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Leserbrief

Das Mindestlohngesetz ist kein Bürokratiemonster

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Aussagen die Herr Schulte in seinem Interview (GLASWELT Gespräch in Ausgabe 06/2015) von sich gegeben hat entsprechen nur der Meinung der Arbeitgeber. Aber auch wir Arbeitnehmer gehören zum Handwerk und sind in der Handwerkskammern mit vertreten. Leider vergessen das Leute wie Herr Schulte all zu oft.

In den Medien wird derzeit eine erbitterte Debatte um das vermeintliche „Bürokratiemonster“ Mindestlohn geführt. Arbeitgebervertreter und Teile der CDU versuchen mit der Forderung nach „Bürokratieabbau“ bei den Kontrollen, die Deregulierung von Schutzstandards zu rechtfertigen. Die geforderte Einschränkung der Dokumentationspflicht wäre kein Abbau von Bürokratie, sondern ein Spiel mit dem Feuer.

Im Mittelpunkt stehen Menschen, darunter viele Minijobber, die mit jedem Cent rechnen müssen. Sie müssen darauf vertrauen können, dass der Mindestlohn kein leeres Versprechen ist, sondern auch gezahlt und nicht vorenthalten wird. Es nicht zu viel verlangt, die Arbeitgeber zu einer ordentlichen Dokumentation zu verpflichten. Nur eine ordentliche Dokumentation bietet die Grundlage dafür, zu prüfen ob der Mindestlohn wirklich gezahlt wird. Zudem lässt sich nur schwer nachvollziehen, warum es im Jahr 2015, im Zeitalter der modernen Datentechnik, nicht möglich sein sollte, Arbeitszeiten von Beschäftigten angemessen zu erfassen und zu dokumentieren.

Saubere Buchführung gehört zum Handwerk

Die Dokumentation der täglich geleisteten Arbeitszeit gehört bereits nach geltender Rechtslage zu einer sauberen Buchführung eines Handwerksunternehmens und ist unverzichtbar für eine attraktive, leistungsgerechte Entlohnung der Beschäftigten. Dies ist ein wesentlicher Faktor zur Bildung eines positiven Images des Handwerks als Arbeitgeber.

Für die Umsetzung des Mindestlohns ist es entscheidend, dass die geleistete Stundenanzahl genau erfasst wird. Jede Einschränkung der Dokumentationspflichten, egal ob bei Minijobs oder anderer Beschäftigungsarten, behindert daher die wirksame Umsetzung des Mindestlohngesetzes. Es ist deshalb richtig, dass es diese Dokumentationspflichten gibt. Sie ist auch eine Hilfe für Arbeitgeber, die sich korrekt verhalten, denn sie können damit jederzeit nachweisen, dass sie sich gesetzeskonform verhalten.

Ich selber arbeite in einem Bauunternehmen mit über 100 Beschäftigten. Dort werden nach der neuen Aufzeichnungspflicht bei 3 Mitarbeiten jetzt zusätzlich Ihre Stunden erfasst werden müssen. Alle anderen Mitarbeiter mussten bereits Ihre Stunden dokumentieren, die die Basis ihrer Lohnabrechnung bilden. Selbst während meiner Lehrzeit musste ich meine Stunden dokumentieren, denn mein Lehrherr wollte ja schließlich seinen Kunden auch meine Arbeit in Rechnung stellen.

Ohne Kontrollen geht es nicht

Welcher ordentliche Arbeitgeber hat nicht schon bisher dokumentiert, welche Arbeitsleistung er für seine gezahlten Löhne eingekauft hat? Als Arbeitgeber will ich doch sicher sein, dass die Stunden, die ich bezahle, auch tatsächlich geleistet werden. Ein ‚Bürokratiemonster‘ verbal heraufzubeschwören, welches faktisch kaum vorhanden sein kann, dient nach meiner Auffassung nur der Öffnung einer Hintertür zur Umgehung des Mindestlohnes. Und das ist sicher nicht im Sinne des Gesetzes.

Und das ach so traurige Jammern über den Generalverdacht: In jedem Kaufhaus stehen wir alle unter Generalverdacht. Beim Verlassen der Hauses gehen wir gezwungenermaßen durch Sicherheitsschranken, die kontrollieren, ob von uns Ware entwendet wurde. In Bussen und Bahn wird auch jeder Fahrgast kontrolliert. Das alles ebenfalls nur, weil es einige Schwarze Schafe gibt.

Auch der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks Hans-Peter Wollseifer plädiert dafür, nicht „ganze Brachen unter Generalverdacht zu stellen.“ Um Schwarze Schafe aufzuspüren, genüge es „dann zu kontrollieren und dokumentieren zu lassen, wenn es belastbare Hinweise gibt“, sagte Wollseifer anlässlich der Internationalen Handwerksmesse in München. Wie soll so etwas funktionieren?

Der Koalitionsausschuss hat am 26.04.2015 das Gesetz zum Mindestlohn zum Glück nicht geändert. Bei der ArbeitnehmervizepräsidentInnen Arbeitstagung am 25.04.2015 wurde beiliegendes Schreiben verfasst, das vor dem Koalitionsausschuss an Frau Merkel, Frau Nahles, Herrn Gabriel und an Herrn Seehofer geschickt wurde.

Mit freundlichen Grüßen
Stefan Cibis, Arbeitnehmer Vizepräsident
Handwerkskammer Oldenburg

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