Glaswelt – Das Thema ist wichtig, schließlich kann es Leben retten: Wann muss man Regeln für absturzsichernde Bauprodukte beachten?
Andrea Konrad – Für absturzsichernde Bauteile ist gemäß den Landesbauordnungen prinzipiell ein qualifizierter Standsicherheitsnachweis erforderlich. Dieser umfasst neben dem eigentlichen absturzsichernden Bauteil auch dessen Befestigung an die angrenzenden Bauteile (z.B. Fensterrahmen) und die gesicherte Lastweiterleitung in den Baukörper. Für diesen Standsicherheitsnachweis sind die bauaufsichtlich eingeführten Technischen Baubestimmungen des jeweiligen Bundeslands zu beachten, welche sich in der Regel an der vom DIBt herausgegebenen Musterverwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB) orientieren.
Glaswelt – Welche Rolle spielt die DIN 18008?
Konrad – Die DIN 18008 ist eine nationale Normenreihe, die in dieser Form nur für Deutschland gültig ist. Diese Normenreihe stellt Bemessungs- und Konstruktionsregeln sowie Vorgaben für erforderliche versuchstechnische Nachweise zur Verfügung. Behandelt werden die Tragfähigkeit, Lagesicherheit und Gebrauchstauglichkeit der Verglasungskonstruktionen unter planmäßigen Einwirkungen. Die DIN 18008-4 beinhaltet dafür Zusatzanforderungen für absturzsichernde Verglasungen und löste vor einigen Jahren die bei vielen noch bekannte TRAV als technische Regel ab. Es handelt sich hierbei um keine harmonisierte Norm und somit können die darin geregelten Bauprodukte nicht mit einem CE-Kennzeichen gemäß der EU-Bauproduktenverordnung in Verkehr gebracht werden.
Glaswelt – Ein sehr großer Anteil an absturzsichernden Geländern und Verglasungen werden nicht regelkonform montiert bzw. befestigt. Wo treten am häufigsten Probleme auf?
Konrad – Die meisten Fehler werden tatsächlich bei der Auswahl der Befestigung gemacht, sowohl für die Befestigung zwischen Fensterrahmen und Baukörper als auch zwischen dem absturzsichernden Bauteil und dem Fensterrahmen. Oft werden Produkte verwendet, die gar nicht oder nicht für diesen Anwendungszweck zugelassen sind. Außerdem muss immer darauf geachtet werden, dass die Befestigungen in der richtigen Anzahl mit den richtigen Bohrabständen an der richtigen Stelle gesetzt werden. Ich bin mir nicht sicher, ob das bei Montagen vor Ort immer so genau eingehalten wird.
Bei absturzsichernden Verglasungen, welche erst auf der Baustelle aus den Systembausteinen zusammengefügt und vor Ort verglast werden, werden häufiger die Verarbeitungsrichtlinien nicht ausreichend beachtet. Wir empfehlen daher die Befestigungen für die Fensterrahmenprofile bereits im Werk zu montieren und auch die Glasgeländer bereits im Werk vorzumontieren und fertig verglast auf die Baustelle zu liefern. Die für Glasgeländer vorgeschriebene werkseigene Produktionskontrolle (WPK) lässt sich im Werk auch einfacher umsetzen und dokumentieren als auf der Baustelle.
Glaswelt – Wer haftet, wenn ein absturzsicherndes Bauprodukt nicht regelkonform eingebaut wurde und jemand zu Schaden gekommen ist?
Konrad – Wenn es tatsächlich zu einem Personenschaden kommt, wird die Mitschuld aller am Bau Beteiligten überprüft. Wenn man dem bauausführenden Unternehmen nachweisen kann, dass es die Vorgaben der Bauordnung nicht eingehalten hat oder Produkte ohne Verwendbarkeitsnachweis verbaut hat, so wird dieses als erstes in Haftung genommen werden. Auch wenn der Bauherr oder Architekt dem bauausführenden Unternehmen eine Freigabe erteilt hat, dass eine regelkonforme Ausführung nicht notwendig ist, trägt dieses trotzdem die Verantwortung des Fachunternehmers.
In vertragsrechtlicher und baurechtlicher Hinsicht ist auf alle Fälle das bauausführende Unternehmen erster Ansprechpartner.
Glaswelt – Sind selbstbohrende Schrauben bei der Montage von absturzsichernden Elementen erlaubt?
Konrad – Mir ist derzeit keine allgemein bauaufsichtliche Zulassung von selbstbohrenden Schrauben bekannt, welche für diesen Anwendungsfall ausgestellt wurde. Auch wenn manche Mitbewerber bzw. deren Statiker hier in die „Trickkiste“ greifen und diese Zulassungen zweckentfremden, so weicht der Anwendungsfall „Befestigung von absturzsichernden Bauteilen an Fensterrahmen“ in wesentlichen Punkten von den Bestimmungen dieser Zulassungen ab.
Mir wurde bereits von verschiedenen Fachleuten, auch vom DIBt, bestätigt, dass man eine allgemein bauaufsichtliche Zulassung nicht verwenden kann, wenn die Bestimmungen nicht eingehalten werden. Der Anwender, der letztendlich für die fachgerechte Montage verantwortlich ist, sollte sich daher bei den Zulassungsinhabern bestätigen lassen, ob diese für diesen Anwendungszweck wirklich geeignet sind.
Glaswelt – Wie sieht die werkseitige Montage Ihrer Befestigungen bei kleineren Handwerksunternehmen aus? Profitieren diese ebenfalls von den aufgeführten Vorteilen?
Konrad – Selbstverständlich profitieren auch kleinere Handwerksunternehmen von der einfachen Handhabung unserer absturzsichernden Befestigungen. Es ist egal, ob Sie die Bohrungen mit einem Bearbeitungszentrum oder mit einem Akkuschrauber anbringen. Zudem unterstützen wir gerne mit unseren im eigenen Haus entwickelten Werkzeug-Lösungen für eine noch einfachere Montage: Beispielsweise unsere „Lieblingsbohrer“, die speziell entwickelten Spiralbohrer mit Stufenbohrspitze, oder auch komplette Bohrstationen. Unsere Werkzeuge sind vielseitig verwendbar und werden von unseren Kunden auch in anderen Abteilungen Ihrer Betriebe gerne eingesetzt.
Glaswelt – Lassen sich absturzsichernde Geländer und Verglasungen auch nachträglich anbringen?
Konrad – Unsere absturzsichernden Bauprodukte lassen sich zwar mit unseren Befestigungen am Fensterrahmen nachträglich anbringen, aber bezüglich der Befestigung zwischen dem Fenster und dem Baukörper sehe ich ein Problem. Es hat bereits einige Fälle gegeben, bei denen ein Nachrüsten gefordert war. Man hat sich dann mit dem Statiker abgesprochen und Alternativlösungen geplant. Diese mussten mit einem Pendelschlagversuch vor Ort und einer Zustimmung im Einzelfall baurechtlich abgesegnet werden.
Glaswelt – Herzlichen Dank für Ihre Informationen, Frau Konrad!
Die Fragen stellte Chefredakteur Daniel Mund
Der zweite Teil des Interviews folgt in der nächsten Ausgabe. Dann beantwortet Andrea Konrad Fragen zur Befestigung von absturzsichernden Geländern.
FEBATEC
Die FeBaTec wurde von Andrea Konrad als Partnerbetrieb der Fa. Inntaler Metallbau gegründet, mit dem Ziel der Herstellung und dem Vertrieb sowie der Montage von Bauelementen aller Art.
Bald sieht das Unternehmen jedoch seine Stärken in Planung, Technik und Fertigung. Neben Leichtmetallbau-Produkten führt das Unternehmen Komplettsysteme von absturzsichernden Bauprodukten und zugelassenen Befestigungssystemen im Programm. Klaus Brummer, Vater von Frau Konrad, ist der Entwickler des Fix Max Ankers, sowie von vielen anderen innovativen Produkten des Unternehmensverbund, wie z.B. den Öffnungsbegrenzer TOBI, das verdeckt liegende Türband IMB, einen Rohrdübel (Winkelbefestigung an Konstruktionsrohe) u.v.m..