Glaswelt – Sehr geehrte Frau Horsthemke, man hat den Eindruck, dass Einbruchhemmung an Fenstern und Türen in den letzten Jahren an Bedeutung verloren hat. Wie schätzen Sie die Lage ein?
Andrea Horsthemke – Meiner Meinung nach hat die Einbruchhemmung an sich nicht an Bedeutung verloren. Vielmehr ist das Thema eventuell etwas aus dem Blick geraten, weil einerseits die Förderung eingestellt wurde und andererseits alle auf dem Markt befindlichen Profilsysteme bereits geprüft wurden.
GW – Wie bewerten Sie die Entscheidung der Politik, die Förderung von sicherheitsrelevanten Präventivmaßnahmen einzustellen?
Horsthemke – Ich würde mir wünschen, dass die Politik sich wieder bewusst wird, dass die richtigen Sicherungsmaßnahmen vor Wohnungseinbrüchen schützen – und damit vor teilweise weitreichenden Folgen, nicht nur für direkt Betroffene. Aufgrund dessen sollten die sicherheitsrelevanten Präventivmaßnahmen wieder gefördert werden. Viele Eigenheimbesitzer sparen meistens genau daran, in der Hoffnung, dass bei ihnen nie eingebrochen wird. Aber bei rund 150 Einbrüchen pro Tag in Deutschland macht fast jeder einmal im Leben diese Erfahrung.
GW – Das PIV Velbert hat sich andererseits personell verstärkt – es gibt offensichtlich eine Menge zu tun im Prüfinstitut?
Horsthemke – Das ist in der Tat so. Da wir nicht nur einbruchhemmende Elemente oder Nachrüstprodukte prüfen, ist unser Portfolio schon sehr umfangreich. Vom kleinen Schließzylinder über Schutzbeschläge bis hin zu großen Fassaden, von Dauerfunktionen über Produktvermaßungen bis hin zu Korrosions- und Klimaprüfungen ist alles dabei, was der Bereich Fenster, Türen, Tore und Fassaden an Produkten bietet.
Bei rund 150 Einbrüchen pro Tag in Deutschland macht fast jeder einmal im Leben diese Erfahrung.
Foto: PIV
GW – Im letzten Jahr wurden die Einbruchnormen DIN EN 1627 bis DIN EN 1630 überarbeitet. Welche Änderungen sind für die Branche relevant gewesen?
Sascha Holz – Es wird nun größeres Augenmerk auf die mechatronischen Komponenten gelegt, was vor 2021 weniger der Fall war, weil sich an der Mechanik als solche ja nichts geändert hat. Heute müssen die mechatronischen Komponenten mit entsprechendem Prüfbericht nachgewiesen werden.
GW – Mit der neuen Normenausgabe können Beschläge zusätzlich ohne entsprechende Nachweise direkt im Rahmen der Einbruchprüfung bewertet werden. Was hat das für Konsequenzen?
Holz – Möglich war das auch schon vorher und wurde in den hohen Klassen RC 5 und RC 6 auch so gemacht. Wird ein Beschlag ohne Nachweis am Element geprüft, ist keine Austauschbarkeit mehr mit anderen Beschlägen möglich, selbst wenn diese einen Nachweis hätten – ergo: Die Prüfung gilt nur für diesen einen Beschlag.
GW – Auch die Verwendung elektromechanischer Beschläge ist unter Anwendung der DIN EN 1627:2021ff jetzt möglich. Haben Sie im PIV Velbert bereits entsprechende Prüfungen vorgenommen? Hat das PIV die entsprechenden Prüfzulassungen?
Holz – Wir sind flexibel akkreditiert, das heißt, dass wir auch für geänderte bzw. aktualisierte Normen akkreditiert sind. Daher haben wir auch die entsprechende „Zulassung“ für die Prüfungen nach der neuen EN 1627:2021 ff. Zudem haben wir bereits Prüfungen nach der aktualisierten Norm durchgeführt. Da uns hierbei immer Prüfnachweise/-berichte vorliegen, müssen wir die Beschläge nicht erneut attackieren, also prüfen.
GW – Die Einbruchsfallzahlen sinken – mit Ausnahme des letzten Jahres – seit einigen Jahren deutlich. Lassen infolgedessen die Prüfungs- und Zertifizierungsnachfragen bzw. die Zertifizierungsnachfragen der Fenster- und Türhersteller nach?
Horsthemke – Die Prüfungs- und Zertifizierungsnachfragen liegen auf dem gleichen Niveau wie in den letzten fünf Jahren.
GW – In welchen sicherheitsrelevanten Prüfungsbereichen steigt generell die Nachfrage?
Horsthemke – Eine Steigerung ist momentan in kaum einem Bereich zu verzeichnen. Ich denke das liegt daran, dass derzeit keiner so recht weiß, wo die wirtschaftliche Reise hingeht. Der Krieg in der Ukraine, die steigenden Strompreise, die in der Corona-Pandemie aufgeworfene Frage der Lieferketten u. Ä. sorgen eher für Zurückhaltung. Vermutlich beobachten die Hersteller derzeit den Markt länger als zuvor, bevor sie in neue Produkte investieren.
GW – Haben sich Bauelemente im Lauf der Jahre weiterentwickelt? Sind die Elemente schon in der Grundausstattung sicherer geworden?
Holz – Die Bauelemente haben sich um einiges in den letzten Jahren verbessert. Als ich vor 25 Jahren im Institut angefangen habe, sind bei weitem mehr Prüfungen negativ abgeschlossen worden als heutzutage – und das in allen Bereichen. Das gilt besonders bei der Grundausstattung von Fenstern und Türen unserer PIV CERT überwachten Kunden: Dort überprüfen wir den gesamten Ablauf, vom Wareneingang über die Fertigung bis zum Warenausgang und teilweise schauen wir auch in den Vertrieb. Da gibt es nur noch Fenster oder Türen, die an die EN 1627 angelehnt sind. Es gibt sogar einen Fertighaushersteller, der seine Häuser nur noch mit geprüften und zertifizierten Produkten verkauft. Man könnte überspitzt sagen, dort produziert man „RC 2-Häuser“.
Man kann sagen, dass geprüfte Elemente an sich keine Schwachstellen haben – es kommt auf den Täter und die Zeit an, die er hat.
Foto: PIV
GW – Bis zu welcher Sicherheitsklasse lassen sich bei Ihnen Prüfungen absolvieren?
Holz – Bei uns können alle Klassen von RC 1 bis RC 6 geprüft werden.
GW – Wo liegen die Schwachstellen bei den von Ihnen geprüften Fenstern? Wo hapert es immer mal wieder bei den Haustüren in Sachen Einbruchschutz? Und was sind die Knackpunkte bei Hebe-Schiebe- oder Parallel-Schiebe-Kipp-Elemente?
Holz – Bei von uns geprüften und zertifizierten Elementen gibt es keine Schwachstellen mehr. Die haben wir dem Kunden während der Prüfung aufgezeigt und diese wurden dann entsprechend vom Kunden korrigiert. Also wenn ein Produkt (Fenster, Tür, Hebe-Schiebe-Element usw.) das Institut mit positivem Prüfbericht verlässt, dann gibt es keine normativen Schwachstellen mehr. Und bei unseren Fremdüberwachungen in den Firmen sorgen wir dafür, dass es auch so bleibt. Das heißt aber leider nicht, dass ein Einbrecher sich keinen Zugang mehr verschaffen kann. Es gibt so viele Faktoren, die dabei eine Rolle spielen, denn ein Einbrecher arbeitet nicht nach der Norm. Nehmen wir nur mal den Faktor Zeit: Während der Prüfung habe ich je nach Klasse eine bestimmte Zeit, in der ich eine durchgangsfähige Öffnung schaffen muss, beispielsweise bei RC 2 habe ich drei Minuten. Ist die Zeit um und es ist keine entsprechende Öffnung da, ist die Prüfung als positiv zu bewerten. Wenn der Einbrecher jetzt aber mehr Zeit hat, kann es passieren, dass das Element geöffnet werden kann. Bei den Werkzeugen ist es ähnlich: Bei RC 2 habe ich u. a. einen Schraubendreher als Einbruchswerkzeug. Da kann ich zwar einiges mit anstellen, komme aber vielleicht nicht ganz so weit wie mit dem Kuhfuß aus der Klasse RC 3. Man kann also sagen, dass die geprüften Elemente an sich keine Schwachstellen haben und es nur auf den Täter und die Zeit, die er hat, ankommt.
GW – Was wird bei der Montage von Fenstern und Türen in Bezug auf den Einbruchschutz häufig vernachlässigt?
Horsthemke – Uns ist aufgefallen, dass häufig die druckfeste Hinterfütterung im Bereich der Verschraubungen und der Schließteile fehlt oder mangelhaft ausgeführt ist. Die Hinterfütterung ist jedoch sehr wichtig, da sie das Hebeln mit den Einbruchswerkzeugen in diesen Bereichen erschwert.
GW –Vielen Dank, Frau Horsthemke und Herr Holz für die Informationen.
Die Fragen stellte Chefredakteur Daniel Mund.
PIV Velbert: Jetzt noch stärker aufgestellt
Zwei neue Mitarbeiter haben jetzt im Prüfinstitut Schlösser und Beschläge Velbert (PIV) ihre Arbeit aufgenommen.
Bereits zum 1. Mai 2023 hat Sven Bunge (36) seine Tätigkeit als Prüfer aufgenommen. Der gelernte Metallbauer in der Fachrichtung Konstruktionstechnik ist für alle relevanten Tätigkeiten im Labor gemäß DIN EN ISO/IEC 17025:2018-03 zuständig. Dazu gehört beispielsweise die Planung, der Aufbau und die Durchführung von Prüfungen.
Sowohl die mechanischen und mechatronischen Tests an Schlössern und Beschlägen als auch Fenstern, Fassaden und Türen gilt es zu dokumentieren. Auch die Feststellung der Gebrauchstauglichkeit und Alterung von Bauprodukten, Bauteilen und Zubehör von Bauprodukten sowie Prüfungen im Einbruchschutz gehören zu seinem Aufgabengebiet.
Gleiches gilt auch für Till Zegenhagen (29), der am 1. Juli dieses Jahres seine Stelle im PIV angetreten hat. Nach der Ausbildung zum Werkzeugmechaniker in der Fachrichtung Stanz- und Umformtechnik hat er berufsbegleitend seinen Techniker in der Fachrichtung Maschinenbau absolviert. Vor seiner Anstellung im PIV war er sieben Jahre bei einem Beschlaghersteller im benachbarten Heiligenhaus tätig.
Sowohl Sven Bunge als auch Till Zegenhagen werden externe Prüfungen bei Kunden vornehmen und sukzessive in den akkreditierten Prüfgebieten gemäß Akkreditierungsurkunde D-PL-11021-01-00 eingesetzt. Mit den Neueinstellungen reagiert die Gütegemeinschaft Schlösser und Beschläge, zu der das PIV gehört, auf die steigende Auftragszahl im Prüfinstitut. „Mit Sven Bunge und Till Zegenhagen haben wir zwei hervorragende Kollegen gewonnen, die unser 12-köpfiges Team bestens ergänzen“, freut sich Institutsleiterin Andrea Horsthemke.