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Die Bautätigkeit in Europa insgesamt

Ununterbrochenes Wachs­tum mit Schwächephasen

In der ersten Hälfte der 90er Jahre bewegte sich das Bauvolumen kaum von der Stelle. Es betrug 1996 – wie bereits 1991 – rund 1,1 Billionen Euro (alle Werte, auch im folgenden, preisbereinigt auf der Basis des Jahres 2005). In den darauf folgenden neun Jahren erhöhte sich das Bauvolumen jedoch – trotz einer vorübergehenden schwächeren Phase 2001 – 2003 – um rund 200 Mrd. Euro auf 1,3 Billionen Euro im Jahr 2005. Dies entspricht einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von 1,8 %. Im Prognosezeitraum 2006 – 2009 dürfte das durchschnittliche Wachstum rund 2 % p.a. erreichen und das Bauvolumen damit bereits 2009 die Marke von 1,4 Billionen Euro überschreiten.

Bauvolumen und BIP

Diese „Leistung“ verblasst allerdings etwas, wenn man die Entwicklung des Bauvolumens in den 19 Euroconstruct-Ländern mit der des Bruttoinlandsprodukts im „Euroland“ im selben Zeitraum vergleicht. Seit Beginn der 90er Jahre bis 2005 lag nämlich lediglich in fünf Jahren das Wachstum des Bauvolumens über dem des Bruttoinlandsprodukts: 1994, insbesondere aufgrund kräftiger Impulse vom Wohnungsbau; 1999, getragen von massiven gewerblichen Bauinvestitionen in der Schlussphase der Millenniumseuphorie sowie des Internet-Hypes – und in den Jahren 2003 bis 2005. In diesen drei Jahren glänzten etliche Länder mit erheblichen Zuwächsen im Wohnungsbau, darüber hinaus wurden in zahlreichen Ländern die Baumaßnahmen im Tiefbau – und hier vor allem im Infrastrukturbereich – kräftig nach oben gefahren.

Auch im Prognosezeitraum dürfte die Entwicklung nicht ungünstig verlaufen. So wird die anhaltend hohe Nachfrage im Wohnungsbau sowie im Tiefbau auch 2006 dazu führen, dass das Bauvolumen in den 19 Euroconstruct-Ländern mit einem Zuwachs von gut 3 % höher sein wird als das BIP-Wachstum im „Euroland“ (gut 2 %). In den Jahren 2007 – 2009 werden die Unterschiede zwischen den durchschnittlichen Wachstumsraten des Bauvolumens sowie dem Bruttoinlandsprodukt nur relativ gering ausfallen.

Schwerpunkt Wohnungsbau

Der Schwerpunkt der Bautätigkeit liegt nach wie vor beim Wohnungsbau. Auf ihn entfiel im Jahr 2005 mit 642 Mrd. Euro fast die Hälfte (47,7 %) des gesamten Bauvolumens in Höhe von rund 1300 Mrd. Euro. Dabei übertraf der Wohnungsneubau mit 322 Mrd. Euro die Renovierungs- und Modernisierungsmaßnahmen (302 Mrd. Euro) nur ganz knapp.

Mit einem Anteil von rund 36 % (23,1 % im Wohnungsbau plus 13,2 % im Nichtwohnhochbau) nahmen die Bestandsmaßnahmen an bereits bestehenden Gebäuden einen nicht unerheblichen Umfang ein. Auf den weiterhin kleinsten Teilbereich, den Tiefbau, entfiel mit 276 Mrd. Euro ein Anteil von 21 %.

Im Verlauf der 14 Jahre von 1991 bis 2005 stieg das Bauvolumen in den 19 Euroconstruct-Ländern um durchschnittlich 1,2 % p.a. Deutlich besser als der Durchschnitt entwickelte sich dabei nur der Wohnungsbau (+ 2 % pro Jahr), während der Tiefbau lediglich ein durchschnittliches Wachstum von 0,8 % pro Jahr, der Nichtwohnhochbau sogar nur gut 0,5 % pro Jahr erreichte. Im Prognosezeitraum 2006 – 2009 wird vor allem der Tiefbau glänzen, mit durchschnittlichen Wachstumsraten von rund 3 % pro Jahr. Der Wohnungsbau dürfte mit rund + 1, 5 % pro Jahr den Durchschnittswert für das gesamte Bauvolumen (+ 2 % pro Jahr) jedoch nicht erreichen.

10 Jahre Rückgang in Deutschland

Das im Jahr 2005 realisierte Bauvolumen in den 19 vom Euroconstruct-Netzwerk analysierten Ländern betrug 1308 Mrd. Euro. Fast drei Viertel davon (73 %) entfiel auf die fünf größten Länder Deutschland, Großbritannien, Italien, Frankreich und Spanien. Die übrigen zehn westeuropäischen Länder erreichten einen Anteil von 24 %, die vier osteuropäischen Länder nur gut 4 %.

Besonders aufschlussreich ist eine graphische Darstellung der Entwicklung des Bauvolumen für die 19 Euroconstruct-Länder. Demnach verlief die Entwicklung in den drei großen europäischen Ländern Frankreich, Italien und Großbritannien zwischen 1991 und 2005 relativ „gleichförmig“. Im Prognosezeitraum 2006 – 2009 erfolgt allerdings in Italien eine spürbare Abflachung.

Ganz anders stellt sie die Entwicklung in den beiden anderen der großen fünf Länder dar: In Deutschland erfolgte, nach dem Wiedervereinigungs-Bauboom in der ersten Hälfte der 90er Jahre, ein zehnjähriger Rückgang der Bautätigkeit. Auch im Prognosezeitraum wird das Wachstum sehr bescheiden ausfallen.

In Spanien setzte 1993 ein Nachfrageboom ein, der nur 1996 leicht gedämpft wurde. Im Prognosezeitraum steht Spanien ebenfalls an der Spitze der „großen fünf“.

Bei den skandinavischen Ländern zeigen Finnland und Norwegen ab der Mitte der 90er Jahre die größte Wachstumsdynamik; dafür werden für Schweden die besten Prognosen für die Jahre 2006 – 2009 gestellt.

Bei den übrigen westeuropäischen Ländern weisen Österreich und die Schweiz für den Zeitraum 1991 – 2005 so gut wie kein Wachstum auf. Portugal fällt, nach einer vorübergehenden, starken Belebung in der zweiten Hälfte der 90er Jahre – im wesentlichen verursacht durch eine kräftig anziehende Wohnungsnachfrage – deutlich ab und wird auch im Prognosezeitraum schrumpfen.

In den osteuropäischen Ländern sind die Ausschläge wesentlich größer als in den westeuropäischen, was vor allem damit zusammenhängt, dass die Bauvolumina deutlich kleiner sind. Mit Ausnahme der Slowakei erhöhte sich dort bereits in den letzten 14 Jahren das Bauvolumen um rund 3,5 % pro Jahr. Im Prognosezeitraum dürfte sich das Bauvolumen in Polen sogar um jährlich 10 % erhöhen.

Eine Sondersituation stellt sich für Irland dar. Hier sind seit 1992 Wachstumsraten, teilweise sogar zweistellig, zu registrieren. Nach den vorliegenden Prognosen dürfte dieser Rekord-Anstieg, nach einer leichten Abflachung im Jahr 2007, erst 2008 mit einem Rückgang um rund 2,5 % zu Ende gehen.

Stabile Wohnungsbautätigkeit

Der Wohnungsbau wird auch zukünftig, trotz der prognostizierten starken Belebung im Tiefbau in den nächsten Jahren, eine besonders große Bedeutung bei der Entwicklung der Baunachfrage haben. Deshalb wird die langfristige konjunkturelle Entwicklung im europäischen Wohnungsbau nun auch auf der Basis von Wohnungsfertigstellungen aufgezeigt.

Danach haben sich die Wohnungsfertigstellungen von 1,85 Mill. Einheiten im Jahr 1992 auf 2,36 Mill. im Jahr 2005 erhöht. Der Anteil der Wohnungsfertigstellungen in osteuropäischen Ländern ist durchgängig sehr gering; er beträgt im Durchschnitt der Jahre 1992 – 2005 lediglich knapp 8 %. Trotz hoher Zuwachsraten im Prognosezeitraum steigt der Anteil nur auf rund 8,5 %.

Die anhaltend niedrigen Zinsen – und damit überaus günstige Finanzierungskonditionen – sowie zusätzliche Nachfrage durch steigende Haushaltszahlen führten und führen nicht nur zu einer steigenden Wohnungsbautätigkeit, sondern auch zu steigenden Immobilienpreisen.

Die einzige Ausnahme bildete bislang lediglich Deutschland. Die in vielen Ländern zweistelligen Preissteigerungen über etliche Jahre hinweg werden – zusammen mit der spürbar verbesserten Wohnungsversorgung durch die umfangreichen Neubauten ab 2007 – zu einer Stabilisierung der Wohnungsbautätigkeit auf hohem Niveau führen. In den Ländern mit extrem hohen Fertigstellungszahlen, z.B. Irland mit 21 (2006) und Spanien mit 17 (2007) Wohnungsfertigstellungen pro 1000 Einwohnern, ist bereits ein Rückgang absehbar.|

Erich Gluch

Info

Informationen und Prognosen

Die Globalisierung hat längst die weltweite Bau- und Immobilienwirtschaft erfasst. Deshalb legt das Euroconstruct Netzwerk, das seit über 30 Jahren halbjährlich für 19 west- und osteuropäische Länder sektoral differenzierte Bauprognosen erstellt, erstmals auf der 62. Euroconstruct Konferenz Anfang Dezember in München auch Informationen und Prognosen zur zukünftigen Bautätigkeit in den weltweiten Wachstumsregionen vor.

Autor

Erich Gluch ist beim ifo Institut für Wirtschaftsforschung e.V., 81679 München, zuständig für die Bereiche Bau, Architektenumfrage und Immobilien. Tel. (0 89) 92 24-13 83, guch@ifo.de, https://www.ifo.de/

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