Glaswelt – Herr Everling, wo sehen Sie die größte Veränderung durch die voranschreitende Digitalisierung für die Branche?
Marc Everling – Digitalisierung bringt insgesamt eine höhere Transparenz in alle Abläufe. Von der Kundenanfrage über die Auftragserfassung und anschließende Produktion bis hin zur Auslieferung sind alle Schritte, die ein Produkt durchläuft, nachvollziehbar und zwar in Echtzeit. Dabei sind alle Beteiligten, inklusive der Endkunden, heute kompetenter und besser informiert.
Glaswelt – Bitte erläutern Sie das näher?
Everling – Das beginnt beim Endkunden, der sich heute in der Regel vorab im Internet informiert, bevor er überhaupt eine Anfrage an einen Verkäufer, Handwerker oder Planer stellt. Diese schnelle Art der Informationsbeschaffung, oft über das Smartphone, gab es früher nicht. Wenn der Kunde dann seine Anfrage an den Handwerker schickt, ebenfalls über sein Smartphone, dann erwartet es auch zügig eine Antwort bzw. ein Angebot. Und damit sind wir bei der zweiten großen Veränderung: Es muss schnell gehen. Der Kunde will nicht lange auf eine Antwort warten, sonst fragt er den nächsten Anbieter. Diese Zeitbeschleunigung setzt die Handwerker unter Druck. Weiter ist es ohne großen Mehraufwand einfach, zeitgleich mehrere Angebote einzuholen. Das fordert die Handwerker mehr als früher.
Glaswelt – Was bedeutet das für die Berater?
Everling – Der Handel und das Handwerk müssen heute den Kunden anders beraten und informieren. Es braucht mehr als fundierte Argumente, da ja der Kunde ein Vorwissen mitbringt. Technische Argumente sind die Basis, erweitert werden sie um soziale Faktoren und der Kunde wünscht sich, dass die Arbeit mit Ihnen Spaß macht. Wir nennen das „fast, easy and funny“. Es beginnt bereits damit, dass die Leute vorab sehen wollen, was sie genau bekommen, am besten in 3D oder als digitale Simulation oder auch mittels digitaler Datenbrille im virtuellem Raum. Hier werden Unternehmen das Rennen machen, die solchen Kundenwünschen entgegenkommen. Digitale Tools müssen funktionieren, Ihnen die Arbeit erleichtern und wenn sie dann noch Spaß machen ist die Sache geritzt.
Glaswelt – Was ist noch wichtig?
Everling – Heute geht es in keinem Bereich mehr ohne Software, die uns unterstützt. Die Software macht uns heute überhaupt erst geschäftstüchtig und zwar in der Kundenansprache, ebenso wie in der Auftragserfassung und im Fertigungsprozess und bei der Auslieferung. Das gilt für den kleinen Handwerker ebenso, wie den mittelständischen Fensterbauer, internationale Fensterhersteller, Fassadenbauer oder Architekten. Sie sehen es hier auf der Digitalbau: BIM, Augmented Reality, Virtual Reality. Bei den großen Architekturbüros ist das alles bereits im Einsatz. Je komplexer das Projekt, desto wichtiger die Digitalisierung.
Glaswelt – Wenn es eine solche Vielfalt gibt, wie findet der Verarbeiter die passenden Tools?
Everling – Bevor sich jemand digitale Tools und Werkzeuge anschafft, sollte er genau überlegen, was er für seine Projekte benötigt. Hier sind wir wieder bei der Transparenz, man muss viel früher als bisher entscheiden, was am Ende einer Prozesskette herauskommen soll. Das beeinflusst den kompletten Fertigungsprozess, inklusive aller vernetzten/eingebundenen Zulieferer. Und genau deshalb ist das auch für Handwerker relevant. Wenn ich genau weiß, was ich brauche, kann ich ganz anders den Softwaremarkt angehen und Dinge von uns Herstellern fordern.
Glaswelt – Welche Tools setzen Sie ein?
Everling – Wichtig ist seit jeher unser Glas-Konfigurator sowie unser neuer BIM Glass Selector: Sie wählen die gewünschten Eigenschaften eines Glases und erhalten Produktvorschläge. Für das dann gewählte Produkt erhalten Sie mit einem Click die zugehörigen BIM-Daten in allen Formaten. Und last but not least haben wir einen Architectural Glass Visualizer, der zeigt, wie eingesetzte Produkte später in der Fassade ausschauen. Unsere digitale Tools finden Sie auf agc-yourglass.com. Die Speerspitze ist aber unser Service „Coating on Demand“. Hiermit ermöglichen wir Architekten die Entwicklung individueller Gläser, die exakt auf ihre Wünsche abgestimmt sind und unabhängig von der Standardproduktpalette produziert werden. Die technischen und optischen Eigenschaften werden gemeinsam individuell definiert. Eine Rendering-Software simuliert das beschichtete Glas in realistischen Einbausituationen farbecht. Der Kunde erhält die Möglichkeit, mit Lichttransmission, Reflektion und Glasfarbe zu experimentieren und zu spielen, um die perfekte Konfiguration für sein Projekt zu finden. Sind alle technischen und ästhetischen Eigenschaften definiert, werden direkt Mustergläser produziert. Coating on Demand benötigt gerade mal einen Tag, um ein neues Produkt zu definieren.
Das Interview führte Matthias Rehberger.
Tipp der Redaktion: Lesen Sie auch den C2C-Beitrag mit Marc Everling auf Seite 186.