Bauen ist ein dynamischer Prozess: Nachdem die Planung abgeschlossen ist und es ans Bauen geht, ist es alltägliche Praxis, dass Details angepasst werden müssen. Gründe dafür sind:
- Technische Probleme tauchen auf, die Änderungen erfordern,
- Lieferfristen ändern sich,
- der Bauherr hat noch Änderungswünsche,
- der beteiligte Handwerker meldet Bedenken hinsichtlich der technischen Machbarkeit an,
- Vergütungsvereinbarungen werden noch einmal modifiziert,
- rechtliche Probleme tauchen auf, etc.
Solche Punkte müssen oft direkt auf der Baustelle erörtert und nötige Änderungen entschieden werden. Und dies führt häufig zu Abänderungen des ursprünglichen Bauvertrags.
Es ist gängige Praxis, dass über solche Baustellenbesprechungen Protokolle angefertigt werden und an die beteiligten Parteien verschickt werden. Dennoch besteht im Nachhinein oft Uneinigkeit über die Qualität des Inhalts eines solchen Protokolls und darüber, ob die an der Verhandlung Beteiligten hierzu wirksam bevollmächtigt waren.
Der Bundesgerichtshof( BGH) hat die Grundsätze für das kaufmännische Bestätigungsschreiben auf solche Baustellenverhandlungsprotokolle entsprechend angewendet (Urteil vom 27.01.2011 – VII ZR 186/09). In diesem Urteil hat der BGH klargestellt, dass derjenige, der einem ihm zugegangenen Baustellenprotokoll, in dem die vor Ort besprochenen Änderungen niedergelegt sind, nicht unverzüglich widerspricht, den Protokollinhalt gegen sich gelten lassen muss. Dies gilt selbst dann, wenn ein vollmachtloser Vertreter (z.B. der Geselle) an der Baubesprechung teilgenommen und das Protokoll unterschrieben hat.
Das kaufmännische Bestätigungsschreiben hält nach mündlichen Verhandlungen, die – tatsächlich oder aus Sicht des Bestätigenden – bereits zu einem Vertragsschluss geführt haben, den Inhalt des zustande gekommenden Vertrages fest.
Im Unterschied zur Auftragsbestätigung, die ihrem Inhalt nach einen Vertrag erst zustande bringt, legt das kaufmännische Bestätigungsschreiben das Ergebnis früherer abgeschlossener Vertragsverhandlung verbindlich fest oder ändert einzelne Vertragspunkte in verbindlicher Weise ab.
Die Grundsätze über das kaufmännische Bestätigungsschreiben sind als Handelsbrauch im Verkehr unter Kaufleuten entstanden und gelten insofern in erster Linie im Geschäftsverkehr unter Kaufleuten. Sie sind heute aber nicht mehr nur darauf beschränkt. Sie gelten für alle, die im größeren Umfang selbstständig beruflich am Markt tätig sind, sofern dies nicht dem Privatbereich zuzuordnen ist.
Maßgeblich ist, ob die Beteiligten in kaufmännischer Weise am Geschäftsverkehr teilnehmen und sowohl damit rechnen müssen als auch darauf vertrauen dürfen, dass sich der andere Teil jeweils in kaufmännischer Weise verhält. So kann auch der Architekt (der nicht Kaufmann im handelsrechtlichen Sinne ist) Empfänger und Absender eines kaufmännischen Bestätigungsschreiben sein, weil er regelmäßig wie ein Kaufmann am Rechtsverkehr teilnimmt.
Es ist gleichgültig, ob der Absender des Bestätigungsschreibens Privat- oder Kaufmann ist. Auch der private Bauherr kann ein Bestätigungsschreiben versenden. Als Empfänger eines solchen Schreibens kommt er jedoch nicht in Betracht: Das hat die Konsequenz, dass der private Bauherr einem solchen Schreiben nicht widersprechen muss.
Die Grundsätze über das kaufmännische Bestätigungsschreiben gelten weiter für Behörden und Gemeinden im fiskalischen Tätigkeitsbereich.
Wann erfolgt die Zustimmung zum Protokoll?
Schweigt der Empfänger eines kaufmännischem Bestätigungsschreibens, also auch zu einem Baustellenprotokoll, gilt dies als Zustimmung zu dessen Inhalt. Durch das Schweigen kommt die Vereinbarung mit dem protokollierten Inhalt zustande. Der in diesem Fall bereits geschlossene (Bau-)Vertrag wird nach dem Inhalt des Verhandlungsprotokolls abgeändert bzw. ergänzt. Daraus folgt: Will der Empfänger den Inhalt des Bestätigungsschreibens nicht gegen sich gelten lassen (das gilt für Handwerker oder Planer), muss er diesem unverzüglich widersprechen. Tut er dies nicht, wird der Vertrag/die Vertragsänderung mit dem aus dem Bestätigungsschreiben (also dem Baustellenprotokoll) ersichtlichen Inhalt rechtsverbindlich. Insofern trägt das Bestätigungsschreiben die Vermutung der Vollständigkeit in sich.
Das Schweigen gilt jedoch dann nicht als Zustimmung, wenn der Absender das Verhandlungsergebnis bewusst unrichtig wiedergegeben hat oder das Bestätigungsschreiben inhaltlich so weit von dem Verhandlungsergebnis abweicht, dass der Absender vernünftigerweise nicht mit dem Einverständnis des Empfängers rechnen konnte.
Will der Bauhandwerker späteren Streitigkeiten vorbeugen, sollte er Änderungsbesprechungen auf der Baustelle deutlich und umfassend protokollieren. Das sorgt im Streitfall für Klarheit. Ein gut formuliertes Baustellenverhandlungsprotokoll vermeidet Streitigkeiten.
Zum notwendigen Inhalt des Verhandlungsprotokolls gehört deshalb, wann und wo die Baubesprechung stattgefunden hat und wer daran beteiligt war. Jeder einzelne besprochene Punkt ist umfassend und klar zu dokumentieren. Auch von einzelnen Beteiligten geäußerte Bedenken sollten in das Protokoll aufgenommen werden. Wichtig: Das Protokoll sollte von allen Beteiligten unterschrieben werden.
Das Baustellenverhandlungsprotokoll sollte unmittelbar nach der Baubesprechung an alle Vertragspartner versandt werden, auch dann, wenn sie an der konkreten Besprechung nicht persönlich teilgenommen haben (also z.B. lediglich vertreten waren). Dies ist wichtig, wenn das Protokoll nicht auf der Baustelle verfasst wurde, sondern später aus der Erinnerung geschrieben wurde und deshalb nicht von allen Beteiligten unterschrieben wurde. Nach Erhalt eines Baustellenverhandlungsprotokolls ist dessen Inhalt unverzüglich zu überprüfen und diesem ggf. zu widersprechen (Faustregel: Frist 3 Tage). Ausnahmen gelten nur, wenn der Empfänger ein Verbraucher ist.
Vorsicht mit Bestätigungsaufforderungen
Schweigen gilt dann nicht als Zustimmung, wenn das Schreiben die ausdrückliche Aufforderung enthält, den Inhalt zu bestätigen. Wenn der Handwerker ein Baustellenprotokoll (als kaufmännisches Bestätigungsschreiben) verfasst, sollte er also auf solche Formulierungen verzichten.
Der Handwerker muss den Zugang (die Zusendung) des Widerspruchs im Streitfall bewiesen können. Das OLG Brandenburg entschied, dass ein „OK-Vermerk“ kein Beweis für den Zugang eines Telefax-Schreibens liefert (Urteil vom 24.06.2009 – AZ 4 U 137/08). Auch wenn ein solcher Vermerk ein starkes Indiz für den Zugang ist, ist gerade in sehr wichtigen Fällen zu empfehlen, den Widerspruch auch mit Einschreiben/Rückschein zu versenden. —
Das gehört ins Baustellenprotokoll
- Wann und wo die Baubesprechung stattgefunden hat,
- die Nennung aller Beteiligten,
- jedes Besprechungsdetail ist umfassend und klar zu dokumentieren,
- auch geäußerte Bedenken benennen,
- die Unterschrift aller Beteiligten.
Ein gut formuliertes Baustellenverhandlungsprotokoll sorgt für Klarheit und hilft Streitigkeiten zu vermeiden.
Der Autor
Dr. Stephan Kleinjohann ist Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht in Göttingen.