Das fünf- bis siebengeschossige New Courts an der Gerichtstraße in Berlin-Wedding definiert mit seiner mäandernden Form die bisher fehlenden Raumkanten neu: welter+welter architekten platzierten den fünfteiligen Baukörper wie ein liegendes „S“ auf die vormals als Parkplatz genutzte Freifläche. Seine Gebäudeteile reagieren in Höhe und Tiefe auf die umgebende Bebauung und schaffen vielfältige Zwischenräume. Unter anderem entstanden drei neue Höfe, die zum Teil der Anlieferung für die dahinterliegenden Gebäude dienen. Aus den dafür notwendigen Durchwegungen ergab sich eine leichte, schwebende Struktur, die klare Kante zeigt und doch durchlässig ist. Das Motiv findet sich auch in der Glasfassade wieder, die je nach Wetterlage den angrenzenden Stadtpark spiegelt und mit ihm visuell zu verschmelzen scheint.
Funktionelle Metalleinlage als Blickschutz
Flexibilität war eine der größten Herausforderungen des Entwurfs. Ursprünglich waren die fast 20.000 m2 Bürofläche für eine variable Nutzung gedacht: Großflächige und kleinteilige Büroeinheiten sollten genauso Platz finden wie Co-Working-Spaces und andere moderne Bürokonzepte. Deshalb sollte die Fassade entsprechend vielseitig und für alle denkbaren Grundriss-Varianten gerüstet sein. Erstmal unnötig, wie sich später zeigte, als eine Bundesbehörde einzog und für den größten Teil des Gebäudes klassische Zellenbüros und Gemeinschaftsbegegnungsflächen im Kern gewünscht waren.
Statt des üblichen Bürorasters von 1,35 m hatte man sich mit der Bauherrschaft auf eine großzügige Fassadenaufteilung und das doppelte Rastermaß geeinigt. So findet sich in den nun 2,70 m breiten Glaselementen immer nur ein Öffnungsfeld. Bei den Brüstungselementen wurde im Scheibenzwischenraum der Isolierverglasung ein Streckmetallgitter aus Aluminium eingelassen, das die Wärmeeinstrahlung im Fußbereich reflektiert und einen semitransparenten Blickschutz bietet. Durchblick und Ansicht verändern sich je nach Blickwinkel. Die senkrechte Stellung der Streckmetallwaben ist auf einer Kombination funktionaler und gestalterischer Zielsetzungen zurückzuführen: Das Wechselspiel der Ansichten je nach Standpunkt war unbedingt gewünscht, ebenso wie das Lichtspiel, das Innen- und Außenbeleuchtung auf die Fassade zaubern.
Sonnenschutzgewebe mit Synergieeffekt
„Wir versuchen in unserem Büro immer, Funktion und Gestaltung so nahe wie möglich zusammenzubringen oder Synergien zu nutzen,“ erklärt Philipp Welter. Das gilt auch für das Thema Sonnenschutz. So war schnell klar, dass es einen außenliegenden Sonnenschutz geben muss, der eben nicht nur baurechtlich notwendigen Blendschutz bietet, sondern auch bauphysikalisch sinnvoll die solare Wärmeeinstrahlung reduzieren kann. Über die Notwendigkeit einer brandschutzrelevanten Treppenhausfassade, bei der alle Bauteile die Brandschutzklasse A2 erfüllen mussten, kam das Warema SecuTex-Gewebe A2 ins Spiel. Der nach DIN 4102-A2 als nicht brennbar zertifizierte Stoff besteht aus einem mit Silikon beschichteten Glasfasergewebe ohne Zusatz von schädlichen oder gefährlichen Chemikalien. So können im Brandfall keine giftigen Gase entstehen und es kommt nur zu einer minimalen Rauchentwicklung. Im Gegensatz zu anderen textilen Sonnenschutzbehängen wird dieses Gewebe damit nicht zum zusätzlichen Brandbeschleuniger und verhindert lebensbedrohliche Rauchgasvergiftungen.
Das Warema SecuTex-Gewebe lässt sich flexibel sowohl innen für Rollos als auch außen bei Fenstermarkisen einsetzen. Der Stoff ist einseitig mit Aluminium bedampft und hat eine reflektierende Oberfläche. „Raumseitig haben wir uns für einen neutralen, hellen Grauton entschieden und die Alu-Seite nach außen gelegt. Damit erlaubt uns das Material neben dem Brandschutzeffekt eine maximale Wärmereduktion und wir gewinnen zusätzlich ein gestalterisches Plus: Bei geschlossenem Sonnenschutz legt sich ein silbriger Schimmer über das ganze Gebäude.“ schwärmt Philipp Welter.
Fenstermarkisen im Windkanaltest
Aufgrund der Windanfälligkeit der Konstruktion entschieden sich die Architekten gegen die ursprünglich geplante Markisenvariante. Vorab war eine aufwendige Simulation mit einem Gebäudemodell im Windkanal durchgeführt worden. Das Gutachten ergab einen reduzierten Windschwellenwert für die schräg gestellten Markisen, damit wären sie schon bei relativ geringen Windstärken eingefahren worden. Zusammen mit dem Fassadenplaner wählte man daher einen dicht aufliegenden Sonnenschutz mit Vorbau-Markisen und seitlicher easyZIP-Führung von Warema, die mit einer Windbeständigkeit von bis zu 150 km/h, abhängig von Produktausführung und Einbausituation, ausgesprochen windstabil sind. Die komplexe Gebäudegeometrie verlangte außerdem die Überprüfung der unterschiedlich ausgerichteten Fassadenteile durch eine Verschattungsstudie. So konnten die Fenstermarkisen an den reinen Nordfassaden durch innenliegende Blendrollos mit dem gleichen silberfarbenen Gewebe ersetzt werden, eine willkommene Kostenersparnis. Die Vorrichtung für manuell bedienbare Rollos ist an allen Fenstern im Deckenanschluss vorgehalten, sodass bei Bedarf problemlos nachgerüstet werden könnte. Diese Flexibilität – auch in puncto Sonnenschutz – war ein wichtiges Kriterium bei der Zertifizierung des Gebäudes mit dem Goldsiegel der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen DGNB.
Einzig an der Straßenseite, obwohl nach Norden ausgerichtet, wurden aus gestalterischen Gründen ebenfalls Fenstermarkisen verbaut. „Die Hauptfassade soll ein einheitliches Bild abgeben und sich bei Sonnenschein auch an der Straßenseite in ihrem schimmernden Kleid zeigen,“ erläutert Welter seine Entscheidung.
Fenstergenaue Sonnenschutzsteuerung
Dass der Sonnenschutz automatisch gesteuert wird, war in der Planung schon früh gesetzt. „In Bürobauten ist eine automatische Steuerung besonders wichtig, weil im Sommer die solaren Wärmeeinträge in den frühen Morgenstunden oder am Wochenende, wenn niemand arbeitet, das Raumklima viel zu sehr belasten und die Räume stark aufheizen,“ erklärt Philipp Welter. Im Zusammenspiel von Fassadenplaner, Architekten, Bauherren, Steuerungsplaner und Experten von Warema wurde im Hinblick auf die Anforderungen die wirtschaftlichste und funktionellste Konzeption entwickelt. Auf diese Weise konnte gemeinsam mit allen Projektbeteiligten die flexibelste Steuerungslösung für einen optimalen Nutzerkomfort gefunden werden. So sorgt der Sonnenschutz nun das ganze Jahr über für die thermische Behaglichkeit der Nutzer und hilft, im Sommer die Aufheizung durch Sonneneinstrahlung zu verhindern und im Winter die Wärme im Innern zu erhalten.