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Im Interview mit Gregor Buchwald

„Die Agilität gewinnt an Bedeutung“

Glaswelt – Herr Buchwald, muss ein Unternehmen in diesen Krisenphasen seine Vertriebs-Strategie anpassen – ist jetzt alles anders?

Gregor Buchwald –  Marktveränderungen er­­fordern eine Anpassung der Strategie, gerade wenn sie so stark auftreten, wie in der Corona-Krise. Allerdings gibt es nicht die eine Lösung für die Krise, nicht jede Maßnahme eignet sich für alle Unternehmen gleich. Dennoch stehen die meisten Unternehmen ähnlichen Herausforderungen gegenüber: So werden Projekte pausiert und vermeintlich sicher geglaubte Aufträge abgesagt. Wir müssen immer im Hinterkopf haben, dass es sich in erster Linie um eine Nachfragekrise handelt. Das heißt, dass Preisabsatzmechanismen teilweise ausgesetzt sind. Statt zu versuchen an der Preisschraube zu drehen, empfehle ich daher die folgenden vier Vorgehensweisen:

Unternehmen sollten erstens ihre Angebote, Aufträge und Kunden neu priorisieren – weg von einer strategischen und hin zu einer taktischen Kundenperspektive. Aufträge und Cash zu erzielen sind die wichtigsten Ziele. Deshalb mein Rat: Priorisieren Sie. Ihre Lieblingskunden sollten die sein, die von der Krise nur wenig betroffen sind.

Zweitens sollten Unternehmen das kurzfristige Umsatzpotenzial ihrer Bestandskunden nutzen. Denn gerade jetzt ist der Aufwand, Neukunden zu gewinnen, im Vergleich deutlich teurer und langwieriger.

Drittens sollten Preiserhöhungen derzeit nur selektiv und unter dem Kundenradar stattfinden. Ich rate dringend davon ab, Preise per Gießkannenprinzip einfach über alle Produkte hinweg zu erhöhen. Preisanpassungen von Produkten mit Alleinstellungsmerkmal oder aus dem Randsortiment lassen sich hingegen selbst in wirtschaftlich schwierigen Zeiten erfolgreich durchsetzen.

Viertens bietet das Thema Rabatt- und Konditionensystem nicht nur in der Krise zahlreiche Ansatzpunkte zur Ertragsoptimierung. Entscheidend ist dabei, ob die einzelnen Konditionen auf dem Prinzip „Leistung gegen Gegenleistung“ beruhen. Wir empfehlen ein differenziertes Vorgehen: Alle Leistungen, die nicht auf einem direkten Gegenwert durch den Kunden beruhen, gilt es auf den Prüfstand zu stellen. Nur zu oft sehen wir, dass Rabatt- und Konditionensysteme historisch gewachsen sind und keiner Gegenleistung gegenüberstehen. Prominente Beispiele sind Marketingboni oder Treuerabatte, die nicht inhaltlich ausgestaltet sind.

Glaswelt – Sowohl in der Sanierung aber sogar im Neubau funktionieren die Märkte, als würde es keine Pandemie-Krise geben. Die Nachfrage ist vorhanden. Auf der anderen Seite hat sich der Wert der Leistung durch Preissteigerungen oder Wechsel der Vorlieferanten und den Hygiene­maßnahmen noch einmal deutlich erhöht. Wie sollte ein Unternehmen damit umgehen?

Buchwald – Wenn die Kosten durch Zusatzmaßnahmen steigen, gilt es diese differenziert weiterzugeben. Wie bei jeder Preiserhöhung ist es auch hier elementar, differenziert und nicht mit der Gießkanne vorzugehen. Um den Vertrieb dabei zu unterstützen, die Kunden differenziert zu behandeln, sollten ergänzende Kriterien hinzugezogen werden: Kundenloyalität, finanzielle Stärke, Preissensibilität und Verhandlungsstärke des Einkaufs. Entscheidend dabei ist es, dass Sie flexibel auf die Situation des Kunden eingehen. Wenn der Kunde ein Thema mit der Liquidität hat, dann bieten Sie ihm ein verlängertes Zahlungsziel an. Fordert ein wichtiger Kunde einen zusätzlichen Rabatt, dann verbinden Sie seine Forderung mit einer „Mehrmenge“, die er Ihnen verbindlich zusagt. Entscheidend ist auch hier das Prinzip „Leistung gegen Gegenleistung“. Die Grenzen, wie weit ein Vertriebsmitarbeiter hier vorgehen darf, müssen vorher klar definiert werden.

Wichtig hierbei ist auch eine im Vertrieb abgestimmte und schlüssige, nachvollziehbare Kommunikation. Entscheiden Sie einzelne Kostenpositionen nicht weiterzugeben, sollten Sie dies auch an den Kunden kommunizieren. Immer nach dem Motto: Tue Gutes und sprich darüber.

Glaswelt – Die Märkte müssen aus pandemischen Gründen auf ihre Marktplätze wie „Messen“ und andere Präsenzveranstaltungen verzichten. Was empfehlen Sie Unternehmen mit B2B- oder B2C-Ansatz, wie man jetzt auf Alleinstellungsmerkmale und Neuheiten aufmerksam machen sollte?

Buchwald – Über alle Branchen hinweg wird die Customer Journey zunehmend digital gestaltet. Entscheidend wird demnach sein, dass Unternehmen jetzt damit anfangen, neben den traditionellen, nun auch die neuen, digitalen Touchpoints der Kunden zu besetzen. Das sind unter anderem Online-Marktplätze, Online-Shops über Apps, Online-Werbeanzeigen, E-Mail-Newsletter und vieles mehr.

Glaswelt – Welche Unternehmen werden mit welcher Strategie gestärkt aus der Krise kommen?

Buchwald – Theoretisch kann jedes Unternehmen, das die neuen (digitalen) Möglichkeiten für sich nutzt und sich strategisch durchdacht aufstellt, gestärkt aus der Krise kommen. Durch die neuen digitalisierten Wege ist es nun an der Zeit, gerade an der digitalen Kundenschnittstelle anzusetzen und die gesamte Wertschöpfungskette von Unternehmen strategisch anzupassen. Gleichzeitig erlangt die Agilität für Unternehmen zunehmend an Bedeutung. Wie die vergangenen Monate gezeigt haben, ist wohl gerade diese Anpassungsgabe von entscheidendem Vorteil.

Die Fragen stellte Chefredakteur Daniel Mund.

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