_ Wintergarten, was zählt dazu? Immer wieder taucht bei Anbauten mit viel Glas, die bei den Bewohnern nicht die Vorstellungen hinsichtlich der Nutzung erfüllen, in der Rechtsprechung die Frage auf, was ist denn ein Wintergarten. Der Wintergarten Fachverband mit Sitz in Rosenheim hat den Wintergarten wie folgt definiert:
„Ein Wintergarten ist ein geschlossener Aufenthaltsraum, der überwiegend verglast ist.“
Ein Wintergarten kann entweder direkt oder im Raumverbund beheizt werden oder unbeheizt sein.
Was will der Bauherr?
Somit ist es grundsätzlich einmal möglich, den Wintergarten das ganze Jahr über zu nutzen. Wie gemütlich, ist allerdings die Sichtweise der Bewohner. In meiner über 30-jährigen Tätigkeit im transparenten Bauen habe ich erfahren, dass in den ersten Überlegungen der Interessenten immer die Nutzung über das ganze Jahr steht. Besonders dann, wenn es draußen kalt, regnerisch, garstig und ungemütlich ist. Dann möchte man geschützt und heimelig drinnen sein, aber doch der Natur ganz nah.
Nicht selten wird durch eine nicht ganz fachkompetente Beratung der Eindruck vermittelt, dass dies mit einem Sommergarten, einer verglasten Veranda oder Loggia auch funktioniert. Mit gewissen Hilfsmitteln ist dies sicher punktuell möglich – aber gemütlich ist anders.
Der Begriff Wohnwintergarten wird z.T. in Fachkreisen genutzt, der Bauinteressent kennt ihn in der Regel nicht. Oft haben die potenziellen Kunden keine genauen Vorstellungen, wie ihr Wintergarten aussehen soll und wie sie ihn letztendlich auch genau nutzen möchten.
Nicht selten ist er auf der bisherigen Terrasse, vor dem Wohnzimmer oder der Küche geplant. Die Einbeziehung des Traums aus Glas in die angrenzenden Wohnräume soll in den Vorstellungen der Bewohner meist nur über die Terrassentür erfolgen, die erhalten bleiben soll.
Hier gilt es zu sagen, dass es nicht nur unter Fachleuten zwei Lager gibt. Die einen sagen: „Geht gar nicht, unmöglich, eine Energieschleuder!“ Die anderen vertreten die Meinung, dass das der Wohntraum ist, mit dem der Bewohner seinen Lebensraum großzügig und elegant gestaltet und Licht und Natur ins Haus holen kann bei gleichzeitiger Nutzung der Sonnenenergie.
„Moonshine cooking“ unter Glas
Ich habe 1983 als einer der Wintergartenpioniere einen Wintergarten großzügig zum angrenzenden Wohnzimmer geöffnet, wohlgemerkt mit einer Verglasung mit einem damaligen k-Wert von ca. 2,9 W/(m²K). Kein Wagnis, sondern Überzeugung, da zum einen perfekt gebaut mit überlegter Heizung, Be- und Entlüftung und Beschattung und zum anderen mit den Bewohnern das Nutzerverhalten gut abgestimmt. In einer Veröffentlichung habe ich 1984 geschrieben, dass die Energiebilanz eines Wintergartens ausgeglichen ist, wenn gewisse Punkte eingehalten werden. Damals noch als absurd abgekanzelt, werden diese Wohnträume heute vom zweiten Lager erfolgreich verwirklicht. Der Esstisch rückt nach draußen und vom Frühstück bis zum Abendessen ist der Schauplatz des Lebens unter Glas. Kinder holen ihre Spielsachen ins Wintergarten-Wohnzimmer und drücken ihre Nasen an den Scheiben platt, wenn Schneeflocken vom Himmel tanzen. Der gemütliche Sessel findet seinen Platz draußen und dient zum Relaxen und Tagträumen. Ja sogar der Küchenblock rutscht ins „Freie“ und Moonshine cooking wird fast zelebriert.
Ich habe all die Jahre niemanden mehr getroffen, der die neu gewonnene Freiheit wieder aufgeben möchte. Selbst diejenigen, die am Anfang die Öffnung vom Wohnraum hinaus nicht wollten, hängen ein Jahr später die Türflügel aus und verstauen sie in Keller oder Garage, um dann doch ein bisschen den Wintergarten ins Haus oder das Wohnzimmer in den Wintergarten zu holen. Die Flügel des angrenzenden Drehkipp-Fensters folgen spätestens im Folgejahr.
Wintergartenbau = knifflige Raumplanung
Mit diesen Maßnahmen muss der Bewohner allerdings mit einer oft nicht optimalen Raumaufteilung leben. Stellmöglichkeiten sind eingeschränkt und so genannte Verkehrswege von drinnen durch den Wintergarten ins Freie sind trotz der nun geschaffenen Einheit nicht immer unkompliziert. Wohl dem, der gut beraten ist und einen kompetenten Wintergartenbauer hat, der nicht nur den Wintergarten ans Haus lehnt, sondern auch gekonnt die Raumplanung mit übernimmt. Doch auch die beste und engagierteste Beratung trägt nicht immer Früchte.
Ein Beispiel aus der Praxis: Mit dem Bau eines großen Wintergartens auf eine weiträumige Terrasse vor dem Wohnzimmer hatten die Bauherren nach ihrer Überzeugung das optimale getan, um vom Wintergarten aus ihren weitläufigen, idyllischen Garten das ganze Jahr über genießen zu können. Meine Überzeugungskraft war trotz leidenschaftlicher Bemühungen offensichtlich nicht so groß, die Kunden zu überzeugen, die zweiflügelige Drehtür des Wohnzimmers zum Wintergarten wegzunehmen und die Wand großzügig zu öffnen.
Als nun der Wintergarten fertig, der Boden verlegt und auch der große Esstisch mit Stühlen aufgestellt war, saßen die Eheleute am Abend auf der Couch ihres geschmackvoll gestalteten Wohnzimmers und blickten wehmütig durch die 1,80 m breite Türe in den Wintergarten und weiter in den Garten. Die elegante und gemütliche Couchgarnitur sollte nie in den Wintergarten, denn fernsehen wollte man am Abend schon noch hier. Aber immer abgeschnitten vom Glastraum hinter der Terrassentür? Die Flügel aushängen war auch nicht die Lösung. Nun kam die schüchterne Frage, kann man jetzt auch noch weit öffnen? Geht nicht gibt’s nicht, heißt ein Spruch. Dem Schmutz, der durch das Herausbrechen der Wand entsteht, kann man Herr werden. Wie aber den großen Stahlträger ins Haus bringen, der die Decke der gewünschten, großen Öffnung abfängt? Es gab keine Möglichkeit mehr, das fast 800 kg schwere Stahlteil mit einem Kran ins Haus zu bringen. Mit dem guten Netzwerk in der Dorfgemeinschaft waren Feuerwehr- und Vereinsmitglieder zur Stelle, das Monster durch den Wintergarten einzufädeln und auf die 2,60 m hohen Auflager zu hieven. Mit einem Fass Bier, Leberkäse aus der Pfanne und frischen Brezen war die Angelegenheit nicht nur perfekt erledigt, sondern es wurde auch gleich Einweihung und Richtfest in einem gefeiert.
Nun wandert das Wohnzimmer in den Wintergarten und dann in den Garten und umgekehrt, je nach Laune und Sichtweise der Bewohner mit der klaren Aussage, was hätten wir verpasst, wenn wir den Schritt nicht getan hätten.
Für die kalte Jahreszeit ist es allerdings unabdingbar, geeignete Heizmöglichkeiten zu planen und einzubauen. Die Fußbodenheizung alleine sollte nie die einzige Energiequelle im Wintergarten sein, da zu träge. Kommt schon im Januar die Sonne um die Ecke, erwärmt sich der Wintergarten sehr schnell. Hat die Sonne im März noch mehr Kraft, muss überschüssige und teure Energie vielleicht durch Fenster und Türen wieder ins Freie abgeführt werden.
Um den Wintergarten jedoch auch bei eisigen Minustemperaturen, so wie an einigen Januarwochen diesen Jahres, ganz entspannt und vielleicht sogar barfuß genießen zu können, ist eine Fußbodenheizung nur zur Temperierung des Bodens ein echtes Zuckerl. Die Hauptheizquellen sollten Bodenkonvektoren, Wandflächenheizkörper, Wandheizungen, Schwedenöfen oder Kachelöfen sein, die auch in angrenzenden, zum Wintergarten geöffneten Wohnräumen stehen können.
Mau-Mau spielen oder Sterne studieren
Einrichtung und Mobilar sind immer eines jeden Nutzers Himmelreich. Meist wird versucht, den Boden des angrenzenden Wohnraums nahtlos in den Wintergarten zu führen, um so auch die Verbindung nahtlos zu machen.
Der große Esstisch mit ausreichender Bestuhlung ist der Klassiker in der Wintergarteneinrichtung, weil damit das meiste Leben zwischen „Wohnen im Grünen“ unter Glas und den angrenzenden Räumen stattfindet.
Ein gemütlicher Lehnstuhl oder Sessel unter Pflanzen als Ruhepol und Ort zum lesen und entspannen mit einer schönen Stehlampe und einem kleinen Kaffeehaus-Tischchen in der Wintergartenmitte hat auch viele Liebhaber. Vom Lehnstuhl aus einmal das lodernde Feuer im Schwedenofen im Blick zu haben, aber auch den freien Blick nach oben in den Sternenhimmel genießen zu können, ist für Genießer Luxus pur.
Die gute alte deutsche Eckbank ist noch immer vielen lieb und bekommt auch ihren Platz im Wintergarten. Aber auch hier gilt, die Einrichtung des eigenen Heims überlässt nicht jeder dem Einrichtungsberater oder auch dem erfahrenen Wintergartenbauer, sondern alleine seinem Geschmack. So kommt es auch nicht selten vor, dass die Eckcouch vom Wohnzimmer hinaus in den Wintergarten rückt und von draußen in den Fernseher geguckt wird, der noch im Wohnzimmer verblieben ist. Die Frage nach dem Sinn oder der Eleganz stellt sich hier oft nicht – hier wird gemacht, was gefällt.
Allgemein kann gesagt werden, dass der Wintergarten mit angrenzendem Wohnraum oft nicht zwingend das Designerduo aus Schöner Wohnen wird, obgleich in letzter Zeit der Trend zu „weniger ist mehr“ nicht zu übersehen ist. Überladene Wintergärten mit allem, was man gerade im Gartenmarkt oder Einrichtungshaus angeboten bekommt, werden weniger. Viel Freiraum gibt wiederum Raum, selbst genügend Platz zu finden und den Blick hinaus in den Garten nicht verbaut zu haben.
Und auch das Kochen hat – seitdem es die vielen Kochshows gibt – auch vorm Wintergarten nicht mehr Halt gemacht. Der Küchenblock ist oft ganz nah an der großen Wandöffnung zum Wintergarten, um auch am Herd alles im Blick zu haben. Sind es vielleicht tagsüber die Kinder im Garten so ist es am Abend mit Gästen das Mittendrin, was die Geselligkeit und vielleicht auch das gemeinsame Schnippeln und Würzen fördert.
Da Wohnraum und angrenzender Wintergarten nur in wenigen Fällen von der Innenarchitektin gestaltet werden, wächst die Einrichtung und Raumaufteilung oft erst mit der Nutzung und wird hin und wieder einige Male verändert, bis alles so ist, wie es sich die Bewohner wünschen.
Aber eins ist allen gemein, verzichten auf das Wohnen drinnen und doch draußen möchte man niemals mehr.—
Der Autor
Franz Wurm, Ing.- und Sachverständigenbüro für das Bauen mit Glas und 1. Vorsitzender Wintergarten Fachverband