Glaswelt – Herr Dengg, bei Fenstern, Fassaden, Türen und Glas steigt das Angebot an Sicherheitsprodukten, gleichzeitig sinken aktuell die Einbruchszahlen. Wie geht das zusammen?
Sebastian Dengg – Erst einmal muss man sich diese Statistiken sehr genau ansehen und verstehen, um differenziert antworten zu können. So wird hier u. a. nicht zwischen Gelegenheits- oder erfahrenen Tätern unterschieden, ebenso wenig die Gebäudeart. Insgesamt ist festzustellen, dass viele Neuentwicklungen von Fenstern, Türen und Fassaden grundlegend eine höhere mechanische Sicherheit bieten. Und durch Nachrüstungen bestehender Fenster und Türen wurden Häuser sicherer gemacht. Eine Entwicklung, die zu begrüßen ist und die sicher die meisten Einbruchsversuche durch Gelegenheitstäter abhalten kann.
Allgemein gilt: Eine geprüfte mechanische Basissicherung ist maximal der Widerstandsklasse RC2 zuzuordnen. Damit ist prinzipiell ein Schutz vor Gelegenheitstätern gegeben, die ihre Tat nicht planen. Und die Masse der erfassten Einbruchsversuche ist Gelegenheitstätern zuzuordnen.
Glaswelt – Das heißt, ein einfaches System oder eine Aufrüstung ist ausreichend?
Dengg – Ja, sofern alle Maßnahmen grundsätzlich aufeinander abgestimmt und gemäß der projektspezifischen Anforderungen ausgeführt werden. Das gilt bei Nachrüstungen genauso wie bei der Montage neuer Baugruppen. Bereits einfache Maßnahmen wie die Beschlagsaufrüstung können ausreichend sein. Aber Vorsicht, nicht selten wird dabei zu viel versprochen. Im Zweifel sollte man immer den Rat eines Experten einholen.
Das gilt insbesondere, wenn es um Sicherheitsmaßnahmen geht, die auch vor Tätern schützen sollen, die den Einbruch planen. Hier ist es mit der einfachen Aufrüstung oder der Widerstandsklasse RC2 nicht mehr getan. In diesen Fällen geht es i. d. R um RC3 oder RC4. Die Norm spricht hier von Tätern, die zu einer Brechstange, Axt, Hammer oder Akkubohrer greifen. Der Einbruch wird oft von oft erfahrenen Tätern geplant. Die einbruchhemmenden Anforderungen an Fenster, Türen und Fassaden steigen dabei rasant an.
Glaswelt – Wo sehen Sie dann für die Branche gute Marktchancen?
Dengg – Durch das Bündeln von Kompetenzen: Die Erfahrung von fachkundigen Sicherheitsberatern, zusammen mit den Produktionsmöglichkeiten von Systemhäusern und Verarbeitern oder Montagebetrieben, können helfen, neue Kundenkreise zu erschließen. Der Endkunde profitiert dann von der professionellen Beratung und dem gemeinsam umgesetzten Sicherheitskonzept.
Zudem sollten wir immer im Kopf haben: Je sicherer wir leben, umso mehr steigt unser Sicherheitsbedürfnis. Und mit dem steigenden Sicherheitsbedürfnis wird auch die professionelle Beratung, kombiniert mit hochwertigen Systemen, immer gefragter. Für die Branche heißt das, Systeme mit mechanischer Einbruchhemmung sollten weiterentwickelt werden. Bestenfalls in RC3 oder RC4. Wir bei Dengg engineering entwickeln solche Systeme oft gemeinsam mit Systemhäusern und Verarbeitern weiter.
Generell steht die mechanische vor der elektronischen Absicherung. Das wird auch von den Beratungsstellen der Polizei empfohlen. Nur die mechanische Einbruchhemmung kann effektiv einen Einbruch verhindern. Die Elektronik kann im besten Fall den potenziellen Täter abschrecken. Verhindern wird sie den Einbruch aber nicht.
Glaswelt – Wie umfassend muss eine Sicherheitsausstattung sein?
Dengg – Der Umfang und die Art und Weise der Sicherheitsausstattung ist immer objektspezifisch zu betrachten. Der Definition der Sicherungsmaßnahmen gehen eine individuelle Gefahrenanalyse und eine Risikoanalyse voran. Es wird die Frage gestellt, welchen potenziellen Gefahren die zu schützenden Personen ausgesetzt sein können? Einbruchhemmung in Kombination mit Beschusshemmung ist keine Seltenheit. Auch müssen die Lage des Objekts und die möglichen Täterprofile analysiert werden. Die gesamte Entwicklung eines Sicherungskonzeptes mit anschließender Ausführung ist komplex und erfordert ein hohes Maß an Erfahrung. Wir bei Dengg engineering haben uns darauf spezialisiert, ein Höchstmaß an Sicherheit zu entwickeln, ohne dabei das Gebäude wie einen Schutzbunker wirken zu lassen. Das hat auch einen Effekt auf den Wohnkomfort. In der Regel möchten Bewohner beim Blick aus dem Fenster nicht daran erinnert werden, dass sie hohen Risiken ausgesetzt sind. Sinnvoll sind Systeme, die ein Prüfzeugnis von anerkannten Prüfinstituten vorweisen können und/oder von erfahrenen Unternehmen nachgerüstet bzw. weiterentwickelt wurden.
Glaswelt – Welche Rolle spielt das Preisargument, wenn es um Sicherheitsfragen geht?
Dengg – Es geht letztlich immer um Risikominimierung. Und je höher das Risiko, desto höher ist der Aufwand, um Personen bzw. Werte zu schützen. Der Endkunde muss entscheiden, ob er eine professionelle Einbruchhemmung möchte, und wenn ja, sollte sie auch entsprechend professionell umgesetzt werden.
Das Interview führte Matthias Rehberger.
Zur Person: Sebastian Dengg ist Sachverständiger für mechanischen Einbruchschutz (TÜV) und Inhaber von Dengg engineering security. Als Berater betreut er alle Projektphasen; zudem unterstützt er als Engineering Partner die Entwicklung von Produkten und Sonderlösungen.