_ Die steigenden Energiekosten und die CO2 Reduzierung sorgen dafür, dass die Verbesserung der Energieeffizienz weiterhin das Bauen bestimmt. Dies zeigt auch die KfW-Förderpraxis, weil der Großteil der neuen Gebäude als KfW Effizienzhaus gebaut wird. Die EnEV 2016 bringt keine expliziten Verschärfungen für Bauelemente und die geforderte Reduzierung des Jahresprimärenergiebedarfs um 25 Prozent wird eher durch die Haustechnik erreicht. Dies wird auch die Fenster und Fassaden betreffen, da sich erhebliche Einsparpotenziale durch eine Schnittstelle zur Haustechnik ergeben, beispielsweise bei Lüftung und Sonnenschutz. Zur Lösung der zukünftigen Aufgaben eignet sich das Gestaltungsprinzip des Universal Design gut.
In den nächsten Jahren wird sich der Neubau verstärkt am Konzept des Energieplushauses orientieren, das neben einer guten Wärmedämmung (KfW 55 Haus) durch die regenerative Energieerzeugung, passive Solarnutzung und intelligente Haustechnik geprägt wird. Auch dem sommerlichen Wärmeschutz und der Tageslichtversorgung kommt immer mehr Bedeutung zu, weil sich Hitzeperioden auch in Zentraleuropa häufen und die Ansprüche an Komfort und gesundes Wohnen weiter steigen. Die technischen Lösungen hierfür sind vorhanden, aber bei Planern und Bauherren eher unbekannt. Deshalb werden Fensterexperten, die aktiv und kompetent informieren und ihre Beratungsaufgaben wahrnehmen, erfolgreich sein.
Bei sinkenden Transmissionsverlusten müssen besonders die Lüftungswärmeverluste reduziert werden. Hier eignen sich Fenster mit integriertem Lüftungssystem oder mit automatischer Öffnung hervorragend; gerade für das Bauen im Bestand, bei dem eine zentrale Lüftung inkl. dem zugehörigen Rohrnetz komplizierter und teurer ist. Besonders im Gewerbebau sollten leistungsfähige Sonnenschutz- und Lichtlenksysteme eingesetzt werden, um eine technische Kühlung zu vermeiden und die Energie für Kunstlicht zu reduzieren.
Sonnen- und Blendschutz sowie die Lichtlenkung müssen hierbei gesondert geplant werden. Segmentierte und perforierte Jalousien unterschiedlicher Geometrie oder elektrochrome Verbundgläser mit elektrisch leitfähigen Beschichtungen (TCO) sind interessante Optionen zum traditionellen Raffstore. Für Planer und Hersteller bedeutet dies, dass die Gebäudehülle, Fenster und Bauelemente und deren Planung komplexer werden.
Optimierung Wärmedämmung
Im Neubau kommt die Optimierung der Wärmedämmung im Wand- und Dachbereich an wirtschaftliche Grenzen. Das zeigen Studien und erste Erfahrungen mit Energieplushäusern, für die das Dämmniveau KfW-Effizienzhaus 55 ausreicht. Deshalb wird eine bessere Energieeffizienz eher durch mehr Haustechnik erreicht. Davon werden aber auch intelligentere Fenster, Türen und Tore profitieren.
Der größte Hebel für Energieeinsparungen bleibt aber die Sanierung des Baubestandes. Diese Realität kann von Politik und der Gesellschaft nicht ignoriert werden, wenn die CO2 Ziele ernst genommen werden. Der Austausch alter Fenster mit Einfachglas und Verglasungen ohne Wärmeschutzbeschichtungen (Ug ca. 2,7 W/(m² K)) ist energetisch und wirtschaftlich sinnvoll. Vor diesem Hintergrund lassen sich für die nächsten Jahre folgende Entwicklungsaufgaben ableiten:
- Verbesserung der Wärmebrücken beim Baukörperanschluss,
- Minimierung der Lüftungswärmeverluste durch kontrollierte, bedarfsgerechte und nutzerunabhängige Lüftung (Fensterlüfter) mit Systemen zur Wärmerückgewinnung,
- Optimierung sommerlicher Wärmeschutz durch Sonnenschutzsysteme,
- Energieeinsparung durch Anbindung an die Haustechnik und Regelungslogik,
- Nutzung der Sonnenenergie durch höheren Glasanteil und bessere g-Werte,
- Reduzierung des Kunstlichteinsatzes durch bessere Lichttransmission, Sonnenschutz und Lichtlenkung. Hier darf der Lichtkomfort und der Blendschutz nicht vergessen werden.
Gerade bei der Sanierung muss dem Baukörperanschluss mehr Beachtung geschenkt werden. Für Baukörperanschlüsse sollten die Psi-Werte bei 0,08 W/(m²K) liegen. Bei einem Standardfenster (123 x 148 cm) ist eine Reduzierung des -Wertes um 0,10 W/(m2K) gleichwertig zu einer Verringerung des Uw-Wertes von ca. 0,5 W/(m²K).
Energieeffiziente Lüftung
Eine ausreichende Lüftung der Wohnräume ist aus gesundheitlichen und baulichen Gründen notwendig. Eine zentrale Lüftungsanlage lässt sich leicht im Neubau integrieren, ist in der Sanierung aber schwierig umzusetzen. Im Gebäudebestand kann man eine Lüftung besser durch dezentrale Systeme realisieren, beispielsweise durch Fensterlüfter, die im Fenster integriert sind und eine Wärmerückgewinnung ermöglichen. Die Leistung von passiven Lüftern, die durch natürliche Luftdruckunterschiede angetrieben werden, ist naturgemäß deutlich niedriger als ein aktiver Antrieb mittels Ventilator. Auf jeden Fall gehört die Beratung zum Thema Lüftung zur unverzichtbaren Kernkompetenz von Fensterexperten.
Zur Erstellung eines einfachen Lüftungskonzepts im Wohnungsbau hat das ift Rosenheim die Richtlinie LU-02/1 erarbeitet, die Hinweise zur Planung, Ausschreibung und Dimensionierung von Fensterlüftern enthält. Ergebnisse der Forschungsinitiative „Energieoptimiertes Bauen (ENOB)“ zeigen, dass sich Energieeffizienz, Nutzerakzeptanz und geringe Installationskosten mit dezentralen Lüftungssystemen gut erreichen lassen. Auch mit motorisch betriebenen Fenstern lässt sich eine nutzerunabhängige und witterungsgeschützte Lüftung inkl. Nachtauskühlung realisieren.
Automatisierung
Der Einsatz elektromechanischer Bauteile ist eine Schlüsseltechnologie, mit der sich steigende Anforderungen an Energieeffizienz, Nutzerkomfort, Sicherheit und Barrierefreiheit erfüllen lassen. In modernen Bürogebäuden können intelligente Fenster den Einsatz von Klimaanlagen und künstlichem Licht deutlich reduzieren und gleichzeitig das Wohlbefinden der Nutzer erhöhen. Sensoren messen Einflussgrößen wie Luftqualität, Lichtstärke, Luftfeuchte und Raumtemperatur und lösen optional automatisch bedarfsorientierte Reaktionen aus, die der Nutzer jedoch jederzeit individuell beeinflussen können muss. Ohne diese Einflussmöglichkeit ist eine Akzeptanz nicht möglich, denn Menschen haben ein ganz unterschiedliches „Klimaempfinden” und zwar individuell wie kulturell. So wollen Menschen in warmen oder tropischen Regionen einen ständige n Luftzug, was in Deutschland eher abgelehnt wird. Das wird oft nicht beachtet und mögliche Energiespareffekte werden nicht erreicht. Die Nutzererwartungen müssen deshalb genau analysiert werden. Hier können die Erkenntnisse aus der Softwareentwicklung für die Entwicklung der Steuerung und Bedienung automatisch betriebener und gesteuerter Fenster genutzt werden.
In Zukunft wird deshalb die Haustechnik (Heizen, Kühlen, Lüften) immer stärker in kompakte Technikmodule integriert, um Schnittstellen zu reduzieren, Kosten zu vermindern und die Qualität zu verbessern. Hierfür müssen technische und gestalterische Lösungen erarbeitet werden, damit die Integration in Fenster und Fassaden so einfach geht, wie wir das heute von den Beschlägen kennen. Auch die Stromversorgung und Sensorik kann in das Technikmodul integriert werden, sodass jeder Raum entsprechend der Belegung und dem Raumklima gesteuert werden kann. Diese Anforderungen können in Zukunft besser durch modular aufgebaute Bauelemente erreicht werden, für die definierte Schnittstellen erforderlich sind, zu der auch der „Baukörperanschluss“ gehört.
Isolierglas
Das 3-fach-Isolierglas mit Ug-Werten von 0,4 bis 0,7 W/(m²K) hat sich etabliert. Weitere Verbesserungen ergeben sich durch zusätzliche selektive Beschichtung der äußeren und inneren Glasscheiben sowie optimierte Randverbünde, die durch eine Erhöhung der Oberflächentemperatur im Glasrandbereich den Tauwasseranfall vermeiden. Eine Erhöhung des Scheibenzwischenraums über 16 mm sollte nicht für 3-fach-ISO genutzt werden, da die höheren Klimalasten zu Glasbruch oder Undichtigkeiten führen können. Aber auch beim Zweifach-Isolierglas gibt es interessante technische Entwicklungen im Bereich der Beschichtungstechnik. Durch neue Applikationsverfahren und die Kombination mehrerer Beschichtungen sind auch Zweifach-Isoliergläser mit Ug-Werten unter 1,0 W/(m²K) erreichbar.
Vakuumverglasungen werden zukünftig immer öfter angeboten und vor allem bei der Sanierung von Denkmal geschützten Fenstern eingesetzt, bei denen die Fensterprofile kein dickeres Mehrscheiben-Isolierglas aufnehmen können. Erfahrungen, Prüfverfahren und Normen zur Dauerhaftigkeit liegen in Deutschland noch nicht vor, sodass Haftung und Gewährleistung problematisch bleiben.
Druckentspanntes Mehrscheibenisolierglas (DeMIG)
„Klassische“ Mehrscheibenisoliergläser (MIG) bestehen aus planparallelen Glasscheiben, die über ein entsprechend ausgebildetes Randverbundsystem miteinander verbunden sind. Die Scheibenzwischenräume (SZR) sind hermetisch abgeschlossen. Dies ist notwendig, um die Luftfeuchtigkeit im SZR gering zu halten und die Entstehung von Tauwasser und die Oxidation der aufgedampften, metallischen Low-e-Beschichtung auszuschließen.
Allerdings verhindert dieses Konstruktionsprinzip einen Druckausgleich. Ändern sich die äußeren Bedingungen wie z. B. Luftdruck und Temperatur, so entsteht ein Druckunterschied zwischen dem SZR und der Umgebung. Dies führt unvermeidlich zu einem Ein-/Ausbauchen der Glasscheiben und zur Belastung von Glasscheibe und Randverbund. Je größer der Zwischenraum, desto mehr Gas ist enthalten und desto größer wird die Belastung auf Glas und Randverbund.
Diese physikalischen Gegebenheiten hemmen zurzeit die weitere Optimierung von MIG und deshalb läuft im ift ein Forschungsprojekt zur Entwicklung von druckentspannten MIG, das mit Mitteln der Forschungsinitiative Zukunft Bau gefördert und durch die Sanco Isolierglasgruppe unterstützt wird. Prinzipiell lassen sich damit folgende Vorteile nutzen:
- Verbesserung der Luftschalldämmung,
- leichtere und vielfältigere Integration von Bauteilen in den SZR (z. B. Sonnenschutzsysteme),
- Reduzierung der Glasdicken, da keine Klimalasten mehr entstehen,
- einfachere Realisierung von Isolierglas mit mehr als drei Scheiben,
- größere Bautiefen und Verringerung der geometrischen Wärmebrücke am Baukörperanschluss.
Bei druckentspanntem Isolierglas muss der SZR mit dem Außenklima bzw. dem äußeren Luftdruck „verbunden“ werden, ohne dass eine Anreicherung von Wasserdampf im SZR im Rahmen zur Oxidation von Low-e-Beschichtungen bzw. Tauwasserbildung im Inneren führt. Dies kann durch einen Druckausgleich über ein Kapillarrohr, ein Ventil, einen Filter oder eine Membrane erreicht werden. Mit der Weiterentwicklung zur Marktreife können dann gänzlich neue Glas- und Fassadensysteme entstehen, die einen Traum von Architekten und Ingenieuren erfüllt und zwar die Integration von leistungsfähigen Systeme zu Sonnenschutz, Tageslichtlenkung, Blendschutz oder gestalterische Elemente im witterungsgeschützten Bereich.
Fazit
Fenster, Fassaden, Türen, Tore und Verglasung werden sich als funktionale Bauteile auch in Zukunft dynamisch entwickeln, insbesondere durch Automation und Steuerung. Die Planung mit dem Abgleich von Anforderungen und Technik sowie der Montage mit dem Baukörperanschluss wird komplexer und anspruchsvoller. Online Arbeitshilfen, Apps und Expertensysteme werden diese Aufgabe vereinfachen. Das ift Rosenheim wird auch in Zukunft als Partner der Branche diese Arbeit unterstützen und investiert deshalb in die Entwicklung von Expertensystemen.—
Die Autoren:
Prof. Ulrich Sieberath ist der Leiter des ift Rosenheim und seit 30 Jahren in der Fenster-, Fassaden- und Glasbranche tätig. Er stellt seine umfangreiche Erfahrung und Sachkenntnis in einer Vielzahl von technischen Ausschüssen und Fachgremien sowie als Gutachter, Fachreferent, Autor und Lehrbeauftragter zur Verfügung.
Jürgen Benitz-Wildenburg leitet im ift den Bereich PR & Marketingkommunikation. Als Holzbauingenieur und Marketingexperte ist er seit vielen Jahren in der Holz- und Fensterbranche in verschiedenen Funktionen tätig.