Glaswelt – Herr Dr. Mrosik, wie laufen die Geschäfte?
Dr. Peter Mrosik – Wir blicken auf ein über die Maßen erfolgreiches erstes Quartal zurück. Das zweite Quartal hat sich etwas abgeschwächt, aber auch dort haben wir Wachstum erzielt. In den letzten beiden Monaten haben sich von außen einwirkende negative Einflüsse verstärkt niedergeschlagen. Ich spreche hier die Russland-Krise an. Das Nachfrageverhalten der russischen und ukrainischen Kunden ist sehr zurückhaltend. Ich gehe davon aus, dass sich das hier auch in den nächsten Monaten nicht ändern wird. Insgesamt betrachtet ist das schon ein etwas kurioser Jahresverlauf und ich bin gespannt auf das dritte Quartal.
Glaswelt – Welchen Anteil haben Russland und die Ukraine am Gesamtumsatz der Gruppe?
Dr. Mrosik – Rund 20 Prozent.
Glaswelt – International betrachtet, haben Sie eine eigene Konjunktur schaffen können – abgekoppelt von den Gegebenheiten des Marktes?
Dr. Mrosik – Wir müssen immer sehen: Wo war der Aufsatzpunkt der profine. Wir haben in den letzten zweieinhalb Jahren hart gearbeitet, viel investiert in neue Produktfamilien. Da haben wir eine große Resonanz erfahren. Ich denke, wir haben eine ähnliche Entwicklung wie unsere Wettbewerber, aber etwas nach oben verschoben, weil wir eben auch Boden gut machen mussten.
Glaswelt – Wie verläuft die Umstellung bei den Verarbeitern auf das 76er System?
Dr. Mrosik – Wir hatten 100 Umstellungen in diesem Jahr in Deutschland geplant – dieser Anteil wird um 50 Prozent überschritten werden, weil die Nachfrage so groß ist. Im nächsten Jahr werden es sicher genauso viele sein. Ich hätte nicht erwartet, dass die Resonanz so groß ist – auch auf der Seite potenzieller Neukunden. Wir haben ein System im Angebot, das in seiner Bautiefe gerade für den Sanierungbereich interessanter ist als manche bautiefere Systeme, da es physikalisch-technische Werte erzielt, die mit den tieferen Systemen vergleichbar sind. Das schlägt sich natürlich auch im Preis-Leistungs-Verhältnis nieder. Diese Argumente verstehen viele. So haben wir eine regelrechte Umstellungswelle, was uns – und auch unsere Partner wie Klaes und andere – vor eine gewaltige Aufgabe stellt. Insofern können wir alle Anfragen auch manchmal nicht sofort erledigen und es entsteht an der ein oder anderen Stelle ein Flaschenhals.
Glaswelt – Firmensitz der profine ist in Troisdorf – wie oft sind Sie in Pirmasens und in Berlin?
Dr. Mrosik – Ich bin zweimal im Monat in Pirmasens und in Berlin und auch in Troisdorf. Aber im Prinzip bin ich ständig reisend und besuche unsere Unternehmenstöchter, unsere Kunden und arbeite unterwegs. Ich habe es nur noch nicht geschafft, zeitgleich an zwei Orten zu sein – aber das kommt noch (lacht).
Glaswelt – Wenn die einzelnen Marken mittlerweile auch das gleiche Grundprofil vertreiben – worin besteht der Unterschied bei den Marken, was sind die Alleinstellungsmerkmale von Kömmerling, KBE und Trocal?
Dr. Mrosik – Wir sind auf die Plattformstrategie gegangen, um die Effizienz im Hause zu erhöhen. Aber es gibt immer noch in verschiedenen Dimensionen Alleinstellungsmerkmale: KBE, Kömmerling und Trocal verfügen über unterschiedliche Marketinginstrumente, die den Kunden zur Verfügung gestellt werden können. Kömmerling beispielsweise macht eine recht intensive Endkundenwerbung – und das wird noch verstärkt werden. Dazu liefern wir Alleinstellungsmerkmale, unter anderem über ganz spezielle Serviceangebote.
Glaswelt – Wer ist in Deutschland Ihr größter Abnehmer?
Dr. Mrosik – Ich will jetzt keinem Unrecht tun, deshalb nenne ich hier einige große in alphabetischer Reihenfolge: Aldra, EGE, Hilzinger, Höhbauer, Kochs, Kneer. Aber ich könnte Ihnen 500 Kunden nennen – wir unterscheiden nicht in groß oder klein.
Glaswelt – Und international?
Dr. Mrosik – Da haben wir einige große russische Kunden, wie die Firma Olymp oder Parität. Und jüngst haben wir einen Vertrag mit dem neuseeländisch-australischen Produzenten APL abgeschlossen, mit dem wir zweistellige Millionenumsätze einfahren werden.
Glaswelt – Gibt es auch große profine-Verarbeiter in Polen?
Dr. Mrosik – Wir sind dort auch aktiv, allerdings sehr vorsichtig was unsere Preisstellung angeht und den Schutz der Marke. Was wir hier nicht mitmachen, ist die Preistreiberei. Denn das attackiert gleichzeitig unsere deutschen Verarbeiter.
Glaswelt – Wann wird die neue Oberfläche proCoverTec durchgängig verfügbar sein?
Dr. Mrosik – Wir haben sie schon im Einsatz – in holländischen und schweizerischen Systemen. Da verzeichnen wir sehr große Erfolge und ersetzen unsere PMMA-Coextrusion. Im nächsten Schritt werden wir diese Oberfläche in der 76er Baureihe einführen, was sich dann auf den deutschen Markt auswirkt. Das wird Anfang des ersten Quartals 2015 sein.
Glaswelt – Wie sieht es generell mit der Farbe am Fenster aus. Kaschiert, coextrudiert oder lackiert?
Dr. Mrosik – Farbe ist und bleibt Trend und das in allen Märkten. Es ist etwas zu früh zu sagen, dass proCoverTec der Stein der Weisen ist. Es gibt auch bei der Folie nach wie vor die Trendfarben Anthrazit und Grau oder dunkle Holztöne. Das wird sehr stark nachgefragt, genauso wie die Alu-Schale in verschiedenen Varianten.
Glaswelt – Gefällt Ihnen eigentlich der Trend zur Aluschale – hier tritt der Profilextrudeur ja nicht als Farbgeber auf?
Dr. Mrosik – Märkte sind wie sie sind. Beispielsweise wird in Österreich kaum ein kaschiertes Profil verkauft, und das wird auch bei proCoverTec so sein. Dort ist der Fensterstandard einfach sehr hoch. In anderen Ländern kann man ein teureres PVC-Alu-Fenster kaum verkaufen. Deshalb: Die Möglichkeiten der Farbgebung werden nach meiner Einschätzung in Zukunft weiter gut in Coexistenz überleben.
Glaswelt – Was werden die nächsten Entwicklungsschritte bei profine sein? Wird es ein neues vertieftes System oberhalb des 76 mm Profils geben? Sozusagen als neues Premium-System?
Dr. Mrosik – Ja. Es wird ein System in einer größeren Bautiefe geben. Wir werden dieses Produkt auf der nächsten frontale vorstellen. Und es wird unter dem 76er ein System geben, was im preissensiblen Segment angesiedelt sein wird – welches vorwiegend für südosteuropäische Länder aber auch für Kunden im preisaktiven Objektbereich interessant sein dürfte. Dazu werden wir bald mit einer Innovation im Hebe-Schiebe-Türbereich auf den Markt kommen. Die Nachfrage ist hier sehr groß.
Glaswelt – Wir gehen mit Riesenschritten auf die R+T zu. Wie wichtig ist Ihnen das Sonnenschutz-Segment?
Dr. Mrosik – Das Thema ist wichtig, aber auf der Messe in Stuttgart stellen wir nicht aus. Wir sind auf der BAU in München und da werden wir auch im Sichtschutz-Bereich einiges Neues zeigen – unter anderem ein neues Klappladen-System. Wir haben diesen Bereich in eine neue Business-Unit Halbzeuge integriert, wo auch unser Plattengeschäft und unsere Bau- und Industrieprofile zusammengefasst sind.
Glaswelt – Wie groß ist diese Business Unit Halbzeuge in Umsatz ausgedrückt?
Dr. Mrosik – Der Bereich macht 80 Mio. Euro Umsatz. Das sind rund 10 Prozent des Gesamtumsatzes der Gruppe.
Glaswelt – Wie beurteilen Sie die Konzentration bei den Profilsystemgebern – neben der vollzogenen Integration von Gealan in den Veka-Konzern hat aktuell Deceuninck die Übernahme von Pimas verkündet.
Dr. Mrosik – Jeder hat seine eigene Strategie und auch wir hatten einmal die Strategie, über die Integration von Marken zu wachsen. Wir wissen, welchen Herausforderungen man sich dabei zu stellen hat. Veka hat ein tolles Management und die werden das hinbekommen – gleiches gilt für Deceuninck sicherlich auch.
Glaswelt – Bestehen bei der profine noch Überlegungen, nicht nur organisch zu wachsen?
Dr. Mrosik – profine hat es endlich geschafft, die drei starken Marken in einem Unternehmen zu integrieren. Auch wir mussten feststellen, dass eins plus eins plus eins nicht drei ergibt. Jetzt haben wir einen Vertrieb, der drei Marken verkauft, in den Ländern, in denen wir mit drei Marken vertreten sind. Das ist eine echte Stärke, weil wir unseren Kunden auch reelle Alternativen bieten können. Aber der Weg dahin war verdammt steinig. Wir schauen deshalb nicht nach weiteren Firmenakquisitionen.
Glaswelt – Erwächst Ihnen nicht auch von einer anderen Seite ein potenter Wettbewerber: Große Fensterhersteller in Polen und Österreich, die im industriellen Stil ihre eigenen Profile produzieren, extrudieren.
Dr. Mrosik – Internorm war bisher eine große Ausnahme. Jetzt ist Drutex dazugekommen. Aber generell ist es doch so, dass ein guter Fensterbauer nicht unbedingt ein guter Extrudeur ist. Ich glaube, dass das kein Trend ist, sondern auf wenige Player beschränkt bleibt. Wichtig für uns ist, dass wir insbesondere die Endkunden-affinen Marken wie Kömmerling noch deutlicher dem Endverbraucher präsentieren, als wir es bisher schon getan haben. Da haben wir in der Vergangenheit zu wenig gemacht.
Glaswelt – Fußball und Fenster scheinen eine beliebte Verbindung zu sein. Woher kommt Ihre Sympathie zu Mainz 05?
Dr. Mrosik – Ich finde die einfach sympathisch – wir hatten verschiedene Vereine zur Auswahl, aber die Mehrheit favorisierte Mainz 05. Außerdem haben die eine tolle LED-Bande mit einer enormen Auflösung. Da kommt die Kömmerling-Werbung hervorragend zur Geltung. Und wir haben dort eine Loge, wo wir alle drei Marken nach vorne bringen können.
Glaswelt – Auf der fensterbau/frontale haben Sie mit Ihrem fulminanten Messeauftritt für viel Gesprächsstoff gesorgt …
Dr. Mrosik – … jeder hat über die profine gesprochen. Der Zulauf, den wir auf der Messe hatten ist einfach gigantisch gewesen und hat alle Dimensionen gesprengt. Ich glaube, dass für die nächste Messe in zwei Jahren Marktbegleiter ihr Standkonzept überdenken werden.
Glaswelt – Wie hoch ist – gemessen am Gesamtumsatz – der Werbeetat bei profine?
Dr. Mrosik – In der Vergangenheit ist der Werbeetat eher bescheiden gewesen. Wir haben das Budget hier verdoppelt und sind da jetzt in einem deutlich zweistelligen Millionenbetrag. Prozentual am Gesamtumsatz ausgedrückt liegen wir im mittleren einstelligen Bereich.
Glaswelt – Was erwarten Ihre Kunden von einem Systemgeber?
Dr. Mrosik – Preisattraktivität, perfekten Lieferservice verbunden mit Top-Qualität.
Glaswelt – Heißt Lieferservice auch Schnelligkeit oder vor allem auf den Punkt zu liefern?
Dr. Mrosik – Vor allem ist die Lieferpünktlichkeit gemeint. Es gibt auch einzelne Kunden, die auf Schnelligkeit besonders hohen Wert legen, wie beispielsweise unser größter Kunde in Österreich, die Rekord-Gruppe. Die werben damit, in fünf Tagen ein Fenster liefern zu können. Aber die qualitativen Werte wie Zuverlässigkeit und Vertrauen überwiegen bei den Verarbeitern.
Glaswelt – Was hat es mit dem Branchentalk der Kömmerling+Fenster-Profis auf sich?
Dr. Mrosik – Das ist ein Erfahrungsaustausch innerhalb der Wertschöpfungskette, wo sich Fensterbauer, Fachhändler und wir als Systemgeber zusammengeschlossen haben. Es geht hier darum, Marketinginstrumente zu entwickeln, den Markt weiterzubringen, um noch besser zu werden in Umsatz und Ergebnis. Der Start war etwas schleppend, jetzt haben wir hier aber einen enormen Zulauf: Rund 100 Partner sitzen hier zusammen.
Glaswelt – Sie haben vor Ihrem Einstieg bei profine die Investment-Gesellschaft Hidden Peak Capital gegründet. Sind Sie hier auch noch aktiv?
Dr. Mrosik – Ich habe hier Beteiligungen an Unternehmen übernommen. Diese Anteile halte ich nach wie vor, denn ich bin kein Fan von Verkaufen. Ich bin aber nicht operativ tätig – hier geht es nur um das Halten von Investments.
Glaswelt – Es gibt immer wieder Mutmaßungen, dass Sie Ihr Engagement als geschäftsführender Gesellschafter bei profine nicht langfristig wahrnehmen werden. Was ist hier Ihre Antwort?
Dr. Mrosik – Ich verkaufe morgen (lacht). Spaß beiseite: Es wäre doch abwegig, so viel Geld in Aktivitäten, also neue Produkte zu investieren, die sich erst in einem knappen Jahrzehnt rentieren. Wer investiert Geld in eine komplett neue Systemfamilie, wenn er das Unternehmen in zwei Jahren wieder verkaufen möchte? Ich glaube mein Tun und Handeln dokumentiert aus allen Poren, dass ich hier extrem langfristig denke. —
Herr Dr. Mrosik, vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte GLASWELT Chefredakteur Daniel Mund.
Daten und Fakten
Unter den Marken KBE, Kömmerling und Trocal produziert profine Kunststoffprofile für Fenster und Türen, Sichtschutz-Systeme und PVC-Platten. Die profine GmbH – International Profile Group – entstand 2003 durch die Zusammenführung der Profilaktivitäten der HT Troplast unter einem Dach.
Das Unternehmen ist der zweitgrößte Profilextrudeur weltweit und Arbeitgeber für 3000 Mitarbeiter an 29 Standorten in 22 Ländern. Der konsolidierte Umsatz beträgt rund 700 Mio. Euro (2013) bei einer Produktionskapazität von ca. 450 000 Tonnen Profile pro Jahr.
In Deutschland produziert das Unternehmen an den Standorten Berlin und Pirmasens.
Weitere Produktionsstandorte: Marmoutier (Frankreich), Bosaro (Italien), Madrid, Woskresensk und Chabarovsk (Russland), Zaporozhie (Ukraine), Tianjin (China), Vadodara (Indien), Huntsville (Alabama USA – Platten)