_ Von der geschäftsführenden Familie bis zum Auszubildenden ist bei der Schreinerei Brammertz zu spüren: Jeder geht seiner Arbeit mit Leidenschaft und Wertschätzung nach. Das ist sicher der wesentliche Faktor, warum der Betrieb in Aachen so erfolgreich ist. Doch wie ist es der Inhaberfamilie Brammertz gelungen, diese Passion auch auf ihre Mitarbeiter zu übertragen? Dem heutigen Seniorchef Eduard Brammertz ist die heute im Betrieb herrschende Atmosphäre zu verdanken. Während sein Vater Hubert, der das Unternehmen in 2. Generation führte, noch einen patriarchalischen Führungsstil pflegte, hat Eduard das im Laufe der Jahre geändert. Schreinermeister Max Brammertz, der die 4. Generation repräsentiert, erklärt: „Vertrauen, Achtung und Respekt sind wesentliche Bausteine unserer Mitarbeiterführung, die letztlich auch zu einer Identifikation mit dem Betrieb führen. Diese Identifikation erzeugt Leistungsbereitschaft. Solche weichen Faktoren sind neben einer übertariflichen Bezahlung wichtig, zumal die heutige Generation Y viel mehr in Frage stellt. Daher zeigt sich die Geschäftsführung transparent, nimmt die Mitarbeiter mit, überzeugt und befiehlt nicht. So herrscht eine gegenseitige hohe Wertschätzung.“
Spürbare Leidenschaft
Fortbildungen und Workshops werden regelmäßig mit der gesamten Belegschaft besucht. Nach „Ordnung und Sauberkeit im Betrieb“ wurde nicht nur die Berufskleidung eingeführt, auch die Mitarbeiter ziehen Positives. Sie sorgen seither immer für einen aufgeräumten Arbeitsort. Interessant war auch das Ergebnis von „Kommunikation untereinander“. „Ein Ergebnis ist, dass jeder jeden per Handschlag begrüßt. Das Prinzip der ,offenen Hand‘ wird hier gelebt“, so Eduard. Das überzeugte so, dass die Mitarbeiter selbst zu Zeiten der Erkältungskrankheiten und Grippewelle nicht auf den Handschlag verzichten wollten, stattdessen lieber ein Desinfektionshandwaschmittel besorgten. „Ethik, Moral, Respekt und Achtung – wir pflegen einfach die Grundwerte der christlichen Soziallehre, praktizieren eine ethische Unternehmensführung“, lebt die Geschäftsführung vor, was die Mitarbeiter begeistert mitmachen. „Die Kunst ist, auch nett, ruhig und besonnen zu bleiben, wenn irgendetwas passiert ist“, sagt Eduard, „wenn man erfolgreich mit seinem Unternehmen sein will, muss man Kommunikation und Menschenführung lernen. Das ist im Großen und Ganzen unser Erfolgsrezept.“
Tandems bewahren Wissen
So ist auch der Erfolg zu erklären, den die Generations-Tandems haben. „Wir haben hochqualifizierte Mitarbeiter, alt und jung, alle Altersklassen sind vertreten. Damit das Wissen und die Erfahrung der Älteren erhalten bleibt, haben wir Tandems gebildet: immer ein junger mit einem älteren Mitarbeiter. Das funktioniert ausgezeichnet“, erklärt Max.
Integration älterer Beschäftigter
Dafür wurde Brammertz ausgezeichnet. Die gemeinnützige und unabhängige US-amerikanische Organisation AARP (American Association of Retired Persons) würdigt Unternehmen, die wegweisende Maßnahmen zur Integration älterer Beschäftigter umsetzen und sich den Herausforderungen des demografischen Wandels vorbildlich stellen. Diese Organisation zeichnete die Schreinerei Brammertz für ihre demografisch orientierte Personalpolitik mit dem internationalen Arbeitgeberpreis aus. „Wir waren zur Preisverleihung nach San Diego eingeladen, wussten aber nicht, dass wir auch gewonnen hatten. Daher ist niemand hingeflogen“, erinnert sich Alice Brammertz, „und dann kam der Preis und ein Filmteam von denen stand plötzlich vor der Tür.“
„Wir sind insbesondere auf Bauen im Bestand ausgerichtet“, berichtet Eduard. „Auch in der Denkmalpflege sind wir gut unterwegs. Da versuchen wir an Bestand zu erhalten, was möglich ist. Wir betrachten Erhalten als ein hohes Kulturgut.“ Entsprechend setzt man bei Brammertz auf eine bedarfsorientierte Beratung, denn auch mit dem Erhalten gewinnt man Kunden. „Mittlerweile haben wir drei Meister, die sich um den Bereich Reparatur kümmern“, meint Aline Brammertz. Die Schwester von Max kümmert sich neben der Werbung und die Außendarstellung , insbesondere auch um die Visualisierung für Kunden. Denn auch im Umgang mit den Kunden pflegt das Unternehmen seinen eigenen Stil.
Qualität zum Anfassen
Freilich fahren Vater oder Sohn noch zum Aufmaß beim Kunden, schaffen sich einen Eindruck vor Ort. „Doch dann kommt der Kunde zu uns“, sagt Max Brammertz. „Wir zeigen ihm den Betrieb, er kann die Qualität, die wir bieten, anfassen. Teils sind wir etwas teurer, aber der Kunde erkennt ganz genau, welche Mehrwerte er erwirbt.“ Der Lösungsvorschlag – den Begriff Angebot gibt es bei Brammertz nicht – wird im Betrieb mit dem Kunden besprochen, bei Bestandsobjekten zudem visuell am Computer von Aline dargestellt.
Werte auch nonverbal vermitteln
Mehrwerte sind nicht nur die besondere Lackierung, die dem Kunden ein Nachstreichen für einige Jahre erspart, auch der nachgelagerte Service ist enthalten. „Wenn sich ein Fenster oder eine Tür gesetzt hat, das Schließen vielleicht hakt, dann schicken wir einen Mitarbeiter raus“, so Max, „ohne weitere Rechnung. Hier können wir dem Kunden zeigen, was wir tun, welche besonderen Leistungen wir erbringen. Es soll kein Kunde hier rausgehen und sagen, wir seien zu teuer. Er darf höchstens sagen, dass unsere Lösung seinen finanziellen Rahmen übersteigt.“
Auch die Mitarbeiter sorgen für positive Eindrücke. Bevor der Brammertz-Handwerker das Haus eines Kunden betritt, legt er eine Firmenfußmatte vor die Tür. „Wir agieren immer positiv, denn wir müssen dem Kunden die Furcht nehmen, dass wir sein Heim in eine verdreckte Baustelle verwandeln. Dazu baut der Mitarbeiter Vertrauen auf und das geschieht, indem er so verantwortlich handelt, als wäre es sein Eigentum“, erklärt Eduard.
Aline Brammertz vermittelt die Werte, für die das Unternehmen steht, nonverbal. „Da geht es beim Briefpapier los, das höherwertig ist. Selbst die Briefmarken wählen wir aus, die sollen das Handwerk repräsentieren. Unsere Autos, die Arbeitskleidung, alles ist sauber und ordentlich. Der gesamte Auftritt soll eine gewisse Wertigkeit, Qualität und Wärme ausstrahlen“, sagt sie. „Wir versuchen Wertigkeit und Qualität zu leben.“
Belohnt wird dieser Einsatz nicht zuletzt durch eine „gute Konjunktur“, wie es Max Brammertz formuliert, die insbesondere einer intensiven Mund-zu-Mund-Propaganda der Kunden zu verdanken ist. Auch überregional hat das Unternehmen einen guten Ruf. „Wir sind viel in Brüssel und anderen belgischen Orten im Einsatz“, so Max. Selbst in Rom finden sich Fenster von Brammertz. So hat das Unternehmen um die Villa Massimo zu sanieren, wo das Haus der bildenden Künste in Rom untergebracht ist, sogar für einige Monate Maschinen aus Kornelimünster dorthin transportiert. Und der Einsatz seinerzeit im Vatikan, als Brammertz dort Arbeitsbibliotheken plante, brachte sogar eine private Einladung von Papst Benedikt ein.
Herausforderung Digitalisierung
Der Handwerksbetrieb ist trotz aller Liebe zu Traditionen und Werten nicht in der Vergangenheit stehen geblieben. Längst steht eine hochmoderne CNC-Fräse in der Werkstatt. Die Umsetzung der Kundenwünsche, verbunden mit den Lösungsvorschlägen von Brammertz, sind ein modernes Vertriebsmittel. „Die Digitalisierung ist eine große Herausforderung“, betont Max. Doch bleibt es einfach etwas anderes, ob ein Kunde das Bild eines schönen geschwungenen Holzfensters sieht, oder ob er das feine geschliffene Material selbst berühren kann. Damit die Kunden richtig was zum Anfassen bekommen, ist für dieses Jahr der Aufbau einer neuen Ausstellung in der Werkshalle Am Bahnhof ins Visier genommen. „Wir wollen, dass der Kunde hören und fühlen kann, wie die Tür ins Schloss fällt. Er soll die Wertigkeit spüren“, sagt Aline. Ebenfalls für dieses Jahr ist der Dreh eines Imagefilms geplant. „Der soll nicht nur zeigen, wie wir Fenster oder Türen bauen, er soll auch zeigen, wie wir beim Kunden auftreten und dort arbeiten“, schildert Max den Plan.
Natürlich und wertbeständig
Einen Regionalbus haben sie bereits mit passender Werbebotschaft versehen. „Natürlich + wertbeständig“ prangt als auffällige Werbebotschaft auf dem Verkehrsmittel. „Wir bauen heute manchmal Fenster aus, die Großvater eingebaut hat, die also bald 100 Jahre alt sind. Und das ist auch heute unser Anspruch: Unsere Fenster halten auch wieder an die 100 Jahre. Das will ich dem Kunden verständlich machen“, sagt Eduard Brammertz. Mit solchen gelebten Ansprüchen gelingt es dem Unternehmen, sich fernab der Massenproduktion seine Individualität zu bewahren. Die drückt sich neben den gelebten Werten besonders durch spürbare Leidenschaft aus.—
Info
Die Schreinerei Brammertz hat diverse Auszeichnungen erhalten. 2017 wurde der 1. Platz beim Alfeld-Jacobi-Preis für Digitalisierung sowie der 1. Platz beim Alfeld-Jacobi-Preis für Zukunftsbildung erreicht. Das Unternehmen wurde zum Fensterbauer des Jahres 2016 in der Kategorie Personalmanagement gekürt. Auszeichnungen der AARP, beim AC2 Innovationspreis des Deutschen Handwerks, Deutscher Handwerkerpreis oder Qualitätspreis NRW ergänzen die Preise. Dazu zieren diverse Urkunden und Qualitätsnachweise wie die Goldene Ehrennadel von Tischler NRW oder der Nachweis als offizieller WK2 Errichter das Portfolio des Betriebs.