„Ich hätte gerne, dass Sie heute Nacht nicht schlafen,“ war sein Einstieg in sein Zukunftsthema auf dem Jahreskongress des VFF im Mai. Und dann hatte er die Zuhörer fast schwindelig geredet. Er möchte mit seinen Anstößen jeden in Unruhe versetzen und machte zahlreiche Beispiele, wie Unternehmen Erfolg hatten als sie anfingen, Regeln zu brechen.
Angesprochen auf das Fenster der Zukunft sagt Haas jetzt im Gespräch. „Ich habe keine Kristallkugel, in der ich Innovationen klar erkennen kann.“ Eines ist für ihn aber offensichtlich: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die großen Glasflächen in der Zukunft nicht genutzt werden.“ In diese würden künftig noch viel mehr Funktionen integriert werden. Beispielsweise als kommunikative Displays oder um Energie zu produzieren. Und er ist sich sicher: „Es wird mehr Glasflächen geben.“ Denn eine Steinmauer ist völliger Quatsch, wenn man doch mit Glas viel mehr Funktionen ab decken kann.
Das Haus wird digital und die Handwerker bleiben draußen
Das digitale Thema wird sich im Haus noch stärker durchsetzen, da ist sich Haas sicher. Was ihm aber aufgefallen ist: „Die Handwerker spielen hier gar nicht mit.“ Die klassischen Anbieter sind mit Holz oder Glas aufgewachsen und blenden die Digitalisierung komplett aus. Man könne zwar immer noch den klassischen Handwerker-Weg gehen und die Fenster wie vor etlichen Jahren bauen. Das Problem dabei: Der entsprechende Kundenkreis stirbt aus.
Dass wir im herannahenden Online-Zeitalter immer noch unsere Fenster offline verkaufen, beraten und montieren, funktioniert nach Ansicht des Trendbeobachters nur so lange, bis jemand in den Markt eintritt, der nicht aus dem Fensterbaubereich kommt. „Die Deutschen kaufen ihre Kleidung online, was ich selbst früher nie gedacht hätte.“ Auch der Brillenmarkt finde mittlerweile online statt, obwohl die Fachhändler immer gesagt haben, dass man Brillen individuell anpassen müsse. „Das sagen die Händler. Der Nutzer aber denkt: Meine Brille passt schon irgendwie.“ Übertragen auf Bauelemente bedeutet das: Für den Fensteranbieter ist es undenkbar, dass ein Laie die Fenster ausmisst. „Für mich ist das gar nicht so abwegig,“ sagt Haas. Er könne sich vorstellen, dass künftig der Händler dem Kunden ein Laser-Entfernungsmesser zuschickt und dieser dann die Fenstermaße ermittelt. Mit Seminaren, Online- Schulungen oder YouTube- Tutorials werden die Endkunden für das Aufmaß oder die Montage schlau gemacht.
Die Marke macht’s
„Für mich ist die große Frage: Gehe ich über den Preis oder nicht? Billigere gibt es aber immer – ob die aus Polen kommen oder aus China.“ Der Knackpunkt sei, dass man endlich aufhöre billig zu sein, denn es gibt nicht nur das Kaufmotiv „Preis”. Wenn der Mensch immer mehr Auswahl will – und die bekommt er im online-Zeitalter – dann ist er überfordert, überinformiert und kollabiert vielleicht sogar in seinem Entscheidungsprozess. Dann komme der Moment des Premiumanbieters. Dieser habe die Instrumente, welche dem Kunden das gute Gefühl geben. Er versetzt den Käufer in die Lage zu sagen: „Ich habe das geilste Fenster im Viertel.“ Schließlich wolle der Kunde, dass auch sein Nachbar seine neuen Fenster bemerkt.
Haas vermisst die Markenwelt beim Fenster, denn auch darüber würden sich Kunden orientieren. Er vermisst die Fenster, die man von außen mit einem eindeutigen aber zugleich auch wertigen Zeichen als Marke identifizieren könne. Ein Wasserhahn von Ideal-Standard oder ein Hemd von Olymp würde man dagegen schon von Weitem erkennen, obwohl das Zeichen nur dezent zu sehen sei. „Ich würde tatsächlich viel Geld in die Hand nehmen für die Marke. Das hat ja mittlerweile auch schon der Pole entdeckt und packt seine Werbung bei Borussia Dortmund drauf. Wenn dann noch ein online-Shop und die TVWerbung folgt, dann ist die Marke alles, egal woher sie kommt.“ Wenn man mit Haas über das Importproblem spricht, fragt er, warum die deutschen Fensterhersteller das „Made in Germany“ nicht verwenden.
Auch über das Sicherheitsthema zu gehen, hält er für clever – ein weiterer Weg weg vom Preis hin zu anderen Aspekten. Schließlich würde ja schon die Polizeigewerkschaft fordern, dass der Schutz am Gebäude steuerlich subventioniert wird. „Das zeigt ja schon die Ratlosigkeit der Polizei.“ Aber er gibt zugleich zu bedenken: Das werde nur für % bis !# Jahre gelten – „danach werden Häuser über die Software der Hausautomation geknackt und aufgebrochen und nicht über die Fenster.“
Zum Schluss sieht er hier eine neues Problem erwachsen: Fensteranbieter werden zum austauschbaren Zulieferer degradiert: „Stellen Sie sich vor, Somfy, Google oder sonst wer macht in ferner Zukunft das Haus digital. Und das angesteuerte Fenster ist dann voll integriert. Die Gefahr droht, dass Bauelementeanbieter unglaublich austauschbar sein werden.“ Schließlich werde dann die Digitalisierung am Fenster gekauft und nicht das Fenster selbst.
Daniel Mund