- oder Staubsturm-Belastung, um dort, wo die Sonneneinstrahlung eine hohe Ausbeute verspricht, diese auch dauerhaft einzufahren.

Gläserne Zeitreise bis ins Jahr 2030

Prof. Jens Schneider von der Technischen Universität Darmstadt unternahm mit den Anwesenden eine kleine Zeitreise ins Jahr 2030 und überlegte, welche Möglichkeiten und Fragestellungen es dann im Glasbau wohl gäbe.

Neben der Feststellung, dass wir uns im Glasbereich wohl immer noch mit offenen Normungsangelegenheiten befassen werden, warf er einen Blick auf vielversprechende Trends vom morgen. Er prognostizierte, dass Gläser – wie schon in den vergangenen Jahren – immer größer und damit auch dicker werden. Parallel dazu sieht er aber auch vielfältige Einsatzgebiete für Dünngläser in Verbindung mit thermischer oder chemischer Vorspannung sowie als Laminate, da solche Verbünde eine ausgezeichnete Flexibilität bei gleichzeitig hoher Festigkeit besitzen.

Weiter sieht er eine große Zukunft für den Einbau von Sensoren in Glas, die informieren und reagieren können. Ebenso seien laut Prof. Schneider additive Techniken zur Herstellung von Glas im Kommen; damit lassen sich dann Glaselemente formen, die geometrisch mit heutigen Verfahren nicht oder nur mit extremen Aufwand herstellbar sind.

Die Prüfung von Gläsern auf Spannungen und Festigkeiten war ein weiterer Themenschwerpunkt. So berichtete Prof. Jürgen Neugebauer von der University of Apllied Sciences Graz, von den Besonderheiten des Dünnglases. Bei diesen Gläsern könne die Festigkeit nicht mit herkömmlichen Prüfverfahren bestimmt werden, da die extreme Biegbarkeit von Dünnglas dies nicht zulasse. Um dennoch eine Aussage gerade als Bauprodukt für solche Gläser zu bekommen, brauche es neue Verfahren und Auswertemethoden.

Über neue, zerstörungsfreie Prüfungen von Spannungen im Glas, die eine Beurteilung der Vorspannung erlauben, referierte Benjamin Schaaf von der RWTH Aachen. Mit Hilfe von polarisiertem Licht und spannungsoptischen Messungen und Berechnungen lässt sich die Höhe der Vorspannung bestimmen sowie die Ungleichmäßigkeit der Spannung über die gesamte Fläche (Anisotropie). Diese Anisotropien spielen gerade bei größeren Fassadenprojekten mit vielen vorgespannten Glaseinheiten eine immer wichtigere Rolle hinsichtlich der optischen Qualität.

Kleben im Glasbau ist weiter auf dem Vormarsch

Dass das Kleben von Glas immer mehr an Bedeutung gewinnt, wurde in einer weiteren Session der Konferenz deutlich. So präsentierte Prof. Matthias Kraus von der Bauhaus Universität Weimar geklebte Gläser anhand des Forschungsvorhaben LaWin zur Entwicklung von Fenstern als Wärmetauscher. Und Dr. Christian Scherer von der Kömmerling Chemische Fabrik berichtet über die Verkappselung von Medienfassaden. Klebstoffe werden in vielen verschiedenen Varianten zunehmend zur Verbindung von Glas mit Glas sowie mit anderen Materialien eingesetzt, da sie Vorteile in der Flexibilität und Vielseitigkeit der Anwendungen bieten, und das auch bei langjährigem Einsatz.

Eine Ausstellung im Foyer und eine Führung durch die gut ausgestatteten Laboratorien der TU Dresden ergänzten die Veranstaltung. Alle Vorträge und weitere Veröffentlichungen sind im Tagungsband „Glasbau 2017“ zu finden. Auch 2018 wird Dresden wieder die Tore für eine weitere „Glasbau“ öffnen. —

Dr. Thomas Schmidt, www.glasberater.com

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