_ Die Ursprünge zur Entwicklung einbruchhemmender Bauteile sind bereits in den 70er-Jahren zu finden. Die Zunahme der Einbruchskriminalität erforderte einen aktiven Schutz gegen unberechtigtes Betreten von Gebäuden und Wohnungen. Nach zwei an Türen durchgeführten Versuchsreihen im ift Rosenheim fand ein erstes Gespräch mit der Kriminalpolizei sowie der Schloss- und der Türenindustrie im April 1975 statt. Weitere Grundlagenuntersuchungen an Türen führten zu der Erkenntnis, dass die Einbruchhemmung nur dann gegeben ist, wenn alle Einzelkomponenten (Schließblech, Schloss, Zylinder, Bänder, Türblatt) das gleiche Sicherheitsniveau einhalten. Schließlich wurde im Jahr 1989 der Normentwurf zur DIN 18103 [2] für einbruchhemmende Türen vorgelegt.
Fast zeitgleich begann das ift mit Untersuchungen der einbruchhemmenden Eigenschaften von handelsüblichen Fensterkonstruktionen. Bald erkannte man, dass ein konventionelles Fenster den grundlegenden Anforderungen aus DIN 18103 nicht standhalten konnte. Wegen anderer Randbedingungen mussten die Prüfvoraussetzungen an die Eigenschaften der Fenster angepasst werden. Hieraus entstand die 1987 veröffentlichte ift-Richtlinie zur Prüfung und Beurteilung einbruchhemmender Fenster [3]. Diese mündete schließlich in der Herausgabe der Vornorm DIN V 18054 für einbruchhemmende Fenster [4].
Forschungsprojekt zur Einbruchhemmung
Um einbruchhemmende Fenster leichter in die Widerstandsklassen der DIN V 18054 einstufen zu können, sollten Konstruktionskriterien erstellt werden. Im Forschungsprojekt „Konstruktionsmerkmale für einbruchhemmende Holzfenster“ [5] wurden Prüfungen am kompletten Fenster nach DIN V 18054 sowie Bauteil- und Einzelteilversuche durchgeführt. Deren Auswertungen sollten den Einfluss der einzelnen Komponenten auf das Verhalten des gesamten Fensters erkennen lassen. Ziel war eine Übersicht aller relevanten Konstruktionskriterien für einbruchhemmende Holzfenster.
Der Forschungsarbeit wurden die Anforderungen zur Einbruchhemmung gemäß DIN V 18054 zugrunde gelegt. Allerdings änderte sich die Normungssituation im Verlauf der Arbeiten des Forschungsprojekts mehrfach. Die Bewertung einbruchhemmender Holzfenster wurde im Abschlussbericht zwar nach DIN V 18054 vorgenommen. Allerdings wurden die Anforderungen so formuliert, dass sie auch mit den Widerstandsklassen 1 bis 6 der europäischen Vornormen ENV 1627 bis 1630 im Einklang standen.
Aufgrund der umfangreichen Testreihen an gesamten Fenstern sowie der Bauteil- und Einzelteilversuche war eine direkte Zuordnung der Konstruktionen zu den in den Normen festgelegten Widerstandsklassen möglich. Die Zuordnung zu den in DIN V 18054 festgelegten Klassen EF0 bis EF2 war eindeutig. Ebenso konnte eine Einstufung einbruchhemmender Holzfenster in die Widerstandsklassen 1 bis 3 nach ENV 1627 erfolgen. Durch Kombination verschiedener Zusatzmaßnahmen konnte die nächsthöhere Widerstandklasse erreicht werden.
Die Anforderungen wurden in Tabelle 2 „Mindestanforderungen zur Vorherbestimmung der einbruchhemmenden Widerstandsklasse von Holzfenstern“ zusammengestellt. Somit war es dem Hersteller von Holzfenstern möglich, sein Fenster bereits in der Planungsphase einer Widerstandsklasse zuzuordnen bzw. seine Konstruktion entsprechend aufzubauen, um so die raschere Markteinführung seines Produktes zu unterstützen.
Auswirkung der Ergebnisse
Bis Mitte der 90er-Jahre kam es zu einer dramatisch gestiegenen Zahl der Einbrüche. In den folgenden Jahren ist diese Zahl erfreulicherweise gesunken. Dennoch lagen zu viele Einbruchsdelikte vor, von denen ein Großteil auch „erfolgreich“ beendet werden konnte.
Ein Meilenstein bei der Entwicklung der normativen Grundlagen für die Prüfung einbruchhemmender Bauteile war das Inkrafttreten der Normenreihe DIN V ENV 1627 [6] ff. im Jahr 1999. Die Überführung der Vornorm zur seit September 2011 gültigen DIN EN 1627 [7] ff. (Bild 1) brachte dann doch mehr Arbeit und Abstimmungsbedarf auf europäischer Ebene mit sich.
Eingriffspunkt der Verriegelung als Einflussgröße
Auch für die Einbruchhemmung von Fenstern gilt der Grundsatz, dass alle Einzelkomponenten das gleiche Sicherheitsniveau einhalten müssen. Das schwächste Glied der Kette kann in mehreren Bereichen liegen. Dennoch ist es naheliegend, dem Beschlag mehr Aufmerksamkeit zu widmen, da er zwei Komponenten zu einem Bauteil verbindet. Im Forschungsprojekt [5] wurden verschiedenste Versuche durchgeführt und Ergebnisse gewonnen.
Speziell die Zugversuche haben in der Beschlagindustrie auch heute noch sowohl für die werkseigene Produktionskontrolle als auch für die Zertifizierung große Bedeutung. Eine häufige Problemstelle ist in der Praxis der Eingriff des Pilzkopfes in das Schließblech. Man ging damals bei den Zugversuchen von einem Eingriff des Pilzkopfes von 8 mm als realistischem Mittelwert aus. Dieser Mindesteingriff sollte auch heute bei jedem Schließpunkt eingehalten werden, um die Leistungsfähigkeit der Beschläge und Fensterelemente sicherzustellen.
Bei geringeren Werten steigt nicht nur die Scherbelastung auf das Schließstück, was zum vorzeitigen Bruch führen kann. Speziell bei der Werkzeugprüfung kann der Pilzkopf schlichtweg aus dem Schließteil gehoben werden (Bild 2).
In der Prüfpraxis können beispielsweise Fensterelemente mit acht, gut eingestellten Verriegelungsstellen zu positiven Ergebnissen führen, während am gleichen Element 20 schlecht eingestellte Verriegelungsstellen nicht ausreichend lange standhalten.
Durch Nachrüstung Lücken schließen
Möglichkeiten, auch bei der hohen Anzahl bereits verbauter Fenster und Türen eine nachträglich eingebaute Sicherung zu belegen, lieferte die Erarbeitung entsprechender Prüfnormen. Die Eigenschaften von Nachrüstmaßnahmen an Fenstern und Türen konnten für aufschraubbare Nachrüstprodukte durch DIN 18104-1 [8] sowie für im Falz eingelassene Nachrüstprodukte durch DIN 18104-2 [9] nachgewiesen werden.
Somit kann auch ein sehr gutes Sicherheitsniveau geschaffen werden, ohne dass ursprünglich eine einbruchhemmende Ausführung beauftragt wurde. Erwähnenswert ist, dass sich durch diese „Nische“ in den letzten Jahren ein neuer Markt entwickelt hat, der zunehmend an Bedeutung gewinnt. Allerdings sollte ein geprüftes und zertifiziertes Bauteil immer bevorzugt werden!
Entwicklung mit Licht- und Schattenseiten
Seit ca. 10 Jahren sind wieder stark steigende Einbruchszahlen mit zunehmender Tendenz zu verzeichnen (Bild 3). Eine Studie der nordrhein-westfälischen Polizei kam allerdings zu dem Ergebnis, dass auch der Anteil der fehlgeschlagenen Einbrüche steigt und zuletzt bei 42 Prozent lag. Das bedeutet, dass die Täter bei fast jedem zweiten Einbruchsversuch scheitern. Vermutlich wurden sie auch einmal durch aufmerksame Nachbarn vertrieben. Der Hauptgrund dürfte aber an wirksamen mechanischen Sicherungseinrichtungen liegen.
Zudem haben sich einbruchhemmende Bauteile konstruktiv so entwickelt, dass sie sich speziell in der weit verbreiteten Widerstandsklasse 2 optisch nicht mehr von Standardprodukten unterscheiden.
So wurden im damaligen Forschungsprojekt [5] bei Holzfenstern Wetterschutzschienen in verstärkter Ausführung und mit massiver Verschraubung eingesetzt. Durch die Weiterentwicklung der Beschläge kann man heute bei Nachweisen für einbruchhemmende Holzfenster die Wetterschutzschiene nahezu vernachlässigen. Prüfungen werden meist ohne Wetterschutzschiene durchgeführt. Die „Mehrbelastung“ der Konstruktion speziell im unteren offenen Bereich wird durch die leistungsfähigeren Beschläge ausgeglichen.
Wärmeschutz trifft Einbruchhemmung
Auch im Bereich der Einbruchhemmung nahm der Einsatz von Kunststoffprofilen mehr und mehr zu; entsprechende Prüfungen wurden durchgeführt. Die Ausführung von hochwärmedämmenden Fenstern mit einbruchhemmenden Eigenschaften ist grundsätzlich kein Widerspruch. Jedoch entwickelten sich hier mit Kunststoffprofilen bessere Möglichkeiten. Im Forschungsprojekt „Holzfenster 2012; Nachhaltige Optimierung von Holzfensterprofilen zur Erreichung der Anforderungen der EnEV 2012“ [10] wurden auch die Auswirkungen auf die Einbruchhemmung berücksichtigt. Verschiedene Rahmenvarianten wurden geprüft und konnten auch positiv nachgewiesen werden (Bild 4).
Die Sicherung der Glasanbindung wurde früher durch im Glasfalz eingesetzte Winkel, Winkel auf der Raumseite und verschraubte Glashalteleisten umgesetzt. Die Verklebung der Glasanbindung wurde auch im damaligen Forschungsprojekt überprüft, war in der Praxis jedoch eher als Exot anzusehen. Gründe hierfür waren der hohe Aufwand und die Schwierigkeiten beim Einbringen des Klebstoffs. Ebenfalls gab es Verträglichkeitsprobleme mit dem Randverbund.
Klebstoffhersteller haben am ift umfangreiche Prüfungen zur Randverbundverträglichkeit durchführen lassen; auch bezüglich der Verarbeitung des Klebstoffs wurde sehr viel für die Verarbeiter getan. Heute ist auch der Einsatz von Klebstoffen durch gut gelöste Systeme mit Nachweisen nahezu zum Standard geworden.
Durch das Einbringen des Klebstoffs in den Überschlag und Falzgrund wird zudem der Schwachpunkt des Überschlags gesichert. Dies ersetzt das Verschrauben der Glashalteleisten (mit der vom Endverbraucher schwer akzeptablen sichtbaren Verschraubung) und den Einsatz von Winkeln im Glasfalz (mit entsprechender Wärmebrücke) in der verbreiteten Klasse WK2/RC2.
Einbruchhemmende Produkte werden zum Standard
Heute kann nahezu jeder Hersteller über Systemunterlagen von Systemhäusern, Verbänden und Beschlagherstellern einbruchhemmende Elemente in Lizenz herstellen und den erforderlichen Nachweis liefern. Hierzu ist eine Schulung notwendig, um die wichtigen Details bei Herstellung und Montage zu berücksichtigen. Die Überwachung und Zertifizierung der Hersteller dienen als Nachweis und Qualitätssicherung; sie sind bei Ausschreibungen meist gefordert. Zudem ist die Überwachung Grundvoraussetzung, um in den „Herstellerverzeichnissen der Landeskriminalämter“ gelistet zu werden.
Durch die Entwicklung der Produkte und die stark steigenden Einbruchsdelikte der letzten Jahre wurde vermehrt der Einsatz einbruchhemmender Produkte in den Vordergrund gestellt. Im öffentlichen Bereich ist die einbruchhemmende Ausführung bei Fenstern und Türen längst zum Standard geworden. Durch die intensive Medienpräsenz und nun auch durch staatliche Förderungen sollte sich auch beim privaten Bauherrn die einbruchhemmende Ausführung als „Standard“ etablieren.
Auch hochwärmegedämmte Fenster sind mit verschiedensten Rahmenmaterialien produzierbar und praxistauglich. Durch umfangreiche Prüfserien können Hersteller nahezu jegliche Bauarten einbruchhemmend ausführen und so eine große „sichere Produktpalette“ bieten. Als Teil der Sicherheitskette ist neben der Konstruktion auch der Mensch – vom Bauherrn bis zum Hersteller – gefordert, entsprechende Sicherheitsmaßnahmen zu verlangen bzw. umzusetzen, um einen wirksamen Schutz zu gewährleisten.—
Literatur
[1] 25 Jahre Institut für Fenstertechnik e.V.; Ein Überblick. ift, 1991
[2] Entwurf DIN 18103:1989-09 Türen; Einbruchhemmende Türen; Begriffe, Anforderungen und Prüfungen. Beuth Verlag GmbH
[3] Richtlinie zur Prüfung und Beurteilung einbruchhemmender Fenster. ift, 1987
[4] Vornorm DIN V 18054:1991-12 Fenster; Einbruchhemmende Fenster; Begriffe, Anforderungen, Prüfungen und Kennzeichnung. Beuth Verlag GmbH.
[5] Schmid, J.; Stengel, F.; Götz, M.; Krause, H.; Moosreiner, J.; Sieberath, U.; Weimann, W.: Konstruktionsmerkmale für einbruchhemmende Holzfenster. Forschungsbericht des ift, 1998
[6] DIN V ENV 1627:1999-04 Fenster, Türen, Abschlüsse – Einbruchhemmung – Anforderungen und Klassifizierung. Beuth Verlag GmbH
[7] DIN EN 1627:2011-09 Türen, Fenster, Vorhangfassaden, Gitterelemente und Abschlüsse – Einbruchhemmung – Anforderungen und Klassifizierung. Beuth Verlag GmbH
[8] DIN 18104-1:2000-09 Einbruchhemmende Nachrüstprodukte – Teil 1: Anforderungen und Prüfverfahren für aufschraubbare Nachrüstprodukte für Fenster und Türen. Beuth Verlag GmbH
[9] DIN 18104-2:2002-11 Einbruchhemmende Nachrüstprodukte – Teil 2: Anforderungen und Prüfverfahren für im Falz eingelassene Nachrüstprodukte für Fenster und Türen. Beuth Verlag GmbH
[10] Bliemetsrieder, B.; Sack, N.: Holzfenster 2012; Nachhaltige Optimierung von Holzfensterprofilen zur Erreichung der Anforderungen der EnEV 2012. Forschungsbericht des ift, 2011
50 Jahre ift Rosenheim
Das ift Rosenheim feiert 2016 sein 50-jähriges Bestehen. Deshalb wird in einer 10-teiligen Fachartikelserie die technische Entwicklung vorgestellt. Die einzelnen Beiträge beziehen sich auf Zeitfenster von 5 Jahren ab der Institutsgründung. Bisher haben wir über folgende Themen und Zeitfenster berichtet:
- „Gegründet, um das Holzfenster besser zu machen“ (1966–1970): Heft 01/2016, S. 62 ff.
- „Auf dem Weg zum energiesparenden Bauen“ (1971–1975): Heft 02/2016, S. 122 ff.
- „Metallprofile zukunftsfähig machen“ (1976–1980): Heft 04/2016, S. 78 ff.
- „Vom Monoglas zum Hochleistungs-ISO (1981–1985): Heft 05/2016, S. 120 ff.
- „Kammerolympiade und andere Disziplinen“ (1986–1990): Heft 07/2016, S. 76 ff.
- „Die Wege des Schalls“ (1991–1995): Heft 09/2016, S. 178 ff.
Die Autoren
Jens Pickelmann ist als Schreiner und Holztechniker (HTR) Prüf- und Produktingenieur am ift für den Bereich Einbruchhemmung und mechanische Sicherheit sowie als Sachverständiger und Auditor tätig.
Gabriele Tengler, ist stv. Leiterin der ift-Abteilung PR & Kommunikation und war viele Jahre für die technische Auskunft zuständig.