Die Energiewende mündete am 30. Juni 2011 durch den Bundestags-Beschluss in den unumkehrbaren Atomausstieg, in ein klares Bekenntnis zur künftigen Energieversorgung aus Erneuerbaren Energien (EE) sowie der nachdrücklichen Festlegung auf Energieeinsparung.“
Der Bundesrat habe in seiner Sitzung am 8. Juli 2011 zwar dem stufenweisen Automausstieg zugestimmt, das vorgesehene Gesetz zur steuerlichen Förderung der energetischen Wohngebäudesanierung aber abgelehnt. Nunmehr müsse das Gesetz in veränderter Form noch einmal auf den parlamentarischen Gesetzesweg gebracht werden. Es werde nunmehr alternativ erwogen, das KfW-Fördervolumen über die jährlichen 1,5 Mrd. Euro hinaus aufzustocken.
Großes Potential für die Glas-, Fenster- und Fassadenbranche
Kramer: „Die Bundeskanzlerin erklärte am 20. Juni 2011: ‚Der Schlüssel für mehr Energieeffizienz wird die Gebäudesanierung sein’[1]. Dieses bietet der Glas-, Fenster- und Fassadenbranche, aber auch der Dämmstoff- und Heizungsbranche, enormes Wachstumspotential. Es ist nicht übertrieben, die Energiewende als Konjunkturprogramm zu bezeichnen.“
Die Maßnahmen zur erheblichen Verbesserung des energetischen Gebäudestandards - angestrebt seiimmerhin eine Verdoppelung der Sanierungsquote - könne jedoch geleistet werden, wenn der Staat für finanzielle Anreizprogramme sorgt. Das sei dringend nötig, um die Prozesse zu beschleunigen. Darum isei die jetzt Aufstockung und Verstetigung des KfW C02-Gebäudesanierungsprogrammes auf jährlich 1,5 Mrd. Euro ebenso begrüßenswert wie die geplante, aktuell hoffentlich nur verzögerte, 10-%tige Abschreibungsmöglichkeit von energieeffizienten Investitionen bei bestehenden Wohngebäuden.
Ohne Erneuerbare Energien geht es nicht mehr
Der rasante Wechsel in der Energiepolitik bedeute nach Aussage von Bernd Krame für unsere Gesellschaft und unsere Volkswirtschaft eine der größten energie- und industriepolitischen Herausforderungen. Sie berge aber auch enorme Chancen, die es zu be- und ergreifen gelte.
Erneuerbare Energien geht es nicht
Die verbleibenden 20 % sollten dann aus EE gedeckt werden. Zudem wird bis 2020 eine Reduzierung des Wärmebedarfs um 20 % angestrebt[3]. Dafür sei eine Verdoppelung der energetischen Sanierungsrate von jährlich derzeit weniger als 1 % auf 2 % erforderlich. Pro Jahr bedeute das die thermische Modernisierung von rund 360.000 Wohnungen. Rund 35 % des gesamten Energieverbrauchs gehen auf das Gebäude-Konto. Die Bundeskanzlerin habe den Gebäudebestand vor kurzem zu Recht als „schlafenden Riesen der Energieeffizienz und des Klimaschutzes“ bezeichnet[4].
Konkurrierende Zielsetzungen
Kramer: „Wer die Energiewende will, muss sich auch zur Energieeffizienz bekennen. Mit dem Atomausstieg besteht seitens des Staates ein dreifaches Interesse an einer wirkungsvollen Energieeffizienzsteigerung“:
- Zum einen will und darf die Bundesregierung die festgelegten Klimaziele nicht verfehlen, wenn die relativ C02-unbelasteten Atomkraftwerke vom Netz gehen.
- Zum anderen muss der Stromverbrauch bis 2020 um rund zehn % gedrosselt werden, um die Versorgungssicherheit auch während der Jahre des „Energieumstiegs“ zu gewährleisten.
- Und letztlich ist der Gebäudesektor, speziell der Gebäudebestand, der größte Energiefresser.
„Gleichfalls sind wir alle“, so Bernd Kramer, „mit den konkurrierenden Zielvereinbarungen, die aus der ökologischen Energiewende resultieren, konfrontiert. Einerseits ist der Atomausstieg unwiderruflich, andererseits muss eine dauerhaft verlässliche Energieversorgung sichergestellt sein und die Energiepreise dürfen sich nur moderat verteuern.“
Die wesentlichsten Kostenfaktoren seien der Ausbau der Stromnetze, ein forcierter Ausbau der Erneuerbaren Energien und ein zusätzlich erforderlicher Kraftwerkausbau, um den Wegfall der AKWs aufzufangen[5].
Hilfreiche Maßnahmen für die Glas-, Fenster- und Fassadenbranche
Die wichtigsten „Energiegesetze“, die mit Ausnahme des „Gesetzes zur steuerlichen Förderung von energetischen Wohngebäudesanierungsmaßnahmen“ am 8. Juli 2011 die Bundesratssitzung passiert haben, werden von Bernd Kramer am Ende des Beitrags erläutert, soweit sie für die Branche von Bedeutung seien.
Kramer: „Aus dem Bundesfinanzministerium verlautete Ende Juni 2011, dass ab 2015 C02-Zertifikate für alle klimaschädlichen Brennstoffe eingeführt werden sollen. Das würde das Heizen verteuern, denn die Brennstoffhändler müssten entsprechende Emissionszertifikate für ihre Produkte erwerben und die Kosten auf ihre Kunden abwälzen.“
Über diese Verschmutzungsrechte entstände zusätzlicher Druck, in Wärmedämmmaßnahmen zu investieren, um dieser zusätzlichen Heizkostenbelastung zu entgehen. Damit gäbe es zukünftig fünf attraktive Anreizsysteme für energetische Sanierungsmaßnahmen: zinsgünstige KfW-Kredite nebst Tilgungszuschüssen, KfW-Barzuschüsse,(vorgesehene) Steuerabzugsfähigkeit für energetische Gesamtsanierungen sowohl bei selbstgenutzten (§ 10 EStG) als auch bei vermieteten Wohngebäuden (§ 7 EStG), Abzugsfähigkeit der Lohnkosten bei Handwerkerrechnungen nach § 35a EStG und C02-Zertifikate für fossile Brennstoffe.
Dem Gebäudebestand fällt eine Schlüsselrolle zu
Ohne deutliche Steigerung der Energieeffizienz - und hier wiederum in besonderer Weise im Gebäudebereich - bestehe keine Chance, die ehrgeizigen Klimaschutzziele der Bundesregierung wie die 2-stellige Prozent-Senkung des Primärenergieverbrauchs, des Stromverbrauchs und der Treibhausgasemissionen, auch nur annähernd zu erfüllen. Der F.A.Z-Korrespondent Andreas Mihm bezeichnet „Effizienzsteigerungen als Schmiermittel der Energiepolitik“[6].
Potentiale der Gebäudesanierung
„Finanzielle Anreize zur energetischen Verbesserung der Qualität im Gebäudebestand sind allein schon deswegen unverzichtbar, um privates Kapital zur Auslösung des energetischen Sanierungsstaus zu mobilisieren und dadurch die thermische Modernisierung des sanierungsbedürftigen Wohnungsbestandes mit zumeist einkommensschwächeren Mietern sozialverträglicher zu gestalten, unterstreicht Bernd Kramer „ebenso, um breiteste Bevölkerungskreise von weiter steigenden Heizkosten zu entlasten und nicht zuletzt bei privaten Wohneigentümern massive Investitionen im Gebäudesanierungsbereich auszulösen. Diese privaten Wohneigentümer nutzen zu 40 % ihre EFH und ZFH bzw. ETW selbst.“
Ausblick
Neben der Bestandssanierung dürfte in den anstehenden Jahren der Bestandsneubau (Abriss und Neuerrichtung) sowie die Neubautätigkeit sowohl beim Wohnungsbau als auch beim Nicht-Wohnbau zu einem tragenden Pfeiler des Bau- und Ausbaugewerbes werden.
Bernd Kramer
Quellen- und Literaturangaben:
[1] Jahrestagung des Nachhaltigkeitsrates der Regierung in Berlin, 20.6.2011
[2] Eckpunktepapier der Bundesregierung für ein energiepolitisches Konzept „Der Weg zur Energie der Zukunft – sicher, bezahlbar und umweltfreundlich“, 6.6.2011
[3] Energiekonzept der Bundesregierung vom 28.9.2010
[4] 125. Zentralverbandstag von Haus & Grund, 12.5.2011
[5] Stephan Kohler, dena-Kostenschätzung zur Strompreisverteuerung bis 2020, 18.4.2011
[6] Andreas Mihm, F.A.Z 21.6.2011
Nachfolgend erläutert Bernd Kramer wichtigsten „Energiegesetze“, am 8. Juli 2011 die Bundesratssitzung passiert haben:
Aufstockung und Verstetigung der energetischen KfW-Förderprogramme
Zum 1. Januar 2012 wird das erfolgreiche KfW C02-Gebäudesanierungsprogramm auf jährlich 1,5 Mrd. Euro aufgestockt. Das bedeutet zwar eine mehr als 50-%ige Erhöhung zu 2011, sie ist jedoch von den im Jahre 2009 bereitgestellten Rekord-Haushaltsmitteln von 2,2 Mrd. Euro mehr als ein Drittel entfernt.
Diese bis zumindest 2014 verstetigte KfW-Finanzierung für „energieeffizientes Bauen und energieeffizient Sanieren“ wird jedoch kaum ausreichen, um die Zielvorgabe einer Verdoppelung der derzeitigen Sanierungsquote im Gebäudebestand zu realisieren. Eine sofortige Förderanhebung auf zwei Mrd. Euro bis hin zu einer verlässlichen Förderhöhe von fünf Mrd. Euro ist daher nach Auffassung nahezu aller Experten dringend geboten.
Selbst die Bundesländer haben die Bundesregierung aufgefordert, die Haushaltsmittel zur C02-Gebäudesanierung auf fünf Mrd. Euro anzuheben. Die KfW-Förderprogramme mit ihren zinsgünstigen Krediten und gestaffelten Tilgungszuschüssen werden überwiegend von professionellen, institutionellen Immobilienbesitzern in Anspruch genommen. Eine alternativ angebotene Zuschussvariante er-möglicht vornehmlich Kleinvermietern und Eigennutzern Barzuschüsse bis zu 13.125 Euro. Künftig erfolgt die Mittelbereitstellung überwiegend durch Erlöse aus der Auktionierung der Emissionszertifikate des „Energie- und Klimafonds“ (EKF) und nicht mehr aus dem Bundeshaushalt.
Steuerliche Förderung energetischer Sanierungsmaßnahmen an Wohngebäuden
Mit einem jährlichen Volumen von 1,5 Mrd. Euro sollten rückwirkend vom 6. Juni 2011 an energetische Maßnahmen an Wohngebäuden, die vor 1995 errichtet wurden, steuerlich gefördert werden. Als Voraussetzung hierfür war vorgesehen, dass diese später nachweisbar mindestens um 15 % weniger Energie verbrauchen als vergleichbare Neubauten nach EnEV-Niveau (KfW-Effizienzhaus 85).
Das hätte bedeutet, dass nur die Gesamtsanierung, z.B. Fenstertausch plus Dämmung des Daches und der Wände plus ggfs. der Erneuerung der Heizungsanlage, bei der danach der Primärenergiebedarf 85 % des nach EnEV erreichten Wertes für Referenzgebäude nicht überschreitet, steuerbegünstigt ist. Einzelmaßnahmen wie der alleinige Austausch der Fenster würden danach nur im Rahmen der KfW-Programme gefördert werden.
Bei selbstgenutzten Wohngebäuden war die steuerliche Förderung nach § 10 EStG derart vorgesehen, dass diese energetischen Aufwendungen in unbegrenzter Höhe über zehn Jahre gleichmäßig verteilt wie Sonderausgaben behandelt werden. Im Falle der Vermietung von Wohnraum hätten Steuerpflichtige nach § 7 EStG diese nachträglichen energetischen Herstellkosten über einen Zeitraum von zehn Jahren in Höhe von jeweils zehn % steuermindernd abschreiben können.
Diesem Gesetz hat der Bundesrat in seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause seine Zustimmung versagt. Ursächlich ist vor allem, dass die Länder und Kommunen nicht gewillt sind, den überwiegenden Kostenanteil zu tragen, zudem wird die soziale Unausgewogenheit des jeweiligen Steuervorteils bemängelt.
Sondervermögen „Energie- und Klimafonds“ (EKF)
Zur erforderlichen Beschleunigung der Energiewende sind in den kommenden Jahren erhebliche Investitions- und Forschungsmaßnahmen erforderlich. Dafür ist der Energie- und Klimafonds mit langfristig gesicherten Finanzmitteln entsprechend auszustatten. Das ist um so notwendiger, als sich bisher das Sondervermögen vorwiegend aus der Abschöpfung von Zusatzgewinnen der Energieversorgungsunternehmen aus der Laufzeitverlängerung sowie ab 2013 aus den zu erwartenden Mehreinnahmen der Versteigerung der Emissionszertifikate zusammensetzte.
Da diese „Zusatzgewinne“ nun weitgehend wegfallen – lediglich die Brennelementesteuer dürfte jährlich noch mit rund 1 Mrd. Euro den EKF speisen – erfolgt die zukünftige Finanzierung durch die im Jahr 2013 einsetzenden Versteigerungserlöse aus den C02-Zertikaten. Zur Überbrückung bekommt der Fond 2012 aus dem Bundeshaushalt 700 Mio. Euro.
Der „Energie- und Klimafonds“ dient vielfältigen Projekten für den Klimaschutz, u.a. Elektromobilität, Effizienzsteigerung, energetische Gebäudesanierung (Finanzierung des KfW C02-Gebäudesanierungsprogramms) und Entlastung stromintensiv produzierender Betriebe wie z.B. Glaserzeugung. Für diese energieintensiven Unternehmen (schätzungsweise rund 4.000 mittel-ständische Betriebe) sind umfassende Kompensationsregeln von bis zu 500 Mio. Euro/a vorgesehen; allerdings bestehen gegenüber diesem Vorhaben seitens der EU noch Bedenken.
Erneuerbare Energien
Der beschleunigte und forcierte Ausbau der regenerativen Energien nimmt in dem zukünftigen Energiekonzept ebenso wie die energetische Gebäudesanierung breiten Raum ein. Ihr Anteil am Bruttostromverbrauch soll bis spätestens 2020 auf 35 % quasi verdoppelt werden. Um diese Zielsetzung nicht zu gefährden und die Sicherheit der Energieversorgung auch nach dem Abschied aus der Atomkraft zu gewährleisten, bleibt die Solarstromförderung weitgehend unangetastet.
Ohne erhebliche Ausweitung regenerativer Energiequellen wird es nicht gelingen, die eingegangen Klimaschutzverpflichtungen zu realisieren. Somit hat das Anfang dieses Jahres vereinbarte Förderniveau auch weiterhin Bestand; das ist auch für die Glas- und Fassadenbranche erfreulich. Das bedeutet u.a., es kommt nicht zur Deckelung des jährlichen Zubaus von Solarpaneelen auf die zuletzt diskutierten 1.000 MW, ebenso ist eine weitere Reduzierung der gesetzlich garantierten Einspeisevergütung von 28,74 Cent pro kWh für Dach-PV-Anlagen für die verbleibenden Monate des Jahres 2011 vom Tisch.
Letztlich erfolgte eine Verlängerung der bestehenden Regelung bei Eigenstrom-Nutzung. Allerdings bleiben auch weiterhin PV-Anlagen auf landwirtschaftlichen Flächen, sogenannte Freilandanlagen, von der Förderung nach dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) ausgeschlossen.