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Leserbrief

„Richtlinien gehören zum Stand der Technik“

Zum Artikel „Getrübte Aussicht“, aus der GLASWELT-Ausgabe 6/2009, Seite 20 und 21, schreibt uns Jochen Grönegräs, Hauptgeschäftsführer des Bundesverband Flachglas e.V. (BF):

In dem Artikel „Getrübte Aussicht“ wird die Bedeutung der „Richtlinie zur Beurteilung der visuellen Qualität von Glas für das Bauwesen“ als gering dargestellt und betont, dass die Beurteilung der Zumutbarkeit (von Mängeln, Anmerkung der Redaktion) Sache des Sachverständigen sei. Diese Bewertung nimmt der Sachverständige dann in wenigen Zeilen und ohne jede fachliche Begründung vor. Auch werden im Artikel einige Behauptungen (alle folgenden Textzitate sind fett gezeichnet) aufgestellt, unter anderem: „In der Regel erfolgt die Beurteilung der optischen Glasqualität in Anlehnung an die Richtlinie zur Beurteilung der visuellen Qualität“, herausgegeben vom Bundesinnungsverband des Glaserhandwerks (BIV).“

Dem ist zu widersprechen: Die Richtlinie wird gemeinsam erarbeitet und herausgegeben vom Bundesverband Flachglas (BF), Bundesverband der Jungglaser und Fensterbauer (bvj), dem BIV, dem Bundesverband Glasindustrie (BV Glas) und seit der aktuellen Neuausgabe auch vom Verband der Fenster- und Fassadenhersteller (VFF).

Weiter schreibt der Sachverständige: „Das Hauptaugenmerk richtet sich darauf, unvermeidbare oder nur mit sehr großem Aufwand vermeidbare ­Qualitätsmängel von hochwertigen Baugläsern bis zu einer bestimmten Größenordnung ­zuzulassen.“

Die Richtlinie ist selbstverständlich von Fachkreisen herausgegeben worden; das liegt in der ­Natur solcher fachlichen Richtlinien und kann nicht als Argument benutzt werden, um ihre Bedeutung ­herabzusetzen. Dass die Herausgeber vor allem daran interessiert seien, Qualitätsmängel zuzulassen, ist ebenfalls unzutreffend. Das ergibt sich schon daraus, dass mit den Verbänden von Industrie, ­Weiterverarbeitern und Handwerkern (Glasern) hier Vertreter verschiedener Marktstufen mitgearbeitet haben. Diese stehen also in einem Kunden-/Lieferanten-Verhältnis zueinander, in dem der Kunde selbstverständlich von seinem Lieferanten eine hohe Qualität verlangen wird, die er seinerseits beim Endabnehmer verkaufen kann. Die neue Auflage der Richtlinie zeichnet sich ­gerade dadurch aus, dass die Anforderungen an Dreifach-Isolierglas überproportional streng definiert und darüber hinaus die Anforderungen an VSG gegenüber der alten Version verschärft wurden.

„Hierbei handelt es sich um eine einseitige Anwendungsrichtlinie für Hersteller und Verarbeiter von Verglasungen, keineswegs aber für den Endabnehmer.“

Der Anwendungsbereich der Richtlinie ist nicht in dieser Weise eingeschränkt – die Fehler bleiben die gleichen, egal ob sie vom Verarbeiter oder vom Endabnehmer reklamiert werden. Es ist nicht ersichtlich, warum die eingeführten Beurteilungsmaßstäbe dann nicht gelten sollten.

„Es handelt sich also keinesfalls um eine Norm, die als allgemein anerkannte Regel der Technik gelten kann und noch viel weniger um eine baurechtlich eingeführte Richtlinie.“

Die allgemein anerkannten Regeln der Technik bestehen keineswegs nur aus Normen und baurechtlich eingeführten Dokumenten. Richtlinien, die in der Praxis derartig eingeführt sind, gehören nach unstrittiger allgemeiner (auch juristischer) Auffassung ebenfalls zum Stand der Technik.

Selbstverständlich steht es einem Sachverständigen frei, zu einer anderen Bewertung des Einzelfalls zu kommen, als es nach einer solchen Richtlinie der Fall wäre. Im konkreten vorliegenden Fall führt der Sachverständige ja auch korrekt aus, dass die Saugerabdrücke nach 4.1.6 der Richtlinie ohnehin von der Beurteilung ausgeschlossen sind. Auch Sachverständige sollten aber nicht nur nach ihrem Gutdünken entscheiden, sondern sich an den Stand der Technik halten. Und der wird eben durchaus auch durch solche Richtlinien definiert.

Für eine weitere Diskussion stehe ich natürlich sehr gerne zur Verfügung.

Jochen Grönegräs

Die neue Version der „Richtlinie zur Beurteilung der visuellen Qualität“ steht als PDF unter https://www.glaswelt.de/ zum kostenlosen Download zur Verfügung. Einfach im Suchfeld rechts oben den Webcode 702 eingeben – oder im Menüpunkt Services > Downloads stöbern. Einen weiteren Leserbrief von Dr. Frank Walter (Walter Fenster+Türen) haben wir auf unserer Homepage in der Rubrik „Leserbriefe“ veröffentlicht.

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