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Lichtlenksysteme für den Sonnenschutz

Lichtlenkung — eine gute Variante

Traditioneller Sonnenschutz reduziert den Energieeintrag durch verglaste Bauteile mittels abgedunkelter und/oder verspiegelter Gläser oder mittels Sonnen- und Blendschutzmaßnahmen. Die Absicht ist, die externe Wärmelast mittels Reflexion und/oder Absorption in der Außenhaut zu reduzieren.

Der Gesamtenergieverbrauch solcher Gebäude ergibt jedoch wegen hoher Einschaltdauer der infolge der Verdunkelung benötigten elektrischen Beleuchtung eine negative Energiebilanz.

Sonnenschutz, der über keine besonderen Maßnahmen zur Lichteinlenkung/Raumausleuchtung ­verfügt, verschwendet die natürliche Ressource Tageslicht und Strom für die Beleuchtung. Mit traditionellem, innen liegendem Sonnenschutz ist die Anforderung einer passiven Kühlung auch nicht zu verwirklichen, weil die Lichtstrahlung an den Lamellen absorbiert und in Wärme gewandelt wird.

Diese Beobachtungen fordern dazu heraus, die Tageslichtnutzung mit optimierter Energiebilanz der Schutz- und Versorgungsfunktion zu entwickeln. Legt man als Stand der Technik für Hochhäuser in Europa ein Wärmeschutzglas mit 75 % Lichttransmission und einem g-Wert von zirka 55 % zuzüglich einem inneren Sonnenschutz zugrunde und vergleicht die Performance dieser Fassade mit einer Best-Practice-Fassade, so lässt sich der Gesamt­energieeintrag um 50–80 % auf 8–15 % reduzieren, während gleichzeitig die Lichttransmission um etwa 100 % erhöht werden kann.

Selbst eine Absenkung der g-Werte für die hohe, überhitzende Sonne auf 5–10 % ist technisch möglich. Diese energetischen Vorteile werden primär durch die Lichtlenkung mit spiegelnden Oberflächen sowie zusätzlich durch den speziellen, zweischaligen Aufbau einer nicht hinterlüfteten Fassade erzielt (closed cavity).

Intelligente Lichtlenklamellen

Abhängig vom Abstand der Lamellen in einem horizontalen Behang fällt die hohe Sonne nur auf das zum Außenraum orientierte Teilstück. Es bietet sich daher an, Jalousielamellen in zwei optisch unterschiedlich wirkende Teilstücke aufzuteilen: Eine erste Lamellenhälfte zur Lichtauslenkung der direkten hohen Sonne (passive Gebäudekühlung) und eine zweite Lamellenhälfte zur Lichteinlenkung bei flacher Sonne (verbesserte Raumausleuchtung, z.B. Lamellen Typ RetroLux der Firma RetroSolar). Der Nutzer fordert nicht nur gutes Licht und reduzierte Wärmestrahlung aus der Fassade, er will vor allem aus dem Fenster schauen können.

Um die Durchsicht eines Lamellenbehangs und gleichzeitig die Lichttransmission zu verbessern, kann das erste, retro-reflektierende Lamellenteilstück auch W-förmig gestuft ausbildet werden (Bild 1), um eine sehr schlanke Lamellenkontur zu erreichen.

Die Durchsichtigkeit ergibt sich bei diesen Lamellen zu 74 % bei gleichzeitiger Rückreflexion der hohen Sommersonne in geöffnetem Zustand. In den unteren und oberen Behangteilen sind die zweiten Lamellenhälften (Lightshelfs) unterschiedlich angestellt. Im unteren Teil sind sie steiler, im Oberlicht flacher angewinkelt, sodass sich durch das Oberlicht eine verbesserte Raumtiefenausleuchtung und im unteren Fenster eine steile Lichtumlenkung an die Decke ergibt. So ist trotz der Sonneneinspiegelung der Arbeitsplatz völlig blendfrei (großes Bild). Für den Einbau im Isolierglas wird die Lamelle auf eine Breite von 20 mm reduziert und das erste Teilstück V-förmig ausgebildet.

Neben diesen komplexen makrostrukturierten Geometrien sind am Markt auch mikrostrukturierte Lamellensysteme verfügbar (siehe Lamellen Typ RetroFlex). Hierbei wird in eine Konkav-/Konvex-Lamelle ein Fresnelspiegel eingeprägt. Diese Spiegellamellen reflektieren trotz geöffneter, flacher Lamellenposition die Sonne zurück in den Himmel und schützen den Innenraum vor Überhitzung. Infolge der geöffneten Lamellenstoren kann diffuses Licht zugunsten einer verbesserten Raumausleuchtung eintreten, gleichzeitig ergibt sich eine Durchsicht von mehr als 80 %. (Bild 2).

Alle Lichtlenkjalousien lassen sich mit unterschiedlicher Winkelanstellung in verglaste Dachflächen einsetzen, vorzugsweise im Isolierglas in fester, vorberechneter Position. Eine dreh- und jalousierbare Ausführung ist jedoch möglich.

Qualitätskriterien

Die Wirksamkeit eines Sonnenschutzsystems wird nach der europäischen Normung mit dem sogenannten Abminderungsfaktor FC beschrieben. Die Gesamtenergietransmission einer Glasfassade errechnet sich somit nach folgender Gleichung: gges = FC x gglas

gges – Gesamttransmission durch Glas inkl. Sonnenschutz; gglas, – g-Wert der Verglasung; FC – Abminderungsfaktor

Die Angaben gemäß EU-Norm reichen jedoch für eine Qualitätssicherung der Fassade noch nicht aus. Bisher ist es üblich, den Sonnenschutz nur unter thermischen Gesichtspunkten zu betrachten. Ein Fenster dient jedoch primär dem Tageslichteintrag, der Durchsicht und dem visuellen Komfort. Gute g-Werte lassen sich bei völlig geschlossenem Sonnenschutz leicht realisieren.

Der Nutzer will jedoch nach außen schauen können und wünscht mehr Tageslicht. Hierzu öffnet er den Behang. Das Gebäude überhitzt dann entweder aufgrund künstlicher Beleuchtung oder eines unkalkulierten Energieeintrages.

Der gges-Wert ist daher durch weitere Angaben der Lichttransmissionen, der sekundären Wärmestrahlung und der Durchsicht zu differenzieren. Trotz gleicher Zahlenwerte für g können unterschiedliche Systeme in der Praxis völlig unterschiedliche Eigenschaften aufweisen, wenn die Gesamtenergie im Sommer nur über Wärmestrahlung anstatt über Lichtstrahlung in den Innenraum eingeleitet wird.

Ein System, das weniger Wärme sondern primär Licht in den Innenraum einbringt, muss dagegen als sehr gut bewertet werden. Der g-Wert ist daher entweder durch einen Gleichzeitigkeitsfaktor der Lichttransmission zu ergänzen oder er muss als ein Summenwert der Energietransmission für kurzwellige Lichtstrahlung und langwellige Wärmestrahlungsanteile differenziert werden.

Zudem ist ein dritter Faktor der visuellen Transmission zwischen den Lamellen in Prozent bei horizontaler Blickrichtung in die Bewertungsskala des Tageslichtsystems aufzunehmen.

Dimmung der Sonneneinstrahlung

Die monoreflektive Strukturen der Retro-Systeme gewährleisten, dass einfallende Sonnenstrahlen durch die Lamellenoberseiten entweder nach innen und/oder nach außen umgelenkt werden, ohne dass es zu Pingpong-Effekten der Reflexionen zwischen den Lamellen kommt. Die Systeme sind in ihren energetischen und lichttechnischen Eigenschaften optimiert und in ihrem thermischen Verhalten präzise zu berechnen.

Die Geschicklichkeit einer Steuerung besteht darin, die lichttechnischen und thermischen Eigenschaften und Funktionen des Behangs über die Reflektorgeometrie der Lichtlenkkonturen sicherzustellen. Die spezielle Kontur der Retro-Systeme gewährleistet eine einfallswinkelabhängige Selbststeuerung, wodurch eine ständige, schrittweise Nachführung mit kleinen Winkel­änderungen vermieden wird.

Einer Lamellennachführung bedarf es allerdings bei auf- oder untergehender Sonne auf den Ost- und Westseiten der Gebäude in zwei bis drei Nachführpositionen. Durch eine Lamellennachführung kann jedoch ein nahezu konstanter Energiedurchlassgrad der Systeme im Tagesgang erzielt werden. Der Behang wird entweder über eine sogenannte Astrosteuerung, in der die Sonnenpositionen im Jahresgang einprogrammiert sind, und/oder über einen Lichtsensor angesteuert, der die Position der Sonne wahrnimmt.

Zur Vermeidung von Wärmestaus oder unerwünschten Wärmestrahlungseffekten aus der Fassade bei innen liegenden Lichtlenksystemen wird zusätzlich empfohlen, die Luft entweder zwischen Glas und Lichtlenksystem abzusaugen oder mindestens eine Abluft in der Fensterzone vorzusehen. ­—

Der Autor

Dr. Helmut Köster ist Architekt und Lichtplaner und mit seinem Büro auf die Entwicklung von Tageslichtlenksysteme und integrierte Beleuchtungssysteme spezialisiert.

http://www.koester-lichtplanung.de

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