Sieht so die Zukunft des Bauens aus? Das BIQ Algenhaus deckt über seine Algenfassade einen Teil seines Energiebedarfs ab und ist weltweit das erste Gebäude, das mit seiner lebenden Fassade CO2 über die Biomasse speichert.
Das Haus entstand im Rahmen der Internationalen Bauausstellung (IBA) in Hamburg und zählt zu den Projekten der „Smart Material Houses“, bei denen Materialsysteme entwickelt wurden, die auf veränderte Umweltbedingungen reagieren und sich diesen anpassen. Bei diesem Gebäude wachsen in einer vorgehängten Fassade Mikroalgen. Unter Sonneneinstrahlung und Zugabe von CO2 sowie Nährstoffen produzieren die Algen hinter der 200 m2 großen Glasfassade Biomasse und Wärme sowie Biogas.
Die Algen werden in regelmäßigen Zyklen geerntet und im BIQ-eigenen Technikraum für die Gewinnung von Biogas eingesetzt. In einem Brennwertkessel wird aus dem Gas dann Strom hergestellt sowie Wärme gewonnen.
Dieses Konzept wurde gemeinsam von Splitterwerk Architekten (Graz), Arup GmbH (Berlin), Ingenieure B+G (Frankfurt) und der Immosolar GmbH (Hamburg) entwickelt.
So funktioniert die Fassade
An der zur Sonne ausgerichteten Fassade sind über 130 plattenförmige Glaselemente, auch Kollektormodule oder Photobioreaktoren genannt, vorgehängt. Jedes Kollektormodul besteht aus zwei Scheiben, die jeweils doppelt verglast sind – so ist ein Modul vierfach verglast. Im Zwischenraum der zwei Glasscheiben werden Algen in einem wässrigen Kulturmedium gezüchtet.
Jede Scheibe ist gleich aufgebaut: An der Außenseite befindet sich das laminierte Photovoltaikglas. Durch einen Randverbund ist das äußere Glas mit einer tragenden und wärmeschutzbeschichteten Scheibe verbunden.
Doppelte Funktion der Kollektoren
Die Kollektormodule erfüllen zwei Funktionen: Zum einen bilden sie eine transparente Wandung für den Photobioreaktor und begünstigen damit das Algenwachstum. Zum anderen halten sie dem starken Wasserdruck zwischen den einzelnen Glasscheiben stand. Teil des BIQ-Konzepts ist es aber auch, die regenerative Energieproduktion durch die großen Glaselemente sichtbar zu machen – das Algenwachstum bewirkt eine ständige Farbveränderung der Fassade. Das BIQ- Gebäude bringe so architektonische und umweltfreundliche Ansprüche in Einklang.
Die Erzeugung von Biomasse ist die wichtigste Funktion der Algenfassade. Bei einem Ertrag von 15 g Trockenmasse pro Quadratmeter und Tag kann bei der Umwandlung von Biomasse in Biogas ein Nettoenergiegewinn von rund 4500 KW/a erzielt werden. Zum Vergleich: Eine vierköpfige Familie verbraucht im Jahr etwa 4000 KW/h. Die BIQ-Algenfassade könnte somit den gesamten Haushalt der Familie mit Biostrom versorgen.
Zudem gewinnt die Fassade Energie, indem sie das von den Algen nicht genutzte Licht absorbiert und – ähnlich wie in einer solarthermischen Anlage – Wärme erzeugt.
Diese wird in der Energiezentrale – das Rechenzentrum des BIQ-Energiesystems – ausgekoppelt und dann im Gebäude genutzt, ins Nahwärmenetz eingespeist oder im Erdboden zwischengespeichert. So ergeben sich pro Jahr rund 32 MW an Wärmegewinn. Auf fossile Brennstoffe kann im Algenhaus gänzlich verzichtet werden. Weiter erfüllt die Algenfassade alle Funktionen einer konventionellen Gebäudehülle: Sie dient der Wärmedämmung sowie dem Schall- und Sonnenschutz.
So experimentell das BIQ aus der heutigen Perspektive auch erscheinen mag, zeigt das Algenhaus: Architektur- und Wohnkonzepte der Zukunft sind gefordert, den veränderten Lebensbedingungen und -gewohnheiten ihrer Bewohner gerecht zu werden. An einem Baustil, der den gesellschaftlichen und ökologischen Anforderungen entspricht, führe heute kein Weg mehr vorbei, so die Projektbeteiligten.
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