_ Die Geschichte des Wohnens begann damit, dass Menschen „Behausungen“ nutzten, um sich vor Witterungseinflüssen und Übergriffen zu schützen. Im Laufe der Zeit wurden Häuser und Wohnungen immer weiter optimiert und die Bewohner profitierten in den Unterkünften zunehmend auch von konstanten klimatischen Bedingungen. Dem steht jedoch der Nachteil gegenüber, dass die Menschen durch diese Entwicklung einer Vielzahl neuer chemischer, physikalischer, biologischer und mikrobiologischer Faktoren ausgesetzt sind. Denn energiesparende Bauweisen mit fehlender natürlicher Ventilation bei gleichzeitigem Eintrag einer Vielzahl von Chemikalien in die Gebäude führen zu einer Anreicherung von Feuchtigkeit, Mikroorganismen und Chemikalien in Haus, Wohnung oder Büro. Daraus entstehen potenzielle Gefahren für die Gesundheit des Menschen.
Sie können beispielsweise zu Befindlichkeitsstörungen, Irritationen der Schleimhäute von Augen und Atemwegen sowie Reizungen der Haut und Allergien führen. Dieser Problematik ist umso mehr Aufmerksamkeit zu schenken, da sich im Zuge des Arbeitsplatzwandels die Arbeitsplatzinnenraumverhältnisse zunehmend an die Innenraumverhältnisse des privaten Lebensumfeldes annähern und Menschen durchschnittlich mehr als 90 Prozent am Tag in derartigen geschlossenen Räumen verbringen.
Mangelnder Luftwechsel
Die meisten Innenraumbelastungen hängen direkt oder indirekt mit einer zentralen Steuergröße zusammen: dem Luftwechsel. In den letzten beiden Jahrzehnten setzte sich mit den zunehmenden Anforderungen an die Energieeffizienz von Gebäuden das Konzept einer weitgehend luftdichten Gebäudehülle durch. Dies hat den Vorteil, dass Wärmeverluste durch unkontrollierte Luftinfiltration vermieden und damit der Energiebedarf des Gebäudes reduziert wird. Allerdings wird dadurch auch der Luftaustausch gestoppt, der früher durch undichte Fugen oder Ritzen auch bei geschlossenen Fenstern sozusagen unbeabsichtigt von alleine erfolgte.
Bleibt dieser Luftwechsel aus, geschieht dies nicht nur zu Lasten einer gesunden Raumluftqualität, sondern erhöht zudem das Risiko von Feuchteschäden in der Wohnung.
Gesundheitliche Beeinträchtigungen
Durch den Wegfall dieses natürlichen Luftwechsels entsteht ein Risikopotenzial für den Menschen. Schon in den 1990er Jahren wurde erkannt, dass gesundheitliche Beeinträchtigungen bei Menschen auftreten, die keine spezifischen Ursachen haben und mit dem Aufenthalt in Gebäuden in Zusammenhang zu stehen scheinen. Diese Tatsache wurde unter dem Begriff Sick Building Syndrome (SBS) zusammengefasst. Symptome und Beschwerden im Kontext des SBS sind Reizungen der Schleimhäute von Augen, Nase, Rachen und/oder Bronchien sowie Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen, Müdigkeit und Schwindel.
Viele der gesundheitlichen Beeinträchtigungen lassen sich heute auf konkrete Faktoren zurückführen. Gemeinsamer Nenner ist dabei der Zusammenhang mit einem schlechten Innenraumklima, für das ein unzureichender Luftwechsel verantwortlich ist. Wenn dieser nicht in ausreichendem Maß gewährleistet ist, verändern sich für die Luftqualität wichtige Variablen: der CO2-Gehalt, die sogenannten VOCs – die flüchtigen organischen Verbindungen in der Luft – oder die Luftfeuchtigkeit und das daraus resultierende Risiko von Schimmelpilzwachstum.
Durch die Anwesenheit eines Bewohners und dessen Atmung steigt das CO2 in der Luft an. In einem 40 m3 großen Raum, in dem die Luft einmal pro Stunde komplett ausgetauscht wird, wird beispielsweise durch den Aufenthalt von vier Personen, die sich nicht besonders körperlich anstrengen, über den Zeitraum von einer Stunde eine Konzentration von 2000 ppm erreicht. Diese stellt nach Angaben der Ad-hoc-Arbeitsgruppe Innenraumrichtwerte der Innenraumlufthygiene-Kommission und der Landesgesundheitsbehörden bereits ein hygienisch inakzeptables Maß dar. In der Folge können Kopfschmerzen, Müdigkeit, Schwindel oder Konzentrationsstörungen auftreten.
Emissionen von neuen Baumaterialien, Einrichtungsgegenstände und Chemikalien, wie etwa Lacken oder Klebstoffen, können zu einer Anreicherung von Schadstoffen, insbesondere VOCs, in der Innenraumluft führen, wenn kein ausreichender Luftwechsel erfolgt. Eine zu hohe Konzentration von Aldehyden kann beispielsweise Reizungen im Bereich der Schleimhäute oder bei bestimmten Terpenen Allergien verursachen. Benzol in der Raumluft kann sogar eine krebsauslösende Wirkung haben.
Auch für Schimmelpilzwachstum in Gebäuden kann ein mangelnder Luftwechsel der Grund sein. Denn wird Feuchtigkeit, die beispielsweise vom Kochen, Duschen, Waschen oder Wäschetrocknen im Innenraum an die Raumluft abgegeben wird nicht abtransportiert, schlägt sie sich an kalten Stellen in der Wohnung nieder – beispielsweise an den Außenwänden. Hier droht in der Folge Schimmelbildung. Oft machen sich die Pilze auch unsichtbar in Räumen breit – etwa hinter Schränken oder im Wandputz. Ohne überhaupt entdeckt zu werden, stellen sie dann eine Gefahr für Bausubstanz und Gesundheit dar.
Infektionsrisiko besteht nur für Personen mit einem deutlich eingeschränkten Abwehrsystem, ein allergisches Risiko für Personen mit allergischem Asthma oder mit Mukoviszidose. Zudem können toxische Reaktionen zu Reizungen und Entzündungen der Schleimhäute der Augen und Atemwege führen. Außerdem können mit Schimmelpilzbefall verbundene Geruchswahrnehmungen Befindlichkeitsstörungen wie Müdigkeit, Konzentrationsstörungen, Kopfschmerzen, Schwindelgefühl und Übelkeit auslösen.
Darüber hinaus kann auch eine zu hohe Konzentration von Feinstaub in der Innenraumluft die Gesundheit beeinträchtigen. Mögliche Quellen sind hier etwa Zigarettenrauch, Laserdrucker, Staubsauger oder Haustiere.
Gefahr erkannt, Gefahr gebannt?!
Was kann man nun tun, um solche Belastungen zu vermeiden? Zunächst gilt es, Emissionen möglichst gering zu halten. So sollte bewusster darauf geachtet werden, dass man durch die Wahl von Baustoffen, den Kauf von Einrichtungs- und Gebrauchsgegenständen sowie die Nutzung ungeeigneter Reinigungsmittel für Schadstoffquellen in den eigenen Räumen verantwortlich ist.
Aber auch wenn dies berücksichtigt wird, bleibt es unverzichtbar, für einen regelmäßigen Austausch der Innenraumluft zu sorgen. Den Empfehlungen der Experten zu folgen und mindestens drei bis viermal täglich querzulüften, gelingt nur wenigen Mietern oder Eigentümern. Einerseits fällt es vielen Menschen schwer, ihre Gewohnheiten zu ändern – zumindest so lange die Gefahr noch unsichtbar ist.
Einmal in der Jugend gelerntes Lüftungsverhalten – beispielsweise einmal abends und einmal morgens – behalten sie auch dann noch bei, wenn inzwischen weitgehend dichte Gebäudehüllen häufigeres Lüften abverlangen. Andererseits ist mehr als zweimaliges Lüften am Tag vielen Bewohnern kaum zuzumuten. Während früher in traditionellen Familien immer jemand zu Hause war und sich um das Haus kümmerte, sind heute viele Menschen berufstätig und über einen großen Teil des Tages nicht in ihrer Wohnung. Dadurch fehlt jemand, der sich täglich mehrmals um das Lüften kümmern kann.
Das hat inzwischen auch der Gesetzgeber erkannt und Probleme durch immer luftdichter werdende Gebäudehüllen auch in der Energieeinsparverordnung berücksichtigt. Neben der luftdichten Ausführung der Gebäudehülle verlangt sie auch die Sicherstellung eines Mindest-luftwechsels. In Paragraph 6, Absatz 2 der EnEV heißt es: „Zu errichtende Gebäude sind so auszuführen, dass der zum Zwecke der Gesund-heit und Beheizung erforderliche Mindest-luftwechsel sichergestellt ist.“
Der Einbau manueller Fenster verbunden mit dem Hinweis an den Mieter oder Eigentümer, regelmäßig zu lüften, reicht in der Regel nicht mehr aus. Denn die DIN 1946-6 konkretisiert die Anforderung an den Mindestluftwechsel so, dass ein nutzerunabhängiges Lüften sichergestellt werden muss. Die Verantwortung dafür liegt beim Planer, also dem Architekten, ausführenden Unternehmer oder Handwerker. Allein schon um Schäden am Baukörper und gesundheitliche Beeinträchtigungen der Bewohner durch nicht ausreichende Lüftung zu vermeiden, sollten auch Bauherren Wert auf die Erfüllung der Anforderungen legen.
Konzepte für die nutzerunabhängige Lüftung
Es besteht demnach Bedarf an einer konzeptionellen Lösung, um einen ausreichenden Luftwechsel zu gewährleisten. Lösungen bieten sowohl natürliche wie auch künstliche Belüftung. Im Neubau, mit sehr hohen energetischen Standards, werden häufig mechanische Lüftungsanlagen eingesetzt. Sie bieten eine sehr gute Möglichkeit, energieeffizient ein gesundes Raumklima sicherzustellen, da sie im Winter die Wärme zurückgewinnen können. Allerdings erhöhen sie den technischen Anlagenaufwand und steigern die Stromkosten, wenn sie im Sommer zur Kühlung mit Außenluft eingesetzt werden. Darüber hinaus ist die nachträgliche Installation einer solchen Anlage in modernisierten Häusern kompliziert und mit hohem Aufwand und Kosten verbunden. Bedenklich sind zudem die hygienischen Probleme dieser Anlagen, wenn sie unzureichend gewartet und gereinigt werden: Mikroorganismen können wachsen und die Frischluftzufuhr sowie -verteilung können unzureichend sein.
Auch Zugluft, unangenehme Klima-Paramater und Lärm werden von Nutzern der Gebäude zum Teil als belastend wahrgenommen. Eine durch das ProKlimA-Projekt realisierte Befragung von 4596 Beschäftigten, die in 14 unterschiedlich belüfteten Bürogebäuden arbeiteten, ergab, dass in den klimatisierten Gebäuden deutlich mehr Befragte Befindlichkeitsstörungen angaben als in den überwiegend natürlich belüfteten.
Fazit: Ausgewogenheit von Energieeffizienz und Gesundheit
Grundsätzlich sollte bei energieeffizienten, modernen Gebäuden darauf geachtet werden, dass nicht alleine die zweifelsohne wichtige Energieeinsparung im Fokus steht, sondern auch ein ausreichender Luftwechsel gewährleistet ist. Dieser muss sich ohne besondere Anstrengungen der Gebäudenutzer realisieren lassen. Nur dann sind die Voraussetzungen dafür gegeben, dass keine Befindlichkeitsstörungen oder gar negative Gesundheitseffekte durch Innenraumbelastungen auftreten und die Gebäudenutzer sich in den Räumlichkeiten wirklich wohlfühlen können.
Zur Prävention gebäudebezogener Gesundheitsstörungen sollten demzufolge schon bei der Erarbeitung neuer Gebäudestandards Architekten, Ingenieure und Naturwissenschaftler eng mit Umweltmedizinern zusammenarbeiten. Denn es gilt sicherzustellen, dass die Berücksichtigung wichtiger ökonomischer wie ökologischer Kriterien nicht zu Lasten der Gesundheit der Menschen erfolgt. —
GEsundheit fängt zu hause an
Für Europäer hat eine gesunde Wohnsituation einen höheren Stellenwert, wenn es um die persönliche Gesundheit geht, als Nichtrauchen oder Sport. Das ist eines der Ergebnisse des „Healthy Homes Barometers“, einer repräsentativen Studie unter 12 000 Europäern aus zwölf verschiedenen Ländern zu Einstellung und Verhalten in Bezug auf heimischen Komfort, gesundes Wohnen, Energieverbrauch und Auswirkungen auf die Umwelt, die die Velux Gruppe vorgestellt hat.
Obwohl das Thema „gesundes Wohnen“ bei weitem nicht in diesem Maße öffentlich diskutiert wird, hat für die Europäer ein gesundes Wohnumfeld eine sehr große Bedeutung, wenn es um die persönliche Gesundheit geht. Das zeigen die Ergebnisse des „Healthy Homes Barometers“. Hierbei landen Kriterien wie gesunder Schlaf, frische Luft und ausreichend Tageslicht, die direkt oder indirekt von einer gesunden Wohnsituation abhängen, auf den vorderen Plätzen, während „Nichtrauchen“ und „regelmäßige sportliche Betätigung“ erst an sechster bzw. siebter Stelle folgen.
„Die öffentliche Debatte über gesundes Wohnen, die einige Zeit im Schatten all der anderen Gesundheitsthemen geführt wurde, erhält damit enormen Auftrieb“, erklärt Michael K. Rasmussen, Marketingleiter der Velux Gruppe. „Zugang zu natürlichem Licht während des Tages und Schlafen in völliger Dunkelheit sind sehr wichtig für unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden. Nicht anders verhält es sich mit frischer Luft. Alle diese Faktoren gehören zu einem gesunden Lebensstil, genauso wie eine gesunde Ernährung und der Gang ins Fitnessstudio.“
Doch trotz der Tatsache, dass gesundes Wohnen den meisten Europäern sehr viel bedeutet, besteht häufig ein großer Unterschied zwischen Theorie und Praxis, wenn es darum geht, konkrete Maßnahmen für gesundes Wohnen zu ergreifen. So schlafen viele Europäer nicht in absoluter Dunkelheit, mit der Folge, dass sie sich nicht so gut erholen. Zudem trocknen viele Europäer ihre Wäsche im Haus, trotz des dadurch steigenden Risikos für Atemwegserkrankungen durch ein höheres Feuchtigkeitsniveau und der Gefahr der Schimmelbildung in den eigenen vier Wänden.
„Wenn wir wollen, dass die Europäer gesund wohnen, müssen wir diese Themen angehen. Als Menschen besitzen wir anscheinend ein intuitives Verständnis dafür, welche Bedeutung unser Wohnumfeld für unsere Gesundheit hat. Das heißt aber noch lange nicht, dass wir uns auch entsprechend verhalten. Es gibt noch einiges zu tun, wenn es um die Verbreitung von Wissen und Informationen zum Thema gesundes Wohnen geht“, so Rasmussen.