GLASWELT – Meine Herren, lassen Sie uns zunächst über den Sicherheitsmarkt allgemein reden. Wie stark hat ihn die Pandemie bisher beeinflusst?
Dr. Christian Faden – Die Auswirkungen kann man als intensiv und unterschiedlich gleichermaßen beschreiben. Sie waren und sind zum Glück nicht nur negativ. Dadurch, dass sich die Menschen speziell in der Lockdown-Phase überwiegend zuhause aufhielten, ging die Zahl der Wohnungseinbrüche weiter signifikant zurück. Das ist auf der einen Seite natürlich erfreulich. Andererseits brachen der Branche die aus Einbrüchen resultierenden Reparaturaufträge weg. Hinzu kommt, dass durch das „Stay home“ das generell gestiegene Sicherheitsbedürfnis nicht „aktiviert“ wurde. Im Gegensatz dazu zog das gewerbliche Einbruchschutz-Geschäft im Wesentlichen Corona-bedingt recht deutlich an. Die zeitweisen Zwangsschließungen von Restaurants, Hotels, Boutiquen etc. riefen offenbar viele Ganoven auf den Plan. Dieser „Sondereffekt“ konnte aber am Ende das Minus im Privatsektor nicht kompensieren. Allerdings denke ich, dass sich die Branche künftig mehr um das gewerbliche Segment kümmern sollte.
Volker Schirrmacher – Zu erwähnen ist auch, dass die polizeiliche Aufklärungsarbeit vor Ort nicht oder nur sehr eingeschränkt erfolgen konnte. Zudem mussten wir feststellen, dass die Nachfrage von Hausverwaltungen schwächelte. Ein Hauptgrund: Der Lockdown führte dazu, dass Eigentümerversammlungen häufig ausfielen und deshalb keine Sanierungs- und Renovierungsbeschlüsse getroffen wurden. Aber das alles löst sich nun langsam wieder auf, so dass ich auf einen sukzessiven Abbau des inzwischen aufgestauten Bedarfs hoffe.
GLASWELT – Konnten die Ihnen angeschlossenen Betriebe eigentlich komplett durcharbeiten?
Faden – Per saldo ja. Lediglich in der ersten Lockdown-Phase war bei einigen Endkunden eine gewisse Zurückhaltung zu spüren, Handwerker ins Haus zu lassen. Das legte sich aber schnell wieder. Dazu trugen zweifellos auch die von uns zentral entwickelten und von den Partnerfirmen umgesetzten Vorsichtsmaßnahmen wie Desinfektions- und Maskenpflicht sowie die genaue Beachtung von Abstands- und Hygieneregeln konkret bei.
GLASWELT – Sie sagten eben, dass Corona nicht nur negative Folgen für die Branche habe. Was ist denn positiv?
Faden – Die Pandemie sorgte und sorgt dafür, dass der Stellenwert des eigenen Zuhauses für die Menschen weiter steigt. Dadurch erhöht sich auch die Bedeutung von Fenstern und Türen. Das dürfte sich positiv auf die entsprechende Investitionsbereitschaft auswirken. Wir glauben, dass es sich dabei um einen generell stabilen bzw. noch wachsenden Trend handelt.
GLASWELT – Was erwarten Sie für die zweite Jahreshälfte? Und für 2021?
Faden – Mit Blick auf die allgemeine Marktsituation dürfte es von erheblicher Bedeutung sein, ob die bisher für den Herbst 2020 häufig angekündigte Pleitewelle in der deutschen Wirtschaft tatsächlich eintritt. Behalten die Skeptiker recht, dürfte das auch die Branche in Mitleidenschaft ziehen. Hier gilt es zunächst abzuwarten. Und natürlich wird entscheidend sein, ob es zu einem zweiten Lockdown kommt. Was 2021 angeht, will ich mich nicht als Kaffeesatzleser betätigen. Fest steht meines Erachtens: Je später ein Impfstoff zur effizienten Virusbekämpfung verfügbar ist, umso länger fährt das Marktauto nur mit angezogener Handbremse.
GLASWELT – Wie ist es denn für Ihr Unternehmen als Teil der Roto-Gruppe 2020 bisher gelaufen?
Faden – Wir sind trotz der marktbedingten Schwäche des Sicherheitsgeschäftes nicht unzufrieden. Insgesamt erzielte die Roto Frank Professional Service GmbH im 1. Halbjahr ein zweistelliges Umsatzplus gegenüber der vergleichbaren Vorjahresperiode. Damit zahlte sich das Angebot eines breiten Dienstleistungsspektrums (Anmerkung der Red.: siehe Kasten), das die Abhängigkeit von einem Segment vermeidet, erneut aus. Unsere Diversifizierungs-Strategie greift also. Bei genauerer Analyse des Wachstums zeigt sich, dass alle deutschen Partnerfirmen über dem Vorjahr liegen. Anders sieht es leider bei unserem Netzwerk-Mitglied Keller in der Schweiz aus. Ihm verhagelte der dort schon Ende Februar angeordnete rigorose Lockdown das Geschäft, denn die für seine Kunden- und Auftragsakquise enorm wichtigen Verbrauchermessen fanden schlicht nicht statt. Um die Einbußen zumindest teilweise zu kompensieren, haben wir das Instrument „Online-Marketing“ noch stärker eingesetzt und entsprechende Kampagnen realisiert. Mit – übrigens auch in Deutschland – gutem Erfolg.
GLASWELT – Und wie stufen Sie die Chancen Ihrer Division im weiteren Jahresverlauf ein?
Faden – Wenn die eben beschriebenen Rahmenbedingungen mitspielen, bin ich durchaus optimistisch. Dabei vertraue ich in erster Linie der eigenen Leistungskraft und der Fähigkeit, B2B- und B2C-Kunden mit hoher Arbeits- und Servicequalität zu überzeugen. Meine Zuversicht beruht u. a. auf zwei „externen“ Faktoren. Da ist zunächst die staatliche KfW-Förderung, die die Entscheidung privater Investoren für nachträgliche Einbruchschutzmaßnahmen wesentlich begünstigt. Außerdem bewerte ich die praktische Wirkung der befristeten Mehrwertsteuersenkung viel positiver als manche Kritiker, denn wir bewegen uns etwa bei einer kompletten Fenstersanierung schnell im Bereich von mehreren tausend Euro. Da sind dann drei Prozentpunkte weniger schon relevant. Insofern schließe ich nicht aus, dass wir zum Jahresende noch ein kleines Auftragshoch erleben.
Vorzieheffekte sind mir allemal lieber als gar keine Effekte.
Foto: Roto
GLASWELT – Das wären doch überwiegend Vorzieheffekte, oder?
Faden – Mag sein. Aber die sind mir allemal lieber als gar keine Effekte.
GLASWELT – Herr Schirrmacher, das von Ihnen 1994 gegründete Unternehmen gehört seit dem 1. April 2020 ebenfalls zum RPS-Verbund. Welche Gründe haben Sie zum Verkauf bewogen?
Schirrmacher – Lassen Sie mich zunächst betonen, dass alle Gespräche und Verhandlungen mit den Roto-Verantwortlichen konstruktiv und partnerschaftlich verliefen. Sie waren auf beiden Seiten stets von einer positiven Grundhaltung geprägt. Wie immer bei solchen einschneidenden Entscheidungen gaben am Ende mehrere Faktoren den Ausschlag. Um mit dem wichtigsten zu beginnen: Mich hat das Konzept von Roto Professional Service (RPS) voll überzeugt, weil es mit meinem der letzten Jahre nahezu identisch ist. Ich weiß, dass die Nachversorgung von Fenstern und Türen in ihrer breitesten Definition ein erfolgreiches Geschäftsmodell ist und künftig noch mehr sein wird. Daraus resultierten und resultieren für Schirrmacher Sicherheits- und Fenstertechnik zum Teil neue und in jedem Fall tragfähige Perspektiven.
GLASWELT – Welche Aspekte spielten für Sie noch eine wesentliche Rolle?
Schirrmacher – Die übrigen Firmen im RPS-Netzwerk sind versierte und kompetente Betriebe. Von dem kontinuierlichen Austausch untereinander verspreche ich mir zielgerichtete Informationen, Ideen und Impulse, die uns und letztlich dem Unternehmensverbund konkret nutzen. Gemeinsames professionelles Marketing ist ein weiteres Stichwort. Hier haben wir im Verbund und mit Roto an unserer Seite mehr Möglichkeiten, marktorientiert zu handeln, als das für den einzelnen Betrieb machbar wäre. Das gilt u. a. für die von Herrn Dr. Faden bereits erwähnten Online-Kampagnen. Die ersten Monate unserer Zugehörigkeit zu den Service Friends haben meine Erwartungen jedenfalls schon mehr als erfüllt. Nicht zuletzt freue ich mich für unsere knapp 20 qualifizierten Mitarbeiter über die neue Konstellation. Der starke Partner Roto bietet ihnen Stabilität und Zuverlässigkeit.
GLASWELT – Wie froh sind Sie denn über den Neuzugang, Herr Dr. Faden?
Faden – Natürlich sehr froh. Wie Sie wissen, war es von Anfang an unser Ziel, in allen Ballungsregionen durch qualifizierte und etablierte Partnerbetriebe vertreten zu sein. Mit der Akquisition von Schirrmacher Sicherheits- und Fenstertechnik decken wir mit Rhein-Ruhr und Rhein-Main gleich zwei weitere Großräume ab. Zudem können wir einen nachhaltigen Kompetenzgewinn verbuchen, denn bei dem Unternehmen handelt es sich um einen in der Branche renommierten Spezialisten mit mehr als 25-jähriger Markt- und Praxiserfahrung und hoher fachlicher Anerkennung z. B. in Kreisen der Landeskriminalämter. Außerdem ist Herr Schirrmacher, der als Geschäftsführer in der Firma bleibt, öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für mechanische Sicherheits- und Beschlagtechnik. Auch das macht die besondere Expertise deutlich.
GLASWELT – Die RPS-Landkarte weist bei Ballungsgebieten nur noch relativ wenig weiße Flecken auf. Einer davon ist ausgerechnet die Region Stuttgart und damit die Roto-Heimat. Was tut sich hier?
Faden – Mit Ihrer Feststellung legen Sie gewissermaßen den Finger in die Wunde. Dabei ist es keineswegs so, dass wir bei der Suche nach einem geeigneten und zu uns passenden Netzwerk-Partner untätig waren. Im Gegenteil: Wir haben uns permanent umgesehen und zahlreiche Gespräche mit potenziellen „Kandidaten“ aus der Region geführt. Leider blieb unseren Bemühungen der Erfolg aus unterschiedlichen Gründen am Ende versagt. Deshalb erarbeiteten wir ein neues Konzept, um die Lücke im Roto-Stammgebiet zu schließen. Es befindet sich nach Zustimmung durch Vorstand und Aufsichtsrat der Holding inzwischen bereits in der Realisierungsphase. Ich rechne damit, dass wir Sie kurzfristig über den Vollzug informieren können.
Die Nachversorgung von Fenstern und Türen ist ein erfolgreiches Geschäftsmodell.
Foto: Roto
GLASWELT – Themenwechsel: Sie haben über die erste Zertifizierung für einbruchhemmende Fensterbeschläge berichtet. Was steckt dahinter?
Schirrmacher – Die VdS-Prüfung richtet sich weniger nach Laborbedingungen, sondern entspricht eher dem, was wir auch in der Praxis bei Einbrüchen sehen. Die VdS-Tests finden an einem voll ausgestatteten Fenster unter realen Bedingungen mit „Worst case-Charakter“ statt. Die in den DIN EN 1627-30 geforderte Mindest-Widerstandszeit für RC 2 beträgt bekanntlich drei Minuten. Der jetzt zertifizierte Roto-Beschlag brachte es selbst bei den erschwerten Kriterien auf über 6,5 Minuten.
GLASWELT – Heißt das, dass Sie die DIN für obsolet halten?
Faden – Überhaupt nicht. Die DIN ist und bleibt gerade für die Fachberatung vor Ort zu Recht das Maß der Dinge in der mechanischen Nachrüstung. Mit unserem neuen Zertifizierungsprojekt wollten wir noch einen Qualitätsschritt weitergehen und mit dem Nachrüstbeschlag „PM 12/16-VdS“ einen neuen Standard in der Einbruchhemmung setzen. Natürlich erhoffen wir uns dadurch auch einen – zudem exklusiven – Wettbewerbsvorteil mit starker Differenzierungskraft.
GLASWELT – Welche Fensterarten können denn mit dem Beschlag nachgerüstet werden?
Schirrmacher – Er eignet sich grundsätzlich für alle Holz- und Kunststofffenster ungefähr ab Baujahr 1980. Der Einbau in noch ältere Fenster ist theoretisch zwar meist auch möglich, aber da sollte man genau abwägen, ob sich das noch lohnt. Im Gegensatz zu anderen Nachrüstprodukten wird der neue Beschlag nicht aufgeschraubt, sondern verdeckt in das Fenster integriert. Dadurch bleiben Fensteroptik und -funktion voll erhalten. Und: Natürlich ist die Sicherheit bei gleichbleibender Bedienfreundlichkeit deutlich höher als vorher. Dahinter steht zum einen das Prinzip, mehr zusätzliche Verriegelungspunkte einzusetzen. Zum anderen zeichnet sich der Beschlag durch Pilzzapfen und Schließstücke aus gehärtetem Stahl aus. Diese Schließbleche werden bei neuen Fenstern in der Widerstandsklasse RC 3 verwendet. Erfahrungsgemäß planen wir in der Nachrüstung immer höhere Sicherheitsreserven ein, um massive Hebelangriffe, auch mittels Kuhfuß, erfolgreich abwehren zu können.
GLASWELT – Meine Herren, vielen Dank für Ihre Informationen.
NETZWERK IN BALLUNGSREGIONEN
Seit Anfang 2019 agiert die Roto Frank Professional Service GmbH (RPS) als eigenständige Gesellschaft unter dem Dach der Roto Frank Holding AG. Unter RPS wird das B2B-Geschäft z. B. mit Fensterherstellern realisiert. Auf den B2C-Bereich konzentrieren sich inzwischen sieben qualifizierte und etablierte Partnerbetriebe wie Schirrmacher Sicherheits- und Fenstertechnik, erläutert Geschäftsführer Dr. Christian Faden. Damit decke man fast alle großen Ballungsräume in Deutschland und der Schweiz ab, neue Standorte sollen (kurzfristig) folgen. Die integrierten Unternehmen firmieren weiter unter ihren bei den Kunden oft seit Jahrzehnten bekannten Bezeichnungen. Zusätzlich treten sie gemeinsam als „Service Friends für Fenster und Türen“ auf. Diese Dachmarke wende sich an Endkunden sowie an (polizeiliche) Sicherheitsberater, die im Kontakt mit Bauherren und Hauseigentümern stehen. Über das vielfältige Leistungsportfolio (Wartung, Reparatur, Modernisierung, Nachrüstung und Ersatzteilservice) informiere u. a. eine zentrale Homepage. Interessenten und Kunden leite man an den entsprechenden Partner in der jeweiligen Region weiter. Das bundesweite Label „Service Friends“ signalisiere also die Mitgliedschaft in einem erfahrenen Netzwerk-Verbund, der ein umfassendes Nachversorgungs-Paket für Fenster und Türen sämtlicher Produzenten anbiete.
www.roto-professional-service.de
„CORONA BRINGT UNS NICHT VOM WEG AB“
Manchmal spielt die Gunst der Stunde bzw. der Minuten auch Redakteuren in die Karten: Kurz vor Beginn des vereinbarten Interviews mit Dr. Christian Faden und Volker Schirrmacher traf Chefredakteur Daniel Mund „unangemeldet“ Dr. Eckhard Keill in der Zentrale des Bauzulieferers in Leinfelden-Echterdingen. Das Resultat der günstigen Gelegenheit: Ein kompaktes Exklusivgespräch mit dem Alleinvorstand der Roto Frank Holding AG zur Pandemie und zu ihren wirtschaftlichen Auswirkungen. „Natürlich spüren wir die in einigen Bereichen, und natürlich sind auch wir mit Blick auf die nach wie vor erheblichen Unsicherheiten nicht sorgenfrei“, räumt Keill zunächst offen ein. Um dann aber gleich hinzuzufügen: „Corona bringt uns nicht von dem eingeschlagenen strategischen Weg ab. Wir halten Kurs und investieren deshalb weiter in die Zukunft der Roto-Gruppe und damit auch in die Entwicklung unserer jüngsten Division.“ Dazu gehöre der konsequente Ausbau des RPS-Partnerfirmen-Verbundes. Ein aktueller Beweis dafür sei die Akquisition von Schirrmacher Sicherheits- und Fenstertechnik. Dabei stellt Keill klar: „Die Transaktion hat nichts mit der Covid-19-Krise und den großen Schwierigkeiten zu tun, in die dadurch auch zahlreiche Handwerksbetriebe gerieten. Für uns kommt nur der Erwerb kerngesunder Unternehmen in Frage. Das war und ist auch bei Schirrmacher der Fall. Die intensiven Verhandlungen mit der Eigentümerfamilie starteten im Übrigen schon 2019. Beide Seiten führten die Gespräche stets mit dem Ziel, gemeinsame Interessen und Perspektiven zu definieren und zu realisieren. Für Letzteres schuf der Vertragsabschluss eine langfristige Basis – und erfüllte damit seine originäre Aufgabe.“