_ „In den letzten Jahren konnte sich Glas immer wieder neue Anwendungsbereiche erschließen, gerade auch in Nischensegmenten“, so der Geschäftsführer Dr. Andreas Appel mit Blick auf die Entwicklung. Dazu zwei Beispiele: das Smartphone und die Photovoltaik.
Nach den Worten von Dr. Appel ist die Hecker Glastechnik seit ihrem Bestehen in Nischen tätig. Das Kerngeschäft war und ist dabei die Veredelung von Glasprodukten für die Industrie.
Dabei standen Sondergläser, die hitze-, druck- und chemikalienbeständig sind, stets im Vordergrund. ESG hat Hecker als einer der ersten Anbieter in die Küchenindustrie geliefert. Das war noch zu den Zeiten, als Backöfen emaillierte Metalltüren hatten und erst nach und nach kleine Schaugläser bekamen. Später dann zogen Elektronik und Sensorik ein. Das Schauglas, das den Wasserstand anzeigte, wurde durch Sensoren ersetzt – und digitale Displays „im Glas“ ersetzten analoge Anzeigeinstrumente.
In diesem Falle wurde das „Schauglas“ zwar überflüssig, Glas tauchte dafür aber als Display in der neuen Technologie auf. Glas wurde quasi durch Glas ersetzt.
Schneller als erwartet hat sich in den vergangenen Jahren die LED-Technik gegen die alte Lampentechnik durchsetzen können. Dies hat wiederum zu einem verminderten Bedarf an verformten oder gepressten Gläsern geführt. Auch Farbgläser sind in dieser Anwendung fast verschwunden.
Der Bedarf an hocheffizienten und beschichteten Floatgläsern stieg dadurch aber deutlich.
Dr. Andreas Appel: „Gelegentlich haben die Hersteller versucht, auf Glas zu verzichten und auf Kunststoff zu setzen.“ Allerdings, so z. B. bei Leuchtengläsern, setzten sich schnell wieder die Vorteile von Glas durch: keine Permeabilität gegenüber Gasen, UV-Stabilität und Kratzfestigkeit.
Neue Anwendungen wie Fassadenbeleuchtungen, Kanteneinspeisungen und beleuchtete Lasergravuren kamen durch die LED-Technik hinzu.
Für das Geschäft von Hecker bedeutete dies, dass Glas nicht mehr unbedingt hitzebeständig sein muss. Auch muss es nicht mehr so dick und groß, dafür aber schlagfest und immer hochpräzise bearbeitet sein.
Unschlagbare Eigenschaften
Glas ist zwar nach wie vor durchsichtig, doch wird diese Eigenschaft in einigen neuen Anwendungsbereichen kaum mehr gefordert. In der Gebäudeautomation sowie in der Küchen- und Medizintechnik bis hin in den Interieurbereich des Automobils werden heute überwiegend die hervorragenden Oberflächeneigenschaften von Glas geschätzt.
Neben der Kratzfestigkeit ist es vor allem die Eigenschaft, hygienisch und ökologisch unbedenklich zu sein. Immer vermittelt Glas dabei einen Eindruck von Hochwertigkeit. Vor allem manche (industriellen) Abnehmer von Glas wollen sich gerade mit diesen Werkstoffeigenschaften gegenüber Billiganbietern absetzen.
„Nach unserer Prognose könnte Glas daher in einigen Bereichen Kunststoffe, Metalle, Keramiken oder auch Holz ersetzen. Dafür muss das Glas allerdings sicher sein, hochwertig bearbeitet und insbesondere hochwertig bedruckt werden können“, sagt Dr. Andreas Appel.
Dr. Appel: „Ein kleiner Nachteil bei Glas ist das doch höhere Gewicht gegenüber z. B. Kunststoffen. Deshalb kommen heute mehr und mehr 3 mm-ESG oder 2 mm-TVG zum Einsatz. Aber wer weiß, vielleicht gibt es ja einmal leichteres Glas?“
Laut Dr. Appel liegen die Anforderungen des Marktes an die Qualität des Rohglases schon heute häufig über den Standards der Glashersteller. Dies betrifft Anforderungen an die Farbgleichheit, die Anmutung der Oberfläche, die Dickentoleranzen und das praktische Nicht-Altern des Glases. Hier können Spezialisten wie Hecker klar ihre Vorteile in der Veredlung ausspielen.
Chemisch hochvorspannbare Alumosilicatgläser, die bei geringerer Dicke eine hohe Festigkeit und Kratzbeständigkeit gewährleisten, kommen bei solchen Anfragen verstärkt zur Anwendung. Auch Verbundmaterialien aus Glas-Kunststoff-Glas sind dem Laborstadium entwachsen und thermisches Vorspannen wird so in einigen Bereichen nicht mehr nötig, ja vielleicht sogar unerwünscht sein.
Was bringt die Zukunft?
Wenn Dr. Andreas Appel und Yikai Gao in die Zukunft blicken, sehen sie praktisch überall um sich herum Glas. Warum das so ist: Der Mensch braucht Licht zum Leben.
Daher werden die Gebäude von morgen mehr Transparenz bieten und mit natürlichem Tageslicht „arbeiten“. Zugleich werden Glasflächen zur Energieerzeugung genutzt. Gerade hier kann der Werkstoff seine Vorteile in Bezug auf Hochwertigkeit und dauerhafte Beständigkeit ausspielen. Dass es in naher Zukunft allgegenwärtige Glasdisplays wie im Film „A Day Made of Glass“ (Tipp der Redaktion: einfach bei Google eingeben) geben wird, wo sich über Glas(wände) die gesamte Haustechnik und Medienkommunikation steuern lässt und den Nutzer permanent mit Informationen versorgt, glaubt man bei Hecker allerdings nicht. —
Nachgefragt – Mit Marketingleiter Yikai Gao im Gespräch
Glaswelt – Herr Gao, ist es aus Ihrer Sicht denkbar, dass es für den Werkstoff Glas in einigen Jahren völlig neue Anwendungsfelder gibt, an die heute vielleicht noch niemand denkt?
Yikai Gao – Davon gehe ich aus. Glas wird sich noch stärker in der Architektur durchsetzen und Energielieferant werden. Dazu wird es im Bereich der Photovoltaik aber dünner werden müssen, um statische Probleme auszuschließen. 3 mm und weniger wird künftig der Standard sein. Das Thema Solarenergie, bei dem es auch um transportable Ladegeräte etwa für Smartphones geht, wird gerade neu definiert.
Glas ist ein Hightech-Werkstoff, der in Zukunft deutlich weiterentwickelt und noch ganz neue Anwendungsfelder erschließen wird. So kommen flexible Ultradünngläser mit einer Stärke zwischen 20 und 50 µm, die die Vorteile von Glas (Kratzfestigkeit, antibakteriell) und Kunststoff (Flexibilität) in sich vereinen, zunehmend in den Markt. Anwendungsbereiche sind hier z. B. ultraflache und gebogene Smartphones oder auch OLEDs, die Weiterentwicklung der LEDs
Glaswelt – Können Sie weitere Anwendungsfelder nennen?
Gao – Die Vorteile von Glas sind klar die chemische Beständigkeit und eine fast unbegrenzte Haltbarkeit. In der Medizin geht der Trend in Richtung minimalinvasive Eingriffe. Der Arzt operiert praktisch mittels Joystick. Heute müssen die Computer im OP aus Gründen der Sterilität abgekapselt sein. Morgen werden wir vielleicht neue superglatte Displays und Oberflächen haben, ohne Fugen und Vertiefungen, über die der Arzt dann steuern und überwachen kann.
Glaswelt – Sehen Sie, dass das Glas andere Werkstoffe verdrängen wird?
Gao – Glas gilt heute in vielen Bereichen als gesetztes Designmaterial und -element. Andere Werkstoffe können sich hier oftmals aufgrund ihrer Oberflächenstruktur und einer geringeren Lebensdauer nicht gegenüber Glas behaupten. Allerdings bleibt auch hier die Entwicklung nicht stehen. So arbeitet beispielsweise die Lackindustrie bereits an kratzfesten Oberflächen. Ob solche Beschichtungen den Werkstoff Glas vielleicht in einigen Jahren verdrängen können, lässt sich heute natürlich nicht sagen.
Glaswelt – Kommen Trends in der Regel von den Glasanbietern oder sehen Sie hier eher Chancen für kleine flexible Spezialisten wie Hecker?
Gao – Selbstverständlich haben hier innovative Glasfirmen gute Chancen. Doch letztendlich gilt, dass der Markt entscheidet, was gebraucht wird. Und so arbeiten wir auch: Der Kunde tritt mit Wünschen an uns heran und nun ist es unsere Aufgabe, diese Wünsche zu erfüllen.
Glaswelt – Gibt es „runde Tische“ mit anderen Branchen, bei denen über zukünftige Glasentwicklungen gesprochen wird?
Gao – Ein wichtiger Indikator für Trends und neue Entwicklungen sind immer die Fachmessen. Branchenübergreifende runde Tische oder Gesprächszirkel sind eher die Ausnahme.
Glaswelt – Bei den Glasverarbeitern hat sich in den letzten Jahren viel bewegt. Wo sehen Sie neue Tätigkeitsfelder?
Gao – Die Verarbeiter müssen immer offen für Veränderungen sein. Ein Beispiel ist die Lasertechnik, die sich in der Produktion innerhalb der klassischen Bearbeitung mit Diamantwerkzeugen und des Zuschnitts sicher auf breiterer Ebene durchsetzen wird. Wer hier nicht bereit ist permanent in neue Techniken zu investieren, wird es künftig schwer haben.
Leider werden dabei die Zeitabschnitte für Neuentwicklungen immer kürzer. Wenn es früher Bestandszeiten von zehn und mehr Jahren gab, sprechen wir heute manchmal nur noch von zwei bis drei Jahren.