Glaswelt – Herr Helbing, wo stehen die Fensterverbände heute und welche Aktivitäten sind geplant, um die Branche weiter voranzubringen?
Bernhard Helbing – Das Wichtigste für einen Branchenverband ist, dass er anerkannt wird. Das sind wir durch unsere Mitglieder, die hierzulande rund zwei Drittel des Marktes vertreten sowie durch unsere Mitarbeiter und Verbandsmitglieder, die aktiv in nationalen und europäischen Gremien mitarbeiten. Das hat uns Ansehen und Anerkennung eingebracht. Und es erfüllt uns mit Stolz, wenn Vertreter der Bundesministerien ausdrücklich von einer guten und fachlich fundierten Zusammenarbeit mit uns sprechen.
Wir pflegen mit nahestehenden Verbänden eine sach- und fachliche Kooperation. Wenn wir alle eine gemeinsame Sprache finden und auf das Detail bezogen gemeinsamen Zielen folgen, bleiben die Erfolge nicht aus. Als Beispiel stehen dafür die Verhinderung einer Reduzierung der transparenten Fensterflächen im Gebäude durch die EnEV 2013, die Festlegung vertretbarer energetischer Vorgaben für besondere Öffnungskonstruktionen und die Aufstockung der Fördergelder für die energetische Sanierung über die KfW.
Weiter werden wir immer wieder auf die Bedeutung der Energiewende und den wichtigen Beitrag unserer Fensterprodukte – bezogen auf die Reduzierung des Energieverbrauches und der Nutzung der solaren Zugewinne – hinweisen. Die Modernisierung des Baubestands in Deutschland sowie der Neubau stehen weiterhin im Zentrum unserer Lobbyarbeit. Wir setzen dabei gleichermaßen auf politische Anreize sowie auf die hervorragenden Qualitäten und neuen Leistungsmerkmale unserer Branchenprodukte. Darüber hinaus legen wir den Daumen auf die Erarbeitung des von der Bundesregierung angekündigten langfristigen Sanierungsfahrplanes bis zum Jahr 2050. Denn die Wohneigentümer brauchen eine verlässliche Orientierung für ihre Investitionen.
Glaswelt – Die Wiedervereinigung vor fast 25 Jahren hat den deutschen Fenstermarkt stark geprägt und für Firmen aus dem Osten neue Chancen eröffnet. Welche Hilfestellung gaben der VFF und die Gütegemeinschaft Fenster & Haustüren?
Helbing – Unser Betrieb, dem ich als Geschäftsführer vorstehe, trägt seit 20 Jahren das RAL-Gütezeichen. Wenn man weiß, dass man erst etwas „unter Beweis stellen muss“ bevor man sich mit dem RAL-Gütezeichen präsentieren darf sieht man, dass wir gleich nach unserer Gründung 1990 den Weg zur Gütegemeinschaft gesucht und gefunden haben. Die freiwillig gewollte Gütesicherung war es, die uns und viele Kollegen aus dem Osten Anfang der 90er Jahre als „Frischlinge“ auf die Spur der durchgängigen Qualitätssicherung geführt hat.
Wertvoll waren und sind für uns die VFF-Merkblätter. So konnten wir uns mit den Normen vertraut machen. Als Beispiel nenne ich aus aktuellem Anlass den Leitfaden zur Montage sowie die Hilfestellung für die praktische Umsetzung der ab dem 01. Juli 2013 gültigen und anzuwendenden Bauproduktenverordnung.
GLASWELT – Was wird die Branche in 25 Jahren beschäftigen, welche Entwicklungen sehen Sie?
Helbing – Automation in der Fertigung, Mehrfachfunktionen der Fensterprodukte und eine alternde Gesellschaft, das sind Schwerpunkte, die die Fensterbranche auch in 25 Jahren beschäftigen. Vergleiche ich heute die Automatisation in der Fertigung mit der von vor 10 Jahren – da hat sich vieles vereinfacht. Das wird sich fortsetzen.
Automatische Zugangskontrolle, Lüften ob mit oder ohne motorische Fenster, Sicht- und Sonnenschutz – etwa mittels schaltbarer Gläser, das ist nur eine kleine Auswahl an Möglichkeiten, die den Nutzern künftig mehr Komfort, Sicherheit und Energieeinsparung bieten werden. In Bezug auf die zunehmende Gebäudeautomatisation wird der Nutzer künftig noch stärker im Fokus stehen: Individuell zugeschnittene Produktlösungen werden hier der Weg sein.
Der Verbraucher muss den Nutzen erkennen und er wird Informationen noch schneller und detaillierter über alle Medien suchen und erhalten. Schlussendlich geht es um den gesamten Prozess vom Angebot bis zur Abnahme. Jedoch haben die einzelnen Zielgruppen im Hinblick auf Alter, Nutzungsverhalten und Akzeptanz auch unterschiedliche Anforderungen. Darauf müssen wir uns als gesamte Branche, d.h. als Hersteller, Verarbeiter und Monteure einstellen.
Weiter wünsche ich mir Produkte (so auch Gläser), die unsere Arbeit erleichtern und unseren Monteuren ein Lächeln ins Gesicht zaubern!
Wir haben als Branche, als Verband und als Betriebe auch noch in 25 Jahren eine wunderbare Aufgabe zu erfüllen: Wir bringen Licht und Sonne, eben ein gutes Lebensgefühl und somit die wirklich blühenden Landschaften in die Wohnungen. Wie traurig wäre die Welt, ohne den freien Blick durch ein Fenster!
Die Fragen stellte Matthias Rehberger, Chefredakteur der GLASWELT.