Einige Anwaltskanzleien hatten gegen die Allgemeinverbindlicherklärungen der letzten Jahre geklagt und Arbeitgeber vertreten, die nicht Mitglied einer Arbeitgebervereinigung sind und deshalb nur auf Grundlage der Allgemeinverbindlicherklärungen zu Beitragszahlungen herangezogen wurden. Bundesweit sind etwa 50.000 Baubetriebe davon betroffen.
Das Gericht stellt fest: Die Allgemeinverbindlicherklärungen des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe sind mangels Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen nach § 5 TVG a.F. unwirksam. Weder hat sich der zuständige Minister bzw. die zuständige Ministerin für Arbeit und Soziales mit der Allgemeinverbindlicherklärung befasst (AVE 2008 und 2010) noch war die nach damaligem Rechtsstand erforderliche 50%-Quote erreicht (es ist nicht erwiesen, dass mindestens 50% der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallenden Arbeitnehmer bei tarifgebundenen Arbeitgebern beschäftigt waren).
Die Feststellung der Unwirksamkeit hat zur Folge, dass im maßgeblichen Zeitraum nur für tarifgebundene Arbeitgeber eine Beitragspflicht zu den Sozialkassen des Baugewerbes bestand. Andere Arbeitgeber der Baubranche sind nicht verpflichtet, für diesen Zeitraum Beiträge zu leisten.
Es ist derzeit noch offen, ob bereits rechtskräftig abgeschlossene Klageverfahren über Beitragsansprüche von der Feststellung der Unwirksamkeit berührt werden. Eine Zwangsvollstreckung aus solchen Urteilen dürfte zumindest aber einzustellen sein, heißt es bei den ELT-Rechtsanwälten, die Arbeitgeber in der Auseinandersetzung vertreten hatten.
Und weiter: "Unter Beachtung der Verjährungsfristen dürften Rückforderungsansprüche hinsichtlich erbrachter Beiträge bestehen, soweit es für diese keine Erstattungsleistungen gegeben hat. Wie es um Urteile in Straf- und Owi-Verfahren bestellt ist, die die Nichtzahlung von Baulohn betreffen und ob Nachforderungen der Deutschen Rentenversicherungen zurückgefordert werden können bedarf weiterer Prüfung."
Die Allgemeinverbindlicherklärung des jüngsten Tarifvertrages, der u.a. die Berufsbildungsumlage für Solo-Selbständige regelt wird von den ETL-Rechtsanwälten ebenfalls angegriffen. Die Frist für die Begründung der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde endet im November 2016. Aufgrund der gesammelten Erfahrungen bestehe die berechtigte Hoffnung, dass auch diese Allgemeinverbindlicherklärung aufgehoben wird.
Hermann Hubing, Hauptgeschäftsführer von hessenTischler, dem Landesinnungsverband des hessischen Tischlerhandwerks, begrüßt das Urteil: „Für uns war es nie nachvollziehbar, dass Arbeitgeber und –nehmer aus dem Tischlerhandwerk, die keinerlei Leistungen der Soka-Bau in Anspruch nehmen können, zu den enormen Zahlungen herangezogen wurden, die immerhin fast 20% der Bruttolohnkosten betragen."
Hintergrund: Bundesarbeitsgericht, Beschlüsse vom 21. September 2016, Az. 10 ABR 48/15 und 10 ABR 33/15