Über 90 Jahre lang fuhr die Nebelhornbahn in Oberstdorf viele Besucher zu zwei Stationen in den Bergen. 2020 wurde sie abgerissen und durch eine moderne 2-Seil-Umlaufbahn ersetzt, die dank kleinerer Kabinen mehr Personen Transportieren kann und zudem für jeden Fahrgast einen ungetrübten Ausblick ermöglicht. Jetzt befindet sich in Oberstdorf die längste Personenumlaufbahn Deutschlands.
Doch nicht nur die Bahn musste ersetzt werden, auch die Talstation wurde abgerissen und neu erstellt. Bei dem neuen Bahnhof legten die Planer großen Wert auf Transparenz und setzten auf Spezialgläser von Glas Marte.
Warum setzten die Planer auf gebogenes VSG von Glas Marte?
Der neue Bahnhof hat eine Grundfläche von 10 × 48 m und wird von 78 parabelförmig geformten Holzbindern mit einer Höhe von 12 m umschlossen. Dazu Stefan Hiebeler, der verantwortliche Projekt-Architekt: „Ursprünglich wollten wir diese Holzbinder-Konstruktion mit einer Membran überdachen. Doch bald stellte sich heraus, dass dies aufgrund des Schallschutzes nicht möglich war.“
Die Seilbahn ist beim An- und Abfahren relativ laut. Dieser Geräuschpegel muss vom Gebäude mindestens in gewissem Maß abgefangen werden. Die Membran ist dazu nicht in der Lage. Aus diesem Grund gingen die Planer dazu über, die Verkleidung aus Glas zu fertigen, und setzten sich mit einem deutschen Hersteller in Verbindung.
Dessen Angebot sprengte aber preislich den Rahmen, woraufhin die Architekten mit Glas Marte in Kontakt traten. Die Spezialisten berieten die Architekten hinsichtlich der Planung sehr ausführlich, so dass nun mit Glas bebaut wurde.
Gebogenes Glas in Parabelform, eine Herausforderung
Die besondere Herausforderung des Projekts lag darin, dass das Glas die Parabelform der Stützen aufnehmen und dementsprechend gebogen sein muss. Dies löste Glas Marte mit zwei verschiedenen Formgebungsverfahren. Je nachdem, welche Krümmung erforderlich war, wurde das Glas kalt oder warm gebogen.
Da der Glasspezialist in der Lage ist, das Kaltform- oder Laminationsbiegeverfahren selbst durchzuführen, kann es diese Elemente kostengünstig anbieten und je nach gewünschtem Zeitpunkt liefern. Hierbei werden die einzelnen Scheiben des Verbundsicherheitsglases (VSG) zu einem Scheibenstapel zusammengelegt und mithilfe einer speziellen Biegevorrichtung dann in Form gezwängt.
Anschließend wird der Scheibenstapel durch Druck in einem gasdicht verschließbaren Behälter dauerhaft miteinander verbunden. Allerdings war für den Einsatz dieser Gläser bei der Oberstdorfer Bahnstation der Nachweis im Einzelfall erforderlich. Dieser wurde über die Zulassungsstelle in München erteilt.
Hierfür und damit sich alle Baubeteiligten ein reales Bild vom Ergebnis machen können, fertigte Glas Marte ein 1:1-Modell von zwei Stützenfeldern. Dieses überzeugte die Verantwortlichen, woraufhin das Unternehmen den Auftrag bekam, die Elemente zu liefern und am Gebäude anzubringen.
Komplexe Montage erforderte kletternde Monteure
Doch auch bei der Montage erwies sich die Parabelform als komplex, denn durch sie konnte die Befestigung der Elemente nur teilweise von einem Laufgerüst aus stattfinden. Einige Flächen waren von da aus einfach nicht zugänglich, weshalb besondere Arbeitsbühnen erforderlich waren.
Und auch mit deren Hilfe erwiesen sich einige Stellen als unerreichbar. Deshalb mussten speziell im Klettern ausgebildete Monteure die Befestigung der Glaselemente durchführen, die teilweise 2,4 × 5,5 m groß waren und ein Gewicht von bis zu 500 kg hatten.
Dabei galt ein straffer Zeitplan, aufgrund dessen die Glas-Marte-Mitarbeiter sowohl im eisigen Schnee als auch unter sengender Sonne arbeiten mussten. Doch auch bei der Planung des Gebäudes selbst spielten die Themen Hitze und Schnee eine große Rolle.
Schnee und Hitze erfordern 10 mm dicke Gläser
Da die Bahnhofstation vollständig aus Glas besteht und keinerlei Verschattung vorgesehen ist, befürchteten die Planer, dass es im Sommer zum Hitzestau kommt. Zwar zieht ein Großteil der Wärme in dem 12 m hohen Innenraum nach oben ab, dennoch entschieden sich die Verantwortlichen dafür, im oberen Bereich Lüftungselemente zu installieren. Durch sie kann die Wärme ins Freie gelangen.
Zudem wurde eine Scheibe des VSG-Einheiten grün durchgefärbt, um die Sonneneinstrahlung zu reduzieren und das besondere Erscheinungsbild des Gebäudes zusätzlich zu unterstreichen. Da in Oberstdorf auch mit einer erhöhten Schneelast gerechnet rechnet werden muss, entschieden sich die Planer dafür, alle Gläser in einer Stärke von 10 mm auszuführen.
Bauen unter Corona-Bedingungen
Die Bauarbeiten zu der Seilbahnstation begannen im April 2020. Für die gesamte Bauzeit war vorgesehen den Bahnbetrieb einzustellen. Die Planer hatten dabei allerdings nicht mit Corona gerechnet, aufgrund dessen die Bahn ohnehin nicht in Betrieb genommen werden konnte. Im März war sie fertiggestellt und durfte im April erstmalig genutzt werden – pünktlich zu dem Zeitpunkt, an dem die Inzidenzzahlen heruntergingen und die Pandemie-Schutzmaßnahmen gelockert wurden.